100-Dollar-Laptop in Bedrängnis
Intel und Asus setzen auf Konkurrenz-Produkte
Immerhin sechs Monate hat die unmögliche Affäre zwischen dem Open-Source-Projekt „One Laptop Per Child“ (OLPC) und dem Chip-Giganten Intel gedauert – dann aber war Schluss: „Unterschieden in der Philosophie“ nannte Intel am 3. Januar als Grund für seinen Ausstieg aus dem Laptop-Entwicklungsprojekt. Ob damit auch ein rasches Ende der überraschenden Liebäugelei des OLPC-Gründers Nicholas Negroponte mit Microsoft erwartet werden darf, ist noch unklar. Immerhin könnte sich der MIT-Professor jetzt auf eine seiner früheren Erkenntnisse rückbesinnen: „Wenn man sowohl Intel wie Microsoft im Nacken hat, dann weiß man, dass man etwas Richtiges tut.“
Noch im Dezember hatten sich Software-Spezialisten von Microsoft und OLPC getroffen, um sich über den Entwicklungsstand eines Windows XP Programms für den von OLPC entwickelten XO-Laptop auszutauschen, und Microsoft hatte in einer Presseerklärung bestätigt, dass der Konzern dabei sei, eine abgespeckte Windows XP Version nicht nur für die Lowcost-Laptops von Intel und Asus entwickeln zu wollen, sondern auch für das OLPC-Projekt. Jetzt im Januar sollten erste Testversionen erprobt werden – mit dem Ausstieg von Intel, das einen speziell entwickelten Chip zur Verfügung stellen wollte, dürfte die Testreihe in Frage gestellt sein.
Die New York Times schildert schildert, wie sich der Konflikt zwischen Intel und OLPC trotz dessen Eintritt in das Direktorium der One-Laptop-Per-Child-Initiative immer weiter zugespitzt hatte. Demnach hat der Chip-Produzent daran festgehalten, weiterhin aggressiv für sein eigenes Produkt - den Lowcost-Laptop „Classmate“ - zu werben. Dabei schreckte das Unternehmen auch nicht davor zurück, von der OLPC-Initiative gewonnene Kunden wieder abzuwerben. Zuletzt hatte Intel versucht, den stellvertretenden Erziehungsminister davon zu überzeugen, dass der Classmate ein besseres Modell sei als der XO von OLPC, von dem Peru bereits 270.000 bestellt hatte.
In Peru, where One Laptop has begun shipping the first 40,000 PCs of a 270,000 system order, Isabelle Lama, an Intel saleswoman, tried to persuade Peru’s vice minister of education, Oscar Becerra Tresierra, that the Intel Classmate PC was a better choice for his primary school students. In a telephone interview Friday, Mr. Tresierra said that his government had asked Intel for a proposal for secondary-school machines, and it had responded with a proposal offering the Classmate PC for primary grades. “We told them this is a final decision, we are running the primary-grade project with the XO,” he said. “She wasn’t very happy.”
Nachdem zuvor bereits ein ähnlicher Vorstoß Intels in der Mongolei bekannt geworden war, habe das Vorgehen in Peru das Fass zum Überlaufen gebracht, und das OLPC-Direktorium habe von Intel ultimativ verlangt, seine (Ab-)Werbekampagne einzustellen – was das Unternehmen aber als Aufforderung zum Verkaufsstopp verstand und daraufhin ablehnte.
In jedem Fall hat die Entwicklung sowohl des Classmate wie auch des Eee PC das OLPC-Projekt bereits arg in Bedrängnis gebracht. Es gilt mittlerweile als äußerst unwahrscheinlich, dass es der Initiative jemals gelingen wird, ihren Kinder-Laptop zum anvisierten Preis von 100 Dollar zu verkaufen. Diese ursprüngliche Rechnung hatte vorausgesetzt, dass Regierungen aus dem Süden den minimalistisch ausgestatteten Laptop in Stückzahlen von Hunderttausenden bestellen würden. Doch mittlerweile zieren sich immer mehr Staaten, ihren euphorischen Ankündigungen Taten folgen zu lassen - und Intel ist daran offensichtlich nicht ganz unschuldig:
Zum Beispiel Nigeria: 1 Millionen XO-Computer wollte die Regierung unter Obasanjo bestellen – jetzt hat die Regierung gewechselt, und der neue Erziehungsminister verkündet, dass das Geld auch besser angelegt werden könne in einem Land, in dem zahlreiche Schulen noch nicht einmal Wände, Tische oder Stühle hätten. Das wäre ein vielleicht durchaus überzeugender Einwand – hätte Nigeria nicht gleichzeitig eine Bestellung für zunächst einmal 17.000 Classmate-Laptops in Auftrag gegeben, für die sich das Opec-Mitglied nicht zu schade ist, noch einmal zusätzlich Geld auszugeben, um die laut Vertrag mit Linux ausgestatteten Notebooks später mit Windows laufen zu lassen.
Beispiel 2: Libyen. Der Wüstenstaat hatte angekündigt, 1,2 Millionen XOs kaufen zu wollen, um damit sämtliche Schulkinder auszustatten. Im April ruderte der Auftraggeber, die Gaddafi-Stiftung, zurück: Jetzt war nur noch von einem Auftrag von allerhöchstens 500.000 Stück die Rede. Als Begründung wurde zunächst der Preis des XO vermutet: Statt 100$ geht die OLPC jetzt von Produktionskosten von etwa 180$ aus. Im Oktober folgte dann die Meldung, dass Libyen jetzt zunächst eine Lieferung von Intel-Laptops erreichen wird – immerhin 150.000 Stück an der Zahl und die zu einem Preis, der mit XO bestens konkurrieren kann: 200$!
Andere Großbestellungen sind allerdings inzwischen unter Dach und Fach, weshalb die Massenproduktion des XO Anfang November endlich anlaufen konnte. Die erste Lieferung (100.000 Stück) soll an Uruguay gehen; außerdem hat Peru 260 000 und ein Millionär in Mexiko seinerseits schon einmal 50.000 XOs geordert. Negroponte aber ist durch den starken Gegenwind bescheidener geworden, wie er der New York Times erklärte: „Wenn ich anderthalb Millionen Computer in Irak, Afghanistan und Äthiopien verkaufen kann, geht es mir viel besser, als wenn ich an andere, potenzielle Geschäfte denke.“