18-Prozent-Potenzial für Sarrazin-Partei
Der ehemalige Berliner Finanzsenator will trotzdem in der SPD bleiben
Der Sommer scheint in diesem Jahr bereits Anfang September vorbei, dafür dauert das Sommerloch umso länger. Bild am Sonntag versuchte es zu füllen, indem es das Emnid-Institut fragen ließ, wie viele Bürger eine vom umstrittenen Aufmerksamkeitskünstler Thilo Sarrazin angeführte Partei wählen würden. Die potenziell 18 Prozent, die dabei herauskamen, sind angesichts anderer Umfragen in der jüngsten Vergangenheit nicht unbedingt überraschend, was den Axel-Springer-Verlag jedoch nicht davon abhielt, das Ergebnis als "Schock für die etablierten Parteien" zu präsentieren. Ein tatsächlich nicht ganz uninteressantes Detail, das Forsa ans Licht brachte, ist jedoch, dass der Zuspruch für Sarrazin ausgerechnet bei Linkspartei-Wählern deutlich über dem Durchschnitt liegt, nämlich bei 29 Prozent. Von den Unionswählern würden dagegen nur 17 Prozent für ihn stimmen.
Das Ergebnis hat allerdings insofern einen Schönheitsfehler, als Sarrazin angeblich nicht daran denkt, eine neue politische Gruppierung zu gründen oder einer nicht etablierten beizutreten: Dem Focus sagte er, er habe "Ideen im Sinn", keine Parteien. Derzeit scheint außerdem zweifelhaft, ob das am 30. August eingeleitete Parteiordnungsverfahren zu einem Ausschluss aus der SPD führt - auch deshalb, weil sich die Parteiführung mit einer Flut von Zuschriften konfrontiert sieht, in denen sich Mitglieder- und Wähler mit dem Hugenotten solidarisch erklären.
Ebenso wenig gesichert ist, dass der ehemalige Berliner Finanzsenator seinen Posten bei der Bundesbank verliert: Er informierte nämlich, wie jetzt bekannt wurde, den Vorstand bereits am 16. August über sein Buch Deutschland schafft sich ab, ohne das von dort Widerspruch laut geworden wäre, weshalb eine Entlassung mit Verweis auf das Mäßigungsgebot Fragen nach sich ziehen dürfte, die den anderen Mitgliedern auf die eine oder andere Weise unangenehm sein könnten. Wirksam wird eine Entlassung erst, wenn sie Bundespräsident Wulff unterzeichnet. Sarrazin hat allerdings bereits angekündigt, in diesem Falle den Rechtsweg zu beschreiten. Morgen früh will er an seinem Arbeitsplatz erscheinen und angesichts der ihm entzogenen Zuständigkeiten den Tag mit dem Beantworten von "Bürgerpost" verbringen.