2-G-Modell und Ende kostenloser Schnelltests: ungerecht und gefährlich

Seite 2: Die 3-G-Regel hatte sich bewährt

So gesehen, ist das 2-G-Modell ohne Ausnahmeregelung im Sinne der Gleichbehandlung der Menschen nicht nachvollziehbar. Hier sind Juristen gefragt, die Sache auszuloten. Nun hat die Gesellschaft in den letzten Monaten mit der 3-G-Regel sehr gute Erfahrungen gemacht. Viele sehen darum nicht ein, wieso man davon abrücken soll.

In Baden-Württemberg, "schwarz-grün" regiert, war das 2-G-Modell, das nur noch Geimpfte und Genesene zulässt, zunächst als Notfallregelung gedacht: für den Fall, dass die Intensivstationen wieder stark belastet werden. Demnächst soll das 2-G-Modell im Schwabenland aber favorisiert und mit "Privilegien" wie Maskenfreiheit nach vorn gebracht werden.

Zusätzlich zum Kostendruck durch bezahlpflichtige Schnelltests wird ein Zugzwang auf die Bürger:innen ausgeübt, Motto: Lass dich impfen oder bleibe zuhause! Als seien die Menschen nicht in der Lage, selbständig für sich und ihre Gesundheit zu entscheiden.

Auch andere Bundesländer haben seit dem Wahlsonntag keine Scheu mehr, ihre Bevölkerung derart zu bedrängen. Der "rot-grüne" Hamburger Senat zwängt die hanseatischen Gastronomiebetriebe sogar schon seit dem Sommer systematisch in das 2-G-Modell hinein. Vordergründig ist 2-G zwar auch in Hamburg nur eine Option, also eine freiwillige Möglichkeit. Das 3-G-Modell, das Geimpfte, Genesene und Getestete zu Teilnehmer:innen macht, ist weiterhin erlaubt.

Aber faktisch wird die Entscheidung für das 2-G-Modell mit so vielen Privilegien ausgestattet, dass der freie Wettbewerb verzerrt wird. So gelten für Hamburger Restaurants und Clubs, die das 2-G-Modell anwenden, keine Maskenpflicht und keine Sperrstunden mehr und auch keine Auflagen bezüglich der Dichte der Besucher:innen. Beim 2-G-Diktat dürfen alle ohne Maske rein, es darf proppenvoll werden, und das bis weit nach Mitternacht.

Dabei können bis zu zehn Prozent der Geimpften trotz Impfung mit Corona-Viren infiziert und ansteckend sein. Und an "Long Covid", also der langwierigen Nacherkrankung mit chronischer Erschöpfung und Konzentrationsstörungen, können auch Geimpfte erkranken.

Nicht-Geimpfte, die nicht zufällig genesen sind, werden derweil abgestraft und ausgesperrt, auch dann, wenn sie negativ getestet sind - und das, obwohl sie mit ihren Steuergeldern zum Beispiel die teure Hamburger Hochkultur, die sie dann nicht mehr sehen dürfen, mitfinanzieren.

Ab 1. November "2 G" ohne Abstand und Maske

Die Hamburgische Staatsoper etwa hat sich - als erstes Opernhaus in Deutschland - entschieden, ab dem 1. November 21 das 2-G-Modell einzuführen. Denn nur so darf sie endlich wieder alle Platzkarten verkaufen.Derzeit herrscht im Hamburger Opernhaus noch Maskenpflicht. Außerdem müssen die Abstände eingehalten werden, auch im Zuschauersaal. Finanzielle Einbußen sind daher der Preis für größtmögliche Sicherheit für alle. Damit soll ab dem 1. November 21 Schluss sein. Die Maske soll im ganzen Opernhaus Vergangenheit sein, ebenso das Abstandsgebot.

Viren- und Bazilleninfekte aller Art werden dann zur Musik von Mozart und Verdi, zu Balletten wie "Dornröschen" und "Der Nussknacker" wieder ihre üblichen Verbreitungswege erhalten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es dann wohl auch Infektionen mit dem Corona-Virus im Opernhaus geben, die anschließend weiterverbreitet werden.

Zudem sind in Hamburg Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von vornherein mit Erwachsenen, die den 2-G-Status haben, gleichgestellt. auch ohne Impfung oder Genesung. Kritiker:innen finden das fahrlässig. Aber die ungeimpften Erwachsenen von vornherein von der Staatskultur auszusperren, scheint für Hamburger Politiker:innen in Ordnung.

Sollten Klagen beim Verwaltungsgericht Hamburg eingehen, darf man auf deren Ausgang gespannt sein. Ein Opernhaus ist immerhin subventioniert und hat dem Bildungsauftrag gemäß allen zur Verfügung zu stehen. Das ist schon ein Unterschied zu einer privaten Gastronomieeinrichtung.

In Berlin wird denn auch differenziert. Für Kneipen und Restaurants ist das 2-G-Modell zwar erlaubt. Aber Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) empfiehlt für Theater, Konzerthallen und die drei Opernhäuser der Metropole weiterhin das 3-G-Modell. Dabei denkt er nach eigenem Bekunden vor allem an die ganz jungen Zuschauer:innen, denen er nicht von vornherein bescheinigen mag, nicht ansteckend zu sein. Denn Kinder und Jugendliche sind in Deutschland überwiegend nicht geimpft und werden es in absehbarer Zeit auch nicht sein.

Im Unterschied zu den Locations der Kultur in Hamburg dürfen die Theater und Opernhäuser in Berlin allerdings auch mit der einfachen 3-G-Regel alle Plätze anbieten. Auf ihrem Sitz angekommen, dürfen die Besucher:innen zudem ihre Masken abnehmen. Da Personen mit Erkältungsbeschwerden keinen Einlass begehren dürfen, hat man das Infektionsrisiko minimiert.

"3-G-plus" mit teurem PCR-Test

In Bayern gibt es derweil - zusätzlich zur Option von 2 G - seit kurzem eine neue Spielart des 3-G-Modells. Sie trägt den klingenden Namen "3-G-plus". Das "plus" mag für die erhöhten Kosten der Nutzer:innen stehen. Gemeint ist nämlich das negative Ergebnis eines teuren PCR-Tests statt eines normalen Schnelltests als Entrée-Berechtigung.

Opern-, Kino-, Sportstätten-, Club- und Restaurantbesuche in Bayern werden solchermaßen schwer zugänglich für all jene, denen die Euros nicht eben locker auf der Tasche liegen und die sich dennoch nicht impfen lassen wollen. Armut als Druckmittel zur Impfung. Das kann nicht legal sein, meinen Skeptiker:innen.

Sollte der bayerische Staat einkommensschwächere Menschen, die auf ihre freie Entscheidung pochen, nun rigoros abstrafen wollen, so wird das ohne Gerichtsverfahren wohl gelingen. Sie werden auf vieles verzichten müssen und in eine Isolation zurückrutschen, die seit dem Lockdownende im Frühsommer eigentlich überwunden schien.

Im Gegenzug locken für Geimpfte und Genesene Maskenfreiheit und erlaubtes Gedrängel. Aber das geschieht auf Kosten derjenigen, die da sich aus medizinischen Gründen impfen lassen können.

Ist das noch gerecht? Oder handelt es sich um staatliche Zuarbeit an bestimmte Wirtschaftszweige?

So sind Fußballstadien im Bayern unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) offenbar der höchste Maßstab, was die Änderungen der Corona-Regeln angeht: Die Stadien sollen sich wieder maximal mit brüllenden - und zahlenden - Fans füllen, die sich von keiner Maske und keiner Abstandsregel in ihrem Vergnügen gestört fühlen. So siegt König Fußball über die Intelligenz. Auch in bayerischen Clubs soll das Abtanzen ohne Maskerade und ohne Beschränkung auf eine bestimmte Personenanzahl durch das 2-G-Modell erreicht werden. Man hat schon fast den Eindruck, hier solle auf Biegen und Brechen eine künstliche Normalität vorgespiegelt werden.

Denn Fakt ist: Viele Expert:innen halten einen weiteren Lockdown im kommenden Winter für nicht unwahrscheinlich. Und: Wir haben immer noch die Corona-Pandemie, auch wenn wir das bei lauter Techno-Musik, begröhlten Fußballspielen oder vornehmen Opernarien einfach mal vergessen wollen.

Droht der nächste Lockdown nun nicht trotz, sondern wegen der neuen Corona-Schutzregeln? - Wer glaubt, das 2-G-Modell sei sicherer als das 3-G-Modell, wird womöglich eines Besseren belehrt: mit weiterhin steigenden Infektionszahlen.

Gisela Sonnenburg leitet das 2014 von ihr gegründete Online-Magazin Ballett-Journal auf www.ballett-journal.de und ist seit über zwanzig Jahren auch als Wissenschaftsreporterin tätig.

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