2020: Fast 240.000 Tote durch Feinstaub in der EU
Mit den steigenden Energiekosten wurde die Gesundheitsbelastung durch Feinstaub aus dem Blick verloren. Ausweichbrennstoffe wie Holz können das Problem in den nächsten Jahren verschärfen.
Der Belästigung von Anwohnern durch Windkraftanlagen oder Höchstspannungsleitungen und der Ortsbildbeeinträchtigung durch PV-Anlagen auf den Dächern wurde bislang mehr Bedeutung zugemessen als den Folgen der Luftverschmutzung durch Feinstaub.
Der Ausbau der Übertragungsleitungen von den Windkraftfarmen in Nord- und Ostdeutschland wurden vor wenigen Jahren noch von der bayrischen Politik und Teilen der Bevölkerung als nicht notwendig erachtet und der Ausbau immer weiter verzögert. Mangels Leitungstrassen müssen nun nördliche Windkraftanlagen abgeregelt und deren Eigentümer dafür entschädigt werden.
Corona-bedingte Lockdowns sorgten für bessere Luft
Die aktuell gute Nachricht lautet: Im Jahr 2020 hatten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in vielen Ländern eine positive Auswirkung auf die Schadstoff-Emissionen gehabt und zu einer verbesserten Luftqualität geführt. Die Stickstoffdioxid-Konzentrationen sind während der Lockdowns vorübergehend zurückgegangen, was eine direkte Folge des geringeren Straßenverkehrs während der Covid-Lockdowns war.
Unabhängig von diesen Sondereinflüssen war zwischen 2005 und 2020 die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Feinstaub-Belastung in der EU um 45 Prozent zurückgegangen, meldete die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen.
Setze sich dieser Trend fort, könne die EU ihr Ziel voraussichtlich erreichen und die Zahl der durch Feinstaubbelastung ausgelösten Todesfälle bis 2030 um 55 Prozent reduzieren. Dieses Ziel hatte die EU-Kommission im Rahmen des sogenannten European Green Deal ausgegeben.
Das Wiederanfahren von Steinkohle-Kraftwerken wird die Stickstoffdioxid-Konzentrationen jedoch wieder erhöhen, weil die Rauchgasentschwefelung jetzt im Bedarfsfall auch abgeschaltet werden darf, wenn der benötigte Branntkalk oder das Erdgas dafür nicht zur Verfügung stehen. Dies wurde mit dem Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorsorglich festgelegt.
Energie-Preise: Mehr Feinstaub durch Holzheizungen
Schon vor der aktuellen Energiekrise hatte der gute Ruf der Holzheizungen Schaden genommen. Unumstritten ist die Tatsache, dass es sich bei Holz um einen erneuerbaren Brennstoff handelt. Das Problem besteht jedoch in den Feinstaubemissionen, die aus den Schornsteinen ausgestoßen werden.
So wird der ehemalige ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann in Agrarheute mit der Aussage zitiert: "Es stinkt wieder abends in Deutschland" und dieser Gestank sei ein perfekter Marker für den Feinstaubgehalt der Luft, was Kachelmann auf einen "Holzofen-Wahnsinn" zurückführt.
Als Beleg dafür sieht er die Tatsache, dass die Feinstaubbelastung jetzt nicht mehr zur Rushhour und an stark befahrenen Straßen, sondern vor allem Abends, an Wochenenden und in Wohngebieten hoch ist. Das Verbrennen von Holz sei eine zutiefst "dreckige Technologie", eigentlich die dreckigste verfügbare, stellt Kachelmann fest.
Auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) sieht das Heizen mit Holz durchaus kritisch. Je nach Holzbeschaffenheit und Bauart des Ofens würden beim Verbrennen von Holz beträchtliche Mengen mikroskopisch kleiner Rußpartikel freigesetzt.
Und die seien nicht nur gesundheitsschädlich, sondern auch weitaus klimaschädlicher als bislang gedacht. Beim UBA geht man davon aus, dass Holzöfen in Deutschland mittlerweile mehr Feinstaub produzieren als alle LKW und PKW zusammen. Da der Trend zum Heizen mit Holz ungebrochen sei, dürfte sich die Feinstaubbelastung aus diesen Quellen in den nächsten Jahren noch verstärken.
2020 geschätzt 238.000 Feinstaubtote in der EU
Trotz der Verbesserung der Luftqualität sollen im Jahr 2020 238.000 Menschen in der EU aufgrund der Belastung der Luft in ihrer Umgebung mit Feinstaub vorzeitig gestorben sein. Die Zahl stammt von einer Schätzung der EU-Umweltagentur EEA. Menschen, die in Städten leben, sind demnach besonders hohen Feinstaubwerten ausgesetzt, die über den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation von fünf Mikrogramm per Kubikmeter liegen.
Bezogen auf Deutschland gehen die Schätzungen EEA für 2020 von 28.900 frühzeitigen Todesfällen aufgrund der Belastung der Umgebungsluft mit Feinstaub zurück. Dazu kämen noch 10.000 Tote aufgrund der Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) und 4.600 Tote, die auf bodennahes Ozon (O3) zurückzuführen seien. EU-weit seien 49.000 Todesfälle auf chronische Belastung mit NO2 und 24.000 auf die Belastung mit bodennahem Ozon (O3) zurückzuführen.
In asiatischen Städten wie Bangkok gehören FFP2-Masken bei hoher Luftbelastung schon lange zum täglichen Erscheinungsbild. Möglicherweise werden sie auch in Europa zum ständigen Begleiter werden, weil sie nicht nur in Innenräumen die Virenbelastung während Corona und während der Grippesaison reduzieren, sondern im Außenbereich die Feinstaubbelastung mindern.