30 Milliarden Euro mehr gegen Alterskrankheiten
Bei der Europawahl tritt eine Partei für Gesundheitsforschung an, die sich bewusst auf ein einziges Thema beschränkt
Während bei der Europawahl am 26. Mai in Österreich nur sieben Parteien auf dem Wahlzettel stehen, sind es in Deutschland 41. Ein Grund dafür ist, dass in Österreich aufgrund der geringeren Einwohnerzahl mindestens vier Prozent Stimmenanteil für ein Mandat nötig sind, während in Deutschland etwa 0,6 Prozent reichen können, solange es keine neue Sperrklausel gibt (vgl. Europawahl-Umfragen: Fehlende Sperrklausel macht "Sonstige" stark).
Unter diesen 41 Parteien befindet sich auch die Partei für Gesundheitsforschung, die mit einer einzigen Forderung antritt: Das bislang nicht einmal eine Milliarde Euro umfassende Budget für die Erforschung von Alterskrankheiten um 30 Milliarden Euro aufzustocken. Das, so Parteichef und Spitzenkandidat Felix Werth im Gespräch mit Telepolis, "klingt zwar nach viel", ist aber weniger als das umgerechnet 35 Milliarden Euro umfassende amerikanische Gesundheitsforschungsbudget, obwohl die USA 186 Millionen weniger Einwohner haben als die EU.
Kein Geld von der Pharmaindustrie
Mit dem Geld ließe sich der medizinische Fortschritt dem Biochemiker zufolge deutlich beschleunigen, weil man Institute und Studienplätze einrichten und Wissenschaftler nach Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten für Krebs, Alzheimer und andere Erkrankungen forschen lassen könnte. Auf die Frage, wie dabei sichergestellt werden soll, dass nicht nur das Volumen an Veröffentlichungen mit eher magerem Erkenntniswert zunimmt (vgl. Zweifel an Röslers Dissertation) meint Werth, darüber müsse man sich Gedanken machen, wenn es die neuen Einrichtungen gibt.
Die Pharmaindustrie sieht er nicht als Konkurrenz für solche Einrichtungen, hat aber auch noch keine Spenden von ihr bekommen. Böte sie welche an, würde sie die Partei für Gesundheitsforschung seinem Eindruck nach wahrscheinlich ablehnen, weil man ihr sonst vorwerfen könnte, deren Interessen zu vertreten.
Warnendes Beispiel Piratenpartei
Werth zufolge hat man sich ganz bewusst entschieden, eine Ein-Themen-Partei zu sein, weil man das eine Ziel auf diese Weise am besten fördern kann. Würde man sich Positionen zu anderen Themen zulegen, könnte das seiner (in einem Interview mit Longevity Politics geäußerten) Meinung nach sowohl Mitglieder als auch Medien dazu verlocken, sich um Sachen zu kümmern, die zwar wichtig sein mögen, aber (anders als die massive Erhöhung der Mittel für Gesundheitsforschung) bereits von anderen Parteien abgedeckt werden. Obwohl er es nicht explizit anspricht, fühlt man sich hier an das warnende Beispiel der Piratenpartei erinnert (vgl. Piraten haben ein paar Probleme weniger).
Sollte der Stimmenanteil am 26. Mai für einen Sitz im EU-Parlament reichen, will sich der Spitzenkandidat in allen Abstimmungen zu anderen Themen der Stimme enthalten. Ob er sich einer Fraktion anschließt, um besser Anträge einbringen zu können, hat er noch nicht entschieden. Für eine Zusammenarbeit infrage käme beispielsweise die vom Bestsellerautor José Cordeiro angeführte spanische Partei MIEL, die einen ähnlichen Schwerpunkt hat wie die Partei für Gesundheitsforschung. Bei MIEL ist jedoch (anders als bei der Partei für Gesundheitsforschung) noch unklar, ob sie die nötigen Unterschriften zusammenbekommt, um zur Europawahl antreten zu dürfen.
Zu Fragen nach den Chancen verweist Werth unter anderem auf die Berliner Abgeordnetenhauswahl von 2016, wo seine Partei trotz weitgehender Unbekanntheit auf 0,5 Prozent der Zweitstimmen kam - das sind 0,1 Prozentpunkte weniger, als voraussichtlich für einen Einzug ins Europaparlament nötig sind. Fällt der Stimmenanteil größer aus, haben auch andere Kandidaten Chancen auf ein Mandat. Auf der Europawahlliste der Partei stehen unter anderem die an der Berliner Humboldt-Universität tätige Molekularbiologin Nadine Saul, der Geraer Herzperfusionist Kai Liebing, der Weilheimer Bioinformatiker Kemal Akman und der verrentete Krankenpfleger Georg Diederichs.
Durch ein besser als erwartetes Ergebnis hofft der Biochemiker aber vor allem auf Aufmerksamkeit in anderen Parteien. Ihnen soll klar werden, dass sie den eigenen Stimmenanteil erhöhen könnten, wenn sie das Ziel seiner Partei übernehmen. Je mehr Stimmen sie bekommt, desto wahrscheinlicher wird es seinen Worten nach, dass das geschieht. Wähler verlieren würden größere Parteien durch die Übernahme des Ziels Werths Ansicht nach nicht: Beim Sammeln der für die Europawahlzulassung notwendigen 4.000 Unterschriften auf der Straße zeigte sich seinen Angaben nach nämlich, dass praktisch jeder mehr Geld für Gesundheitsforschung befürwortet.
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