4. November 1989: Die gescheiterte Revolution
Seite 3: Auch eine Niederlage der Westlinken
- 4. November 1989: Die gescheiterte Revolution
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Nicht nur die linke DDR-Opposition auch die Westlinke erlitt 1989 eine Niederlage, von der sie sich bis heute nicht erholt hat. War sie 1989 weitgehend Zaungast der Ereignisse, wurde sie später mit wenigen Ausnahmen zu der Kraft, die die Wiedervereinigung nun noch besonders abfeiert und völlig unkritisch die offizielle Sprachregelung von der friedlichen Revolution benutzt.
So kehrte 1989 mancher ehemalige Linker "heim ins deutsche Reich", wollte die schon tote DDR noch einmal beerdigen und hatte bald auch kein Problem mehr, dass deutsche Soldaten wieder überall in der Welt mitmischen. Und immer, wenn staatliche Gedenktage ins Haus stehen, streuen sich Ex-Linke Asche aufs Haupt und lamentieren, die Linke hätte 1989 nicht noch lauter für die Wiedervereinigung getrommelt. Stefan Reinecke ist in der Taz mit seinen Kommentar Geistiges Kleingärtnertum" aktuell nur der lauteste Trommler.
Die westdeutsche Linke versagte komplett: moralisch, analytisch und politisch. Moralisch gab es keine Rechtfertigung dafür, dem DDR-Volk, das sich gerade befreit hatte, vorzuschreiben, in welchem Staat es zu leben hatte. Warum sollte Selbstbestimmung in Tibet und der Westsahara gelten, aber nicht zwischen Rostock und Görlitz? Zudem hatte die DDR laut Grundgesetz-Artikel 23 misslicherweise das Recht, der Bundesrepublik beizutreten.
Stefan Reinecke, Taz
Allein, dass sich Reinecke auf den revanchistischen Grundgesetz-Artikel 23 beruft, den viele Linke vor 1989 mit Recht bekämpften, zeigt, dass hier kritisiert wird, dass die Linke nicht schon vor mehr als 30 Jahren die nationale Karte gezogen hat.
Das politische Versagen der Linken im Westen
Reinecke wiederholt hier nur, was die FAZ, Bild und Co. schon immer behaupteten:
Nach dem 9. November zeigte sich das geistige Kleingärtnertum der politischen Linken. Sie war fasziniert von Revolten gegen Autokraten - in dem Moment, in dem eine Revolution vor ihrer Haustür passierte, war sie schnell irgendwie beleidigt. Eine Epoche ging zu Ende. Die radikale Linke nahm übel, weil die Ossis genau das wollten, was sie ablehnte: Parlamentarismus und Kapitalismus.
Stefan Reinecke, Taz
Das Gerede von den Ossis, die eigentlich den Kapitalismus wollten, unterschlägt eben, wie sie nach dem 4. November durch die Allianz für Deutschland auf die nationale Linie gebracht werden mussten. Rechte aller Couleur waren Bündnispartner.
Ja, ein großer Teil der Linken in der BRD hat 1989 moralisch versagt, aber ganz anders, als Reinecke denkt.
Sie hat versagt, weil sie die linke DDR-Opposition nach dem 4. November nicht stärker unterstützte. Sie hat versagt, weil sie nicht einmal versuchte, die Staatsapparate der BRD daran zu hindern, sich in der DDR breit zu machen. Wo waren die Demonstrationen und Blockaden, als die BRD-Parteien gegen den Entschluss des Runden Tisches die DDR mit ihrer Propaganda überschwemmten?
Wo blieben die Versuche, die Ideen des 4. November auch in der BRD zu verbreiten? Warum wurden nicht auch dort die Verfassungsschutzämter und andere Organe der Datensammlung belagert? Hier liegt das politische Versagen der BRD-Linken. Sie gehört zu den Verlieren. Der Aufstieg der Rechten ist nur die logische Folge der gescheiterten Revolution vor 30 Jahren.