80 Mal Hiroshima in der Eifel
ZDF-Recherche: Vorbereitung zur Erneuerung des US-Atombombenarsenals in Büchel angelaufen
Die US-Luftwaffe und die Bundeswehr bereiten sich nach Recherchen des ZDF-Magazins Frontal 21 nun konkret auf eine schon seit längerem geplante Modernisierung des Atomwaffenarsenals im rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel vor (Pentagon droht mit der Stationierung von mehr Atomwaffen in Europa). Bekräftigt wird damit die Nato-Politik der Nuklearen Teilhabe, in deren Rahmen Deutschland in einen atomaren Schlagabtausch verwickelt würde.
Die Redaktion von Frontal 21 hat vor dem Hintergrund des Modernisierungsvorhabens US-Haushaltspläne gesichtet und dabei Posten gefunden, die auf konkrete Maßnahmen schließen lassen. Zugleich bestätigten Militärpolitiker der Großen Koalition parallele Baumaßnahmen der Bundeswehr in Büchel, wo das Taktische Luftwaffengeschwader 33 der deutschen Luftwaffe im Einsatz mit US-Atombomben geschult wird.
Laut einer Vorabmeldung zum TV-Bericht, der am heutigen Dienstag um 21 Uhr ausgestrahlt wird, sollen in Büchel im Zuge der Erneuerung des Atombombenarsenals rund 20 taktische Nuklearwaffen des Typs B 61-12 gelagert werden. Diese seien wesentlich zielgenauer als die Atombomben, die bislang in Büchel lagern, schreibt Frontal 21.
Taktische Atomwaffen sind dazu geeignet, in einer laufenden militärischen Auseinandersetzung bestimmte Ziele der Gegenseite auszuschalten. Strategische Atombomben sind hingegen dafür gedacht, ganze Landstriche auszuradieren. Der Unterschied ist angesichts der Sprengkraft der modernen Waffen jedoch relativ. Nach dem ZDF-Magazin hätten die neuen Waffen in Büchel eine Sprengkraft von 80 Hiroshima-Bomben.
Die Bundeswehr wird nach Angaben des SPD-Militärpolitikers in den kommenden Jahren rund 120 Millionen Euro dafür aufwenden, den Fliegerhorst in Büchel zu erneuern. Unter anderem soll die Landebahn mit einem neuen Anflugsystem ausgestattet werden. Parallel zu der Modernisierung in Büchel sollen Nato-Basen in der Türkei (Incirlik) und Italien (Aviano) von den USA neu bestückt werden.
In Russland verfolgt man die Entwicklung mit Sorge. Moskaus Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte gegenüber Frontal 21: "Uns beunruhigt, dass Staaten, die eigentlich keine Atomwaffen besitzen, den Einsatz dieser Waffen üben, und zwar im Rahmen der Nato-Praxis der Nuklearen Teilhabe." Dies sei eine Verletzung der ersten beiden Artikel des Vertrags über die Nichtverbreitung von Atomwaffen.
Tatsächlich bringt die Nato-Bündnispflicht die Bundesregierung in Erklärungsnot. Der Bundestag hatte die Regierung schon Anfang 2010 aufgefordert, die US-Atomwaffen aus Büchel entfernen (Sind Atombomben in Deutschland illegal?) zu lassen, ein ähnlicher Passus fand sich im schwarz-gelben Koalitionsvertrag 2009. In der Bundespressekonferenz kamen Sprecher der Bundesregierung auf Nachfrage des Journalisten Thilo Jung unlängst sichtlich in Bedrängnis. Zunächst trug der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, eine Erklärung zur Aufstockung des russischen strategischen Raketenarsenals vor. Diese sei "unnötig und sicherlich kein Beitrag zur Stabilität und Entspannung in Europa. Die Welt hat sich seit 1989 stark verändert. Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg", so Schäfer.
Auf die Frage, ob er die Modernisierung der US-Atomwaffen auch so beurteile, rang Schäfer zunächst nach Worten und sagte dann: "Es ist, so glauben wir, ein nicht wirklich politischer Vorgang, sondern ein technischer Vorgang." Auf der Seite des Fliegerhorstes Büchel wird die Ausbildung deutscher Piloten für Atomangriffe übrigens als "fortwährender Beitrag für den Frieden Europas" bezeichnet.