9/11 made us stupid

Späte Erkenntnisse von ehemaligen Kriegsbefürwortern

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Die berühmte Vision von den Blumen und Süßigkeiten verteilenden befreiten Irakern stammte von ihm. Es war Kanan Makiya, der dem US-Präsidenten Bush zwei Monate vor der Invasion prophezeite, dass die Iraker amerikanische Soldaten mit "sweets and flowers" begrüßen würden. In diesen Monaten im Frühjahr und Sommer 2003 war Makiya beinahe fast so berühmt wie sein politischer Freund Ahmad Chalabi. Beide Exiliraker repräsentierten die Hoffnung auf einen besseren, demokratischen Irak durch die amerikanische Invasion. Während Chalabi, Liebling der Neokonservativen, vor allem die politischen Kreise ansprach, fand Makiya Gehör bei vielen Intellektuellen, auch in Deutschland und auch unter Linken. In einem Gespräch mit der New York Times räumt er jetzt große Fehler ein. Mit der Revision eigener Träume und Illusionen, die sich so glänzend in die Politik der Regierung Bush fügten, steht Makiya nicht allein. Auch der - nicht nur in den USA – prominente Buchautor Thomas Friedman räumt nun ein, dass die Reaktion auf die Terroranschläge am 11.09.01 den USA vor allem geschadet habe.

Zwingend natürlich, dass auch Makiya sich mit der unausweichlichen Frage, die in keiner Forumsdiskussuion zum Irak fehlt, auseinandersetzen muss: Ob es denn jetzt besser ist als zu Zeiten Saddam Husseins? "It's getting closer to Saddam", soll er laut NYT-Reporter Dexter Filkins in einer Diskussion geantwortet haben. Und die Antwort kommt nicht von irgendjemand.

Makiya ist bekannt geworden mit dem 1989 erschienen Buch "Republic of Fear", das als das Referenzbuch über Methoden und Praxis der grausamen despotischen Herrschaft Saddam Husseins im Irak galt. Dass er die Entfernung Saddam Husseins von seinem Herrscherposten als seine Lebensaufgabe begriff, ist vor diesem Hintergrund verständlich. Nachvollziehbar auch, dass seine Verfassungsentwürfe und andere Pläne für einen neuen Irak nach Saddam Hussein auch bei Linken für Aufmerksamkeit sorgten. Seine Ideen, die er mit Chalabi teilte, die sich für den Übergang des Irak zur Demokratie, Anleihen aus Südafrika ("Wahrheitskommissionen") nahmen und auf Säkularisierung und Minderheitenrechte pochten (vgl. Wer kommt nach Saddam?), gefielen zum Beispiel auch Buchautoren des linken Konkret-Verlags.

Der Irak, da war sich Makiya, wie er einräumt, ganz sicher, sollte sich nach Jahrzehnten der Diktatur zum Guten entwickeln wie Süd-Afrika und das frühere Ostdeutschland. Stattdessen habe, so Makiya jetzt, die "Katastrophe im Irak vollständig jeden Gedanken an eine Wende zu demokratischen Verhältnissen im Nahen Osten untergraben". Was also lief seiner Ansicht nach falsch?

Eine Anekdote erzählt vom ersten Fehler: Kurz vor Kriegbeginn soll der Präsident, wie Makiya als Augenzeuge berichtet, Condoleezza Rice bei einem gemeinsamen Treffen im Oval Office danach gefragt haben, ob die Vorbereitungen für den Wiederaufbau des Irak gut fortgeschritten seien. Rice habe daraufhin zu Boden gesehen. Sie konnte, so Makiya, dem Präsidenten nicht in die Augen zu schauen, als sie mit "Yes, Mr. President" antwortete. Das hätte ihm zu denken geben müssen, meint er heute.

Der größte Fehler der Amerikaner sei es gewesen, den Irak zu besetzten und die Iraker nicht selbst regieren zu lassen. Den Weg zum Chaos aber bereiteten seiner Meinung nach die Schiiten, die es versäumten, den verunsicherten Sunniten, die ihrer privelegierten Stellung enthoben waren, entgegenzukommen:

Once Hussein fell, the stability of Iraq depended, above all, on the willingness of the newly empowered Shiite majority to assuage the inevitable insecurities of the dispossessed Sunni minority. And on this, Makiya says, Shiite politicians failed utterly. The Shiites should have held their fire in the face of the car bombs and at all costs refrained from anything that hinted at sectarian politics. But the Shiite leaders did precisely the opposite, acting from the start in a blatantly sectarian fashion and then arming the Shiite death squads that turned the one-way insurgency into a two-way civil war.

Weniger kritisch ist seine Analyse der Schuld der Exilpolitiker am Desaster. Zum einen überhöht er ihre Wichtigkeit und ihren Einfluss. So glaubt er beispielsweise noch immer daran, dass Ahmad Chalabi die sich verschärfenden und erweiternden Unstimmigkeiten und Gräben zwischen Sunniten und Schiiten überbrücken hätte können. Als ob diese Dynamik von einzelnen Personen aufzuhalten gewesen wäre, zumal sie nicht mit den Machtinteressen der Amerikaner kollidierte.

Zum anderen will Makiya nicht den Fehler erkennen, den die Amerikaner damit begingen, dass sie so stark auf Exilpolitiker setzten. Für die Iraker waren es Puppen, welche die Besatzer in ihr Land brachten, Personen, die das Land und die Verhältnisse nicht kannten: Ihre Informationen über das Land waren oft fehlerhaft. Für die Amerikaner hatten sie wenig Nutzen, da sie zwar an Macht und Geld interessiert waren, wie verschiedene Bestechungsskandale zu Zeiten ihres größten Förderers, Vizekönig Bremer, zeigen, aber: Sie verfügten über keinerlei faktische Macht und Einfluss außerhalb der grünen Zone – vielleicht eine bedenkenswerte Lektion, angesichts dessen, wie viele Exiliraner derzeit in Washingtoner Vorzimmern agitieren.

Für einen anderen Exilanten aus dem Irak, Ali Allawi, der zeitweise in der irakischen Regierung den Posten als Verteidigungsminister bekleidete und einen anspruchsvollen, von der Fachwelt gerühmten Friedensplan ausarbeitete (vgl. "Mit jedem, nur nicht mit Al-Qaida") , ist dagegen klar: Die Mächtigen in Washington (namentlich nennt er Wolfowitz und Cheney) hatten ihre eigene Agenda; sie mögen den Exil-Irakern in dem gefolgt sein, was sich mit ihren eigenen Interessen deckte, aber ihre Pläne waren größer - zu groß, um sich von Chalabi et al. manipulieren zu lassen.

Die Pläne waren vielleicht auch zu groß dafür, um die nationalen Interessen Iraks im Auge zu behalten.

Bemerkenswert ist, dass der große Überbau der Bush-Regierung, mit dem Krieg, Folter und andere Menschenrechstverletzungen legitimiert wurden und noch immer werden: der Globale Krieg gegen den Terrorismus nun auch einen Kolumnisten auf den Plan bringt, der ganz sicher kein Antiamerikaner ist, Thomas Friedman. Ende September 2007 offenbarte der Globalisierungs-Euphoriker den aktuellen Stand seiner Gedanken zur Hinterlassenschaft der Bush-Jahre:

9/11 Is Over...What does that mean? This: 9/11 has made us stupid. I honor, and weep for, all those murdered on that day. But our reaction to 9/11 - mine included - has knocked America completely out of balance, and it is time to get things right again.

Before 9/11, the world thought America's slogan was: "Where anything is possible for anybody." But that is not our global brand anymore. Our government has been exporting fear, not hope: "Give me your tired, your poor and your fingerprints."

Wenn man sich vor Augen hält, wer derzeit die engsten regionalen Verbündeten der USA, die "muslimische Achse der Guten", im Kampf gegen den Terror sind, nämlich Saudi-Arabien, Ägypten und Pakistan, dann kann es nur schlecht um die internationale Glaubwürdigkeit dieser Regierung stehen. Zumal man weiß, wie diese Regime den Anti-Terrorkampf innenpolitisch zu nutzen wissen.