ADHS und Verwechslungsgefahr: Was bei der Diagnose ausgeschlossen werden sollte

Symbolbild: Gestresste Schülerin

Es gibt viele Gründe, warum Kinder und Jugendliche mit normalem oder hohem IQ schlecht in der Schule sein können. ADHS ist nur einer. Symbolbild: Gerd Altmann / Pixabay Licence

Bei Schulproblemen wird schnell an ADHS gedacht. Wie häufig die Störung tatsächlich ist und womit sie verwechselt werden kann.

Bei Kindern und Jugendlichen mit Schulproblemen kommt heute schnell der Verdacht auf eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) auf. Dieser Verdacht ist aber noch keine Diagnose. Empfohlen wird eine gründliche Abklärung in einer spezialisierten Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie – denn ADHS kann mit vielem verwechselt werden.

Womit ADHS verwechselt werden kann

Neben Traumata und psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen und Entwicklungsstörungen kommt sogar eine unerkannte Hochbegabung in Betracht – manche Lehrkräfte werden hier aber genervt mit den Augen rollen, weil sie schon mehrfach Eltern erlebt haben, die überzeugt waren, ein unerkanntes Genie großzuziehen.

Tatsächlich kommt es vor, dass hochbegabte Kinder aufgrund von Langeweile und Frustration schlecht in der Schule sind – zunächst unterfordert, schalten sie irgendwann ab. Von Hochbegabung wird aber nur gesprochen, wenn in gängigen IQ-Tests ein Intelligenzquotient von mindestens 130 gemessen wird. Nur etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung erreichen diesen Wert.

ADHS etwa doppelt so häufig wie Hochbegabung

Von ADHS sind dagegen fünf bis sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren in Deutschland betroffen – bei Jungen wird die Störung bis zu viermal häufiger diagnostiziert als bei Mädchen.

Meistens ist weder eine Hochbegabung noch eine Intelligenzminderung für die typischen Symptome und Schulprobleme verantwortlich. Ein IQ-Test gehört jedoch in der Regel zur Diagnostik von ADHS, um diese Ursachen auszuschließen – ebenso wie Aufmerksamkeitstests und neurologische Untersuchungen.

ADHS und der Schlaftyp Eule: Schulprobleme im Gepäck

Es kann aber auch am Schlaf-Wach-Rhythmus liegen, wenn ein ADHS-Verdacht aufkommt. Der benachteiligte Schlaftyp ist populärwissenschaftlich nach einem Nachtvogel benannt: Kinder und Jugendliche vom Schlaftyp "Eule" erreichen den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit später am Tag als sogenannte "Lerchen", die an den frühen Unterrichtsbeginn um 8 Uhr und das Aufstehen zwischen 6 und 7 Uhr optimal angepasst sind.

Bei "Eulen" rebelliert der Biorhythmus dagegen – ihre "innere Uhr" tickt anders. Viele von ihnen haben einen niedrigen Blutdruck; ihr Kreislauf kommt später erst richtig in Gang; sie fühlen sich morgens müde und abgeschlagen und haben vor dem Gang zur Schule oft auch nicht gefrühstückt, weil dafür keine Zeit mehr war, nachdem sie sich aus dem Bett quälen und anziehen konnten.

Manche von ihnen kassieren deshalb oft schlechtere mündliche Noten, wenn Gelerntes schon in der ersten Unterrichtsstunde abgefragt wird.

Lehrkräfte, die sich nicht mit Schlafmedizin auskennen, können dann die Unaufmerksamkeit der "Eulen" leicht als klassisches Symptom von ADHS interpretieren – vor allem, wenn diese Kinder und Jugendlichen irgendwann selbst überzeugt sind, "es nicht zu bringen", wenn sie deshalb resignieren, sich kaum noch auf den Unterricht vorbereiten und auch in späteren Stunden oft "abschalten".

Schlafmangel kann ADHS-Symptome verschlimmern

Trotz des Schlafdefizits, das sie am Morgen spüren, gelingt es "Eulen" oft nicht problemlos, abends einzuschlafen – zumindest fällt ihnen die Umstellung des Schlaf-Wach-Rhythmus nach dem Wochenende schwer.

Allerdings gibt es neben reinen "Eulen" und reinen "Lerchen" Mischtypen, die nach Studienlage mit rund 60 Prozent insgesamt die Mehrheit bilden. Wer zu welchem Schlaf-Wach-Rhythmus neigt, gilt zu großen Teilen als genetisch bedingt.

Es wird zwar von einer großen Überscheidung zwischen ADHS-Betroffenen und reinen "Eulen" ausgegangen, ADHS ist aber eine Reizfilterschwäche, die laut Fachleuten durch eine Störung der Neurotransmitter-Chemie entsteht. Sie führt zur leichteren Ablenkbarkeit und ist nicht zwangsläufig mit dem Schlaftyp verbunden.

Laut einer kanadischen Studie von 2011 verschlimmert der Schlafmangel, an dem "Eulen" durch den frühen Schulbeginn leiden, allerdings die Symptome derjenigen, die zugleich von ADHS betroffen sind.

Schlafmediziner rät zu späterem Unterrichtsbeginn

Gegen den Rat eines Nürnberger Schlafmediziners, den Unterrichtsbeginn an deutschen Schulen auf 9 Uhr zu verlegen, damit Kinder und Jugendliche ihr Potenzial besser ausschöpfen können, gibt es bisher große Vorbehalte.

Bei einer Umfrage des Kinderkanals Kika im Jahr 2019 hatten sich die befragten Erst- bis Sechstklässler im Durchschnitt für einen späteren Schulbeginn um 8.40 Uhr ausgesprochen.