AKKs Schnapsidee einer internationalen Sicherheitszone in Nordsyrien
Heute endet die Feuerpause und entscheiden Putin und Erdogan über die Zukunft von Rojava und die türkischen Umsiedlungspläne, AKK hat nichts Konkretes zu bieten
Die Verteidigungsministerin und angeschlagene CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat zumindest für Überraschung mit einem Vorschlag gesorgt, eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien einzurichten. Das habe sie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt und den westlichen Verbündeten vorgeschlagen. Europa könne nach dem US-Abzug nicht tatenlos zuschauen. Es gebe eine humanitäre Katastrophe, Hunderttausende würden aus dem Kriegsgebiet fliehen: "Der Kampf gegen den IS ist zum Erliegen gekommen. Das betrifft unsere Sicherheitsinteressen." Ähnliche vage Ideen wurden auch von Roderich Kiesewetter und Norbert Röttgen geäußert..
Es sei wichtig, von Europa aus "politische Vorschläge" zu machen, "wie wir diese Region auf Dauer stabilisieren können". Das soll eine Sicherheitszone sein: "international kontrolliert, aber unter Einschluss der Türkei und von Russland", sagte AKK am Tag, bevor die zwischen der Türkei und der USA ausgehandelte Feuerpause endet und sich Wladimir Putin mit Erdogan in Sotchi trifft. Das Ziel der überraschend gestern vorgeschlagenen, aber nicht mit den europäischen Partnern beschlossenen Initiative dürfte weder Putin noch Erdogan gefallen.
Und fraglich ist auch, ob sich Partner in der EU finden werden, die eine solche Zone mit militärischen Mitteln, also auch mit Truppen, einrichten wollen, zumal AKK sich hier sehr bedeckt hält, was die deutsche Regierung investieren will - und kann. Sie macht keine Vorschläge, sondern verweist auf den Bundestag. Sybillinisch sagte sie, die Bundeswehr werde "das zur Verfügung stellen, was die Politik von ihr verlangt". Es fallen Ausbildung des Militärs und Luftüberwachung wie im Irak, aber welches Militär soll ausgebildet werden: die SDF, syrische Truppen, die dschihadistischen Milizen unter türkischem Kommando?
AKK setzt auf das Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag in Brüssel, um Einzelheiten "auszuloten" oder eher erst einmal die Stimmung zu testen. Schon das wird aber zu spät sein, denn die Würfel über das weitere Vorgehen in Nordsyrien dürften zwischen Erdogan und Putin heute ausgehandelt werden. Nach dem Rückzug der US-Truppen - und auch den französischen und britischen Truppen im Gefolge - haben USA, Nato und EU kaum etwas mitzureden, zudem steht die Drohung Erdogans weiter im Raum, bei jeder ernsthaften Kritik "3,6 Millionen syrische Flüchtlinge" Richtung Europa, also Richtung Griechenland, zu schicken.
Der Vorschlag scheint so spontan wie unausgegoren zu sein. Da ist einmal die Rede von der Sicherheitszone, die aber ohne Zustimmung von Damaskus nur völkerrechtswidrig eingerichtet werden könnte. Gleichzeitig soll der IS weiter bekämpft werden, wie man das im Irak auch mache, und soll die Region so stabilisieren, dass wieder aufgebaut werden kann. Sie machte nicht einmal einen Vorschlag, wie die vorgeschlagene Sicherheitszone aussehen, wo sie sein und wie groß sie sein soll.
Ungelöst ist auch zwischen der Türkei und den USA die Größe. Die USA (und die SDF) sehen das Gebiet zwischen Ras al-Ayn und Tal Abyad als Sicherheitszone, die Türkei will das gesamte Grenzgebiet. Die Sicherheitszone soll nach AKK so sein, dass Menschen wieder zurückkehren können: "freiwillig, nicht im Sinne eines Umsiedlungsprogramms". Die meisten Flüchtlinge in der Türkei kommen aber nicht aus den von den Kurden bewohnten Gebieten, die jetzt dort Geflohenen fliehen in den Süden.
Unklar bleibt auch, ob AKK an eine neue UN-Sicherheitsresolution denkt. Auffällig ist vor allem, dass die Türkei nur nebenbei eine Rolle zu spielen scheint, dabei ist klar, dass eine wie auch immer internationale Sicherheitszone dem Bestreben Ankaras widerspricht, einen türkisch kontrollierten Bereich an den gesamten Grenze zu Syrien einzurichten, um einen "Terrorkorridor" zu verhindern.
Unklar ist auch, ob Syrien oder nur Rojava stabilisiert werden soll. Nachdem syrische und russische Truppen in Absprache mit den Kurden bereits vorgerückt sind, müsste Deutschland nicht nur mit Russland, sondern auch mit Damaskus verhandeln. Wie soll das gehen? Zumal sich gerade ein möglicher neuer Konflikt zwischen den USA und Russland/Syrien auftut, nachdem Donald Trump und Verteidigungsminister Esper betonen, man habe das syrische Öl in den von Kurden kontrollierten Gebieten um Deir-Ez-Zor "gesichert". Offenbar sollen auch dort Truppen weiter vorhanden sein. Wie die Kurden den Konflikt zwischen Damaskus und Washington lösen wollen, ist schleierhaft.
Der Vorstoß von AKK scheint eher von einer verzweifelten Aktion zu zeugen, Handlungsbereitschaft zu demonstrieren, die aber wenig oder gar nicht durchdacht ist. AKK dürfte sich damit mehr schaden, als dass sie an Profil gewinnt. Für den Vorschlag spricht, dass die syrischen Kurden internationale Friedenstruppen unter der Bedingung akzeptieren würden, dass die Türken sich zurückziehen. Das werden diese aber nicht machen, wenn Ankara nicht wirtschaftliche Daumenschrauben angelegt werden - und Moskau und Damaskus werden hier viel mitzusprechen haben.
Folgen wird aus AKKs Vorschlag vermutlich nichts. Es ist propagandistische Schaumschlägerei, ohne Bezug zur komplexen Wirklichkeit. Man könnte auch sagen, Politik im Trump-Stil, aus dem Bauch heraus.
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