AKW-Abschaltung ohne garantierte Milliardengewinne?
- AKW-Abschaltung ohne garantierte Milliardengewinne?
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Spanien: Strompreise auf Allzeithoch; Stromerzeuger drohen mit Stilllegungen der AKW, wenn die Regierung ihre Riesengewinne antastet
Ist die Drohung der spanischen Atomkraftlobby, die Atomkraftwerke abzuschalten, wenn die Regierung wie angekündigt die Milliardengewinne beschneidet, eine Erpressung? Begründet wird dies mit den stark steigenden Strompreisen, die auf die Stromerzeuger "vom Himmel fallen". Oder ist dies das definitive Eingeständnis, dass die gefährlichen Anlagen längst unrentabel sind und ohne Subventionierung nicht einmal mehr rentabel betrieben werden können, obwohl der Steuerzahler sogar die enormen Entsorgungs- und Rückbaukosten der Dinosaurier-Technologie übernehmen soll?
Jeder darf sich darüber selbst ein Urteil angesichts der Drohung bilden, die die Atomlobby in Spanien gerade gegenüber der spanischen Regierung ausgesprochen hat. Denn die sozialdemokratische Regierung unter Pedro Sánchez will nun - allerdings nur bis März befristet - einen Teil der exorbitanten Gewinne der großen Stromerzeuger abziehen, um die derzeit explodierenden Strompreise für die Verbraucher zu senken. Das ist dem großen öffentlichen Druck und den Protesten darüber geschuldet, dass die Stromrechnungen der Verbraucher immer höher werden.
An dieser Stelle wurde mehrfach auf die Milliardengewinne hingewiesen, die aufgrund des bizarren Tarifsystems in Spanien für die Stromerzeuger quasi "vom Himmel fallen" - man nennt diese Gewinne "Windfall Profits".
Jetzt argumentiert die Atomlobby damit, dass eine Begrenzung der enormen und weiter wachsenden Zusatzgewinne, die Sánchez plötzlich als "nicht akzeptabel" bezeichnet, "zur wirtschaftlichen und finanziellen Unrentabilität" der Atomanlagen führen würden.
Dabei hatte mit Iberdrola einer der großen spanischen Stromerzeuger schon vor gut fünf Jahren eingeräumt, dass Atomkraft unrentabel sei. Iberdrola-Chef Ignacio Sánchez Galán hatte erklärt: "Atomkraftwerke sind wirtschaftlich nicht tragbar."
Deshalb drohen Iberdrola und die Atomlobby der Regierung mit der "vorzeitigen Einstellung der Aktivität", wenn die Regierung wie geplant 2,6 Milliarden Euro der vom Himmel fallenden Zusatzgewinne umleiten werde, wie es der Regierungschef angekündigt hat, um die Strompreise bis zum Jahresende um 22 Prozent zu senken.
Der Präsident des "Foro Nuclear" (Atomforum), Ignacio Araluce, baut deshalb die Drohkulisse einer "ungeordneten Abschaltung" auf und droht damit zwischen den Zeilen mit einem möglichen Blackout. Der wäre tatsächlich möglich, wenn schnell etwa 20 Prozent der Stromproduktion mit der Atomkraft wegfallen würden. Natürlich zieht Ignacio Araluce auch die Karte mit dem "Verlust von Arbeitsplätzen und Industriestrukturen" und einer angeblichen "größeren Energieabhängigkeit". Zudem spricht er von einer "erhöhten Preisvolatilität auf dem Großhandelsmarkt".
Kuriose Argumentation
Die gesamte Argumentation ist - gelinde ausgedrückt - kurios. Eigentlich räumen die Energieriesen damit ein, seit vielen Jahren eine verfehlte Politik betrieben zu haben, da auf teure Formen der Energieerzeugung gesetzt wurde. Dass man heute und in der Zukunft weiter exorbitante Sondergewinne einfahren will, wird damit begründet, dass die Atomlobby davon ausgeht, dass die Strompreise bald wieder stark fallen würden.
Spätestens ab 2024 würden "erneuerbare Energien mit marginalen Kosten" verstärkt ans Netz gehen. Dann würden die Großmarktpreise unter die Marke von 50 Euro pro MWh fallen. Bei diesem Preis seien die Atomkraftwerke wegen der nötigen Investitionen von drei Milliarden Euro und des starken Steuerdrucks unrentabel.
Damit ist eigentlich alles über eine angeblich billige Atomkraft und über angeblich teure erneuerbare Energiequellen gesagt. Allerdings sei hier auch angeführt, dass dieses Szenario angesichts der geplanten großen Elektrifizierung des Verkehrs und des damit einhergehenden steigenden Strombedarfs unwahrscheinlich ist.
Wie kommt es zu den Milliardengewinnen, die "vom Himmel" fallen?
Wie kommt es zu den Milliardengewinnen, den "Windfall Profits", die seit vielen Jahren auf die Energieriesen niederrieseln? Schon vor fast zehn Jahren hatte Telepolis darüber berichtet, dass damals selbst der konservative deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger darauf gedrängt hatte, das für die Verbraucher absurde, für die großen Stromgiganten aber außerordentlich profitable Tarifsystem, zu reformieren, das zur Bestimmung des Strompreises in Spanien verwendet wird (Es ist billiger, in erneuerbare Energien zu investieren).
Auch Oettinger hatte erkannt, dass längst abgeschriebene Anlagen "wie Atom- und Wasserkraftwerke" über dieses System eine "exzessive Vergütung" erhalten, für die wiederum die Verbraucher zur Kasse gebeten werden.
Das absurde Tarifsystem sorgt dafür, dass sich der Tagespreis für Strom bei den täglichen Versteigerungen nach der zuletzt versteigerten und damit teuersten Erzeugungsart richtet. Alle Arten der Stromerzeugung erhalten dann diesen höchsten Tarif, statt mit dem Preis entschädigt zu werden, zu dem ihre Angebote real versteigert wurden.
Derzeit treibt Gas den Preis hoch, weil auf der einen Seite die Einkaufspreise hoch sind und dazu die hohen, weiter steigenden Kosten für CO2-Zertifikate kommen. Allerdings dürfe in dem Spiel auch eine intensive Spekulation eine Rolle spielen, da der Großhandelspreis derzeit in Spanien etwa doppelt so hoch ist wie zum Beispiel in Deutschland.
Energieriesen machen sich die hohen Preise zum Teil auch so zunutze, dass sie in sehr trockenen spanischen Gebieten ganze Stauseen haben praktisch leerlaufen lassen. Der darüber billig erzeugte Strom wurde angesichts hoher Großhandelspreise mit hohen Gewinnen verkauft, um kräftig abzusahnen, wie Kritiker meinen. Das Ergebnis könnte sein, dass ganze Regionen bald ohne Wasser dastehen, wenn es nicht bald wieder regnet.
Schlagzeilen machte zum Beispiel der Stausee Valdecañas in der sehr trockenen Extremadura. Ermittlungen wurden auch im Fall von Ricobayo in Zamora gegen Iberdrola eingeleitet. Die spanische Energieministerin Teresa Ribera nennt diese Vorgänge "skandalös".
Die Großhandelspreise
Dabei hätten die Energieriesen ihre Gewinne sogar noch steigern können, wie die Entwicklung der Großhandelspreise nun zeigt. Sie hätten nur länger warten müssen. Am Mittwoch wurde bei den Versteigerungen der Großhandelspreis für Donnerstag mit einem neuen Allzeitrekord von 188 Euro pro Megawattstunde (MWh) festgelegt. Das ist eine Steigerung gegenüber dem Vortag um weitere neun Prozent.
Schon am Dienstag war für Mittwoch ein neuer Rekord mit fast 173 Euro aufgestellt worden. In nur 24 Stunden war der Preis um 13 Prozent und gut 19 Euro gestiegen. Dabei sind die Sommer-Hitzewellen, in der Klimaanlagen auf Hochtouren liefen, inzwischen vorbei. Mit der dadurch gestiegenen Nachfrage wurden steigende Großhandelspreise lange Zeit begründet. Mit einer extremen Nachfrage haben die hohen Preise aber kaum zu tun, denn insgesamt ist der Strombedarf noch immer niedriger als vor der Finanzkrise ab 2008.
Fakt ist jedoch, dass sich seit dem Frühjahr dieses Jahres der Großhandelspreis fast vervierfacht hat. Dem fehlenden Ausbau von erneuerbaren Energien, der diese Entwicklung auch eingrenzen könnte, kommt dabei eine besondere Rolle zu. Wie es aussehen könnte, wenn Spanien und seine Energieriesen massiv auf die saubere Stromerzeugung gesetzt hätten, hat die Zeitung El País gerade aufgezeigt.
Sie berichtete, dass mitten im Winter am 31. Januar der reale Großhandelspreis pro MWh mit 0,89 Cent sogar unter einem Euro lag. Denn an diesem Tag konnte der Strombedarf zu fast 50 Prozent allein über Windkraft gedeckt werden.