Abkommen in Doha, Wahlchaos in Kabul

Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen den USA und den Taliban. Bild: US-Außenministerium/gemeinfrei

Afghanistan: Die Vereinbarung zwischen den USA und den Taliban. Ein erster Schritt in Richtung Frieden?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Einige Menschen sind mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Ich verstehe das, doch viele von ihnen suchen nur nach ihren persönlichen Vorteilen. Die afghanische Regierung muss uns als Volk gemeinsam repräsentieren - vor allem jetzt! Ansonsten wird der Feind von der Krise profitieren", meint Mohammad Hanif, ein Arzt aus Kabul. Er ist besorgt über die gegenwärtige Krise in der afghanischen Hauptstadt.

Nachdem vor zwei Wochen - und nach fünf Monaten Wartezeit - die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen verkündet wurden, wurde Präsident Ashraf Ghani abermals zum Sieger ernannt. Währenddessen protestierte sein Hauptkontrahent und bis dato Regierungschef, Abdullah Abdullah, gegen die "Wahlfälschung" und gab bekannt, eine eigene Regierung gründen zu wollen. Mittlerweile hat Abdullah bereits mehrere Offizielle, darunter auch Gouverneure für zwei Provinzen im Norden des Landes, ernannt.

Unpassender hätte der Zeitpunkt nicht sein können, denn der "Feind" von dem Hanif spricht, hat womöglich schon profitiert. Es stand nämlich fest, dass Washington demnächst ein Abkommen mit den afghanischen Taliban unterzeichnen wird. Dazu ist es am Samstag gekommen. Schauplatz der Unterzeichnung war Doha, Hauptstadt des Golfemirats Katar, wo in den letzten achtzehn Monaten die Verhandlungen zwischen US-Diplomaten und der dort ansässigen Taliban-Delegation stattfanden.

Begleitet wurde die Zeremonie unter anderem von US-Außenminister Mike Pompeo, dem US-Sondergesandten Zalmay Khalilzad und Mullah Abdul Ghani Baradar, dem Führer der Taliban-Delegation. Der Deal beinhaltet einen Abzug aller US-Truppen binnen vierzehn Monaten sowie die Freilassung von bis zu 5.000 Taliban-Häftlingen. Bereits in den ersten 135 Tagen nach der Unterzeichnung des Abkommens wird die Anzahl der US-Truppen auf 8.600 Soldaten reduziert.

Versicherungen der Taliban

Im Gegenzug müssen die Taliban Washington versichern, jegliche Operationen gegen die USA zu unterbinden und ihre Verbindungen zu al-Qaida endgültig zu begraben. Personen, die von den US-Behörden als "Sicherheitsbedrohung" wahrgenommen werden, darf seitens der Taliban kein Unterschlupf gewährt werden. Hinzu kommt die Beteiligung an einem sogenannten intra-afghanischen Dialog, der demnächst in die Wege geleitet werden soll.

Als Vorbedingung für die Unterzeichnung fand in den letzten sieben Tagen eine "Reduzierung der Gewalt" statt, die von allen Seiten weitgehend eingehalten wurde. Ein langfristiger Waffenstillstand gehört zu den Zielen des Abkommens. Wann dieser eingeleitet werden soll, ist unklar. Bis vor Kurzem fanden die meisten Kampfhandlungen zwischen afghanischen Soldaten und Taliban-Kämpfern statt.

Viele Afghanen betrachten das Abkommen als ersten Schritt in Richtung Frieden. Zahlreiche Fragen stehen allerdings weiterhin im Raum. Hinzu kommt die Sorge, dass die Taliban den Moment nutzen, um sich wieder endgültig an die Macht zu bringen. "Jegliche Bemühungen für den Frieden sollten begrüßt werden. Falls die Taliban allerdings wirklich nicht ein weiteres Mal nach euren Bärten greifen sollten, so soll es euch erlaubt sein, meinen Bart zu bespucken", kommentierte etwa Tabish Forugh, ein afghanischer Kommentator, das Geschehen.

Taliban profitieren von einer Regierungskrise

Kritisiert wird auch die Tatsache, dass die Kabuler Regierung von allen Gesprächen zwischen den Amerikanern und den Taliban ausgeschlossen wurde. Khalilzad, der selbst afghanische Wurzeln hat, hat in diesem Kontext immer wieder deutlich gemacht, dass die Regierung miteinbezogen wird, sobald der Deal unterzeichnet worden ist. Doch mit dem Ausschluss ging Washington auch auf die Forderung der Taliban ein, die Kabul als "Marionettenregime" betrachten.

Von der gegenwärtigen Regierungskrise, die noch lange nicht beendet zu sein scheint, werden in erster Linie die Taliban profitieren. "Ghani und Abdullah dürfen sich nicht bekämpfen, sondern müssen eine Lösung finden. Diese internen Probleme werfen ein schlechtes Bild auf alle Afghanen", sagt Muneer Ahmad Niazi, ein Universitätsdozent aus Kabul.

Während die USA in Doha den Deal mit den Taliban unterzeichneten, fand zeitgleich in der afghanischen Hauptstadt eine weitere Zeremonie statt, auf der eine "gemeinsame Erklärung" zwischen Washington und Kabul unterzeichnet wurde. Eine frühere Unterzeichnung des US-Taliban-Deals wurde Anfang September von US-Präsident Donald Trump via Twitter abgesagt. Wenige Wochen darauf wurden die Gespräche zwischen Washington und den Aufständischen fortgesetzt.