Abreisende Briten: "Schwerer Schlag für den tunesischen Tourismus"
Die britische Regierung kritisiert die Schutzmaßnahmen in Tunesien als ungenügend
Für die tunesische Tourismusindustrie wird es schwierig. Die britische Regierung hat ihre Bürger zur Abreise aufgefordert. Es wird damit gerechnet, dass bis zu 3.000 britische Touristen in den nächsten Tagen das Land verlassen.
"Wenn Sie sich in Tunesien aufhalten und keinen wichtigen Grund haben, dort zu bleiben, dann sollten sie das Land verlassen", ist seit gestern auf der Webseite des Außenministeriums zu lesen.
Begründet wird dies einmal damit, dass nach dem Anschlag in einer Hotelanlage der Küstenstadt Sousse, bei dem in der Mehrheit britische Touristen ums Leben kamen, weitere Anschläge befürchtet werden: "Further terrorist attacks are highly likely, including in tourist resorts."
Keine konkreten Informationen über bevorstehende Anschläge, aber ein Bedrohungsbild
Zwar erklärte der britische Außenminister Philip Hammond, dass man keine Informationen darüber habe, dass ein Anschlag geplant sei oder unmittelbar bevorstehe, aber das "Bild einer Bedrohung" habe sich "beträchtlich entwickelt", so dass man in der Regierung davon überzeugt sei, dass die Wahrscheinlichkeit weitere Anschläge hoch sei.
Zum anderen ist dem Schreiben eine Kritik an der tunesischen Regierung zu entnehmen. Obwohl der Rat zur Abreise in zurückhaltendem diplomatischem Ton gehalten ist, ist deutlich herauszulesen, dass man den Sicherheitsmaßnahmen der tunesischen Behörden nicht vertraut.
So wird zwar darauf hingewiesen, dass man eng mit den tunesischen Behörden zusammengearbeitet habe, aber dem wird hinzugefügt, dass man die bisher eingesetzten "Risikoabwehrmaßnahmen" für nicht ausreichend hält.
Der tunesische Ministerpräsident Habib Essid will nun mit Premier Cameron über die Empfehlung seines Außenministeriums reden, der Botschafter Tunesiens in London ist wütend: "Dem gesamten Tourismus wird großer Schaden zugefügt, eine Menge Leute verlieren ihren Arbeitsplatz und landen auf der Straße. Hotels müssen schließen und das ist ein wichtiger Sektor." Man spiele damit den Absichten der Terroristen in die Hände.
Erfolgsmeldungen und Lücken
Für kritische tunesische Webseiten ist der massenhafte Abzug der britischen Touristen eine Konsequenz daraus, dass die Erfolgsstorys, welche die Regierung seit dem Attentat im Museum Bardo zur Beruhigung lanciert (vgl. 1.000 festgenommene Terroristen), kein echtes Fundament haben.
Die Sicherheitssysteme haben große Mängel, so das Magazin Kapitalis, über die Erfolgsmeldungen, wie etwa heute die Nachricht von fünf getöteten Terroristen im Südwesten des Landes, in Gafsa, nicht hinwegtäuschen können.
Ohnehin ist der Schutz gegen gewaltbereite Unterstützer des IS, die sich spontan zu einer Bluttat entscheiden und dabei auf ihr eigenes Leben keine Rücksicht nehmen schwierig. In Tunesien gibt es tausende von Männern, die in den Dschihad nach Syrien gezogen sind, so spricht auch einige Wahrscheinlichkeit dafür, dass es auch im Land Radikale gibt, die zu solchen Anschlägen bereit sind. Es sei nicht schwierig in Tunesien an Waffen zu kommen, heißt es in Berichten.
"Mauerbau" und Versäumtes
Die gegenwärtige Regierung holt jetzt nach, was unter der Partei Ennahda versäumt wurde: eine bessere Kontrolle der Moscheen und eine genauere Beobachtung salafistischer Milieus. Dazu werden junge Männer von der Abreise in Krisengebiete abgehalten.
Dass man mit manchem zu spät dran ist und das Vorhaben sich konzeptionell auf andere Höhen schwingen, als es die Wirklichkeit einzulösen vermag, zeigt sich auch an der letzten spektakulären Nachricht über Schutzmaßnahmen: Tunesien wolle eine 150 Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Libyen bauen, wurde diese Woche berichtet.
Bis der geplante Zaun gebaut würde, werden noch Jahre vergehen, kommentierte dies der Journalist Wasim Nasr. Von einer Mauer könne nicht die Rede sein, es handle sich um einen Zaun, der bei einem nicht allzu tiefen Graben mit etwas Stacheldraht errichtet werden soll. Dies sei eine Maßnahme im Nachhinein, die nicht mehr viel ausrichten werde. Den Grenzverkehr von Radikalen zwischen Tunesien und Libyen hätte man besser schon früher unterbunden.