Abwarten und Bier trinken?
Erfolge beim Umweltschutz sollen besser messbar werden
Spätestens seit der Fußball-WM 2006 gibt es wieder mal nichts Einfacheres, als etwas für den Umweltschutz zu tun: man kauft einen Kasten Bier, und der Rest erledigt sich von selbst. Klingt wirklich einfach, vielleicht etwas zu einfach, so richtig widerlegen konnte man solche Versprechungen bislang aber nicht, obwohl die Methode bereits 2004 als veraltet galt. Das könnte sich bald ändern, denn amerikanische Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich die Erfolgsquote von Umweltschutzbestrebungen besser messen lässt.
Als Indikator dienen wie so oft Vögel. Erstens sind Vögel die am besten erforschte Klasse der Wirbeltiere überhaupt. Zweitens ist die Zahl der Vogelarten mit rund 10.000 einerseits überschaubar (anders als beispielsweise die Zahl der Insektenarten), andererseits aber auch groß genug, um statistisch relevante Daten zu liefern. Drittens gibt es zahlreiche Vogelschutzprogramme, die sehr genau Auskunft geben über Erfolg und Misserfolg der Anstrengungen. So veröffentlicht die Weltnaturschutzorganisation IUCN alljährlich Listen, aus denen unter anderem hervorgeht, welche Vogelarten besonders stark gefährdet sind (Der stumme Frühling droht).
Die Ornithologen Stuart Butchart, Alison Stattersfield und Nigel Collar haben die Angaben der Roten Liste kombiniert mit Daten über Bestandsgrößen, Zunahme bzw. Rückgang des Bestands, Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. Mit anderen Worten: sie haben die aktuelle Gefährdungslage abgeglichen mit der voraussichtlichen Entwicklung des Bestands und auf diese Weise abgeleitet, welchen Einfluss aktuelle Schutzmaßnahmen haben.
Im Rahmen ihrer Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science vorgestellt wird, konnten sie insgesamt 26 Arten identifizieren, die ohne entsprechende Maßnahmen inzwischen mit großer Wahrscheinlichkeit ausgestorben wären. Vier weitere Vogelarten haben sie als „ausgestorben in freier Wildbahn“ und eine als „vom Aussterben bedroht (in freier Wildbahn wahrscheinlich ausgestorben)“ klassifiziert.
Auch wenn also fünf Arten nur noch in Gefangenschaft brüten, stehen diese insgesamt 31 Arten nicht nur für den Erfolg entsprechender Schutzmaßnahmen, sondern liefern der Forschung erstmals Zahlenmaterial, das direkt auf Maßnahmen in Sachen Artenschutz und Biodiversität basiert. Normalerweise gibt es nämlich nur indirekte Hinweise, da man auf Daten wie ‚investierte Summe’ oder ‚Größe des geschützten Gebiets’ zurückgreifen muss.
Bloß nicht denselben Fehler machen wie Romeo
Diese neue Herangehensweise weckt große Hoffnungen, schließlich möchte kein Naturschützer "Romeos Fehler" begehen: der Unglückliche zog bekanntermaßen voreilige Schlüsse über Sein oder Nichtsein, was ihn und eine gewisse Julia das Leben kostete.
Um zu vermeiden, dass vom Aussterben bedrohte Arten vorzeitig aufgegeben und verfrüht für ausgestorben erklärt werden, sind Wissenschaftler deshalb sehr zurückhaltend in ihren Bewertungen. Denn für hoffnungslose Fälle gibt es keine Schutzmaßnahmen mehr.
Von denen profitieren aber nicht nur die akut gefährdeten Arten, sondern der gesamte Lebensraum mit allen darin lebenden Tieren und Pflanzen. Langfristig wird mit einzelnen Schutzprogrammen also einem weiteren Artensterben vorgebeugt. Außerdem ist es wiederholt vorgekommen, dass vermeintlich ausgestorbene Arten plötzlich wieder gesichtet wurden: der neuseeländische Magenta-Sturmvogel zum Beispiel galt fast hundert Jahre lang als ausgestorben, bevor er 1978 wieder entdeckt wurde.
Vereinfacht gesagt muss man manchmal also doch nur abwarten und Bier trinken oder Filmchen gucken – dann wird alles von alleine gut. Tatsächlich ist alles natürlich viel komplizierter. Und kein Wissenschaftler rechnet ernsthaft damit, dass sich das Artensterben insgesamt stoppen lässt. Es wäre jedoch schon viel gewonnen, wenn sich das Tempo drosseln ließe. Also lautet die Devise: möglichst viele Lebensräume nachhaltig schützen, auf dass sich wenigstens die vorhandenen Arten erholen. Außerdem gilt es, weiter fleißig Daten zu sammeln, um bessere Prognosen abgeben zu können mit denen man wiederum gezielter Maßnahmen ergreifen kann, die auch wirklich was bewirken.