Ägypten: IS-Attentate auf koptische Gottesdienste
Zwei Anschläge mit über 40 Toten zu Beginn der Osterwoche bringen al-Sisis Sicherheitsversprechen in Nöte
Anschläge auf Kopten, lokale Spannungen zwischen muslimischen Gruppen und den Christen, die die Hauptstadt erreichen und zu sehr emotionalen Debatten führen, gab es auch zu Zeiten des abgesetzten Autokraten Mubarak.
2008 schlugen die Wellen hoch. 2010 wurde als schlimmes, finsteres Jahr bezeichnet, an dem die Polarisierung einen neuen Höhepunkt erreichte. Die Kopten seien "Fremde im eigenen Land", lautete die Klage der Christen, die der britische Autor Jack Shenker im Dezember vor gut sechs Jahren übermittelte.
Re-Branding Ägyptens
Seit 2013 ist der nächste Autokrat an der Macht. Der ehemalige General al-Sisi kam mit einer umstrittenen Kampagne an die Macht, mit rigider Gewalt gegen die Muslimbrüder, mit Massaker und mit Massenverhaftungen. Seine Stellung und die Legitimität seiner Herrschaft hängt von seinem Versprechen ab, dass er mit seinem Vorgehen die Sicherheit des Landes garantiert.
Ägypten geht es wirtschaftlich sehr schlecht, al-Sisi braucht dringend ausländische Investoren. Auch die Tourismusbranche, die eine wichtige Einnahmequelle des Landes ist, braucht das Versprechen der Sicherheit. So war denn der Besuch von al-Sisi in Washington in der vergangenen Woche ein nächster Schritt im Re-Branding des Landes. Mit dem Signal, dass das neue Ägypten in sicheren Händen sei.
Verschwörungsgerüchte und der politische Wille des Staates
Als al-Sisi und die Armee die Revolution kaperten und die Regierungsgeschäfte übernahmen verbreitete sich das Gerücht, dass die Kopten an Bord mit der Armeeführung seien und sie Einverständnis mit dem brutalen Vorgehen gegen die Muslimbrüder zeigten.
Der Islamische Staat des "Verwaltungsbezirks" (Wilayah) Sinai hat am Palmsonntag mit zwei Anschlägen auf koptische Kirchen gezeigt, dass auch al-Sisis Sicherheitsversprechen nur eingeschränkt gilt und gegen IS-Selbstmordattentäter wehrlos ist.
Und er hat Spannungen weiter aufgeladen, die sich beim Anschlag auf die Peter- und Paul-Kirche im Dezember 2016 wieder neu Bahn brachen. Dazu gehören auf Seiten der Kopten Vorwürfe, dass sich der Staat nicht besonders bemüht, die etwa acht Millionen Christen in Ägypten zu schützen. Dass der politische Wille dazu zwar bekundet werde, aber in Wirklichheit nicht vorhanden sei, dass es Institutionen gebe, die nach wie vor für radikal-islamische Einflüsse offen sein sollen und eine Agenda verfolgen, die auf Feindschaft zu den Christen setzt.
Der IS macht sich in Ägypten die Spannungen zwischen Muslimen und Kopten auf eine ganz ähnliche Weise zunutze, wie er dies im Irak mit den Spannung zwischen Sunniten und Schitten tut. Wie immer gibt es hochrangige saudi-arabischer Kleriker in Amt und Würden, die dies mit der Hetze gegen "Ungläubige" moralisch unterstützen.
"Kampf gegen alle Ungläubige"
Die Sinai-Abteilung des IS bekannte sich bereits zu dem Anschlag auf die Peter- und Paul-Kirche Anfang Dezember 2016. Im Februar lancierten die Dschihadisten von der Halbinsel über ein Video mit dem Titel "Kampf gegen alle Ungläubige" eine Angst- und Schreckenskampagne gegen die Kopten mit der Botschaft, dass man mit Angriffen auf Christen in verschiedenen Teilen Ägyptens abzielen werde. Seither flohen Hundert von Kopten von der Halbinsel.
Weit über vierzig Tote und über 100 Verletzte ist die Bilanz der beiden Anschläge am Palmsonntag. Sie zielten auf Kirchenbesucher, die sich zum Auftakt der Osterwoche zu einem Gottesdienst versammelt hatten. Beide Kirchen, die St. Georg Kirche im nordägyptischen Tanta und die Markus Kirche, eine der ältesten Kirchen Alexandrias, haben einen hohen Stellenwert unter den Kopten. Dass der IS-Selbstmordattentäter versuchte, in die Markus-Kirche zu gelangen, wo der koptische Papst Tawadros II. eine Messe zelebrierte, spricht Bände.
Er wurde von Sicherheitskräften abgefangen, die dies mit ihrem Leben bezahlten. Der Attentäter sprengte sich bei der Kontrolle in die Luft und riss die umstehenden Sicherheitskräfte mit. Der IS brüstete sich über Amaq damit, für beide Anschläge am gestrigen Sonntag verantwortlich zu sein. Der Zeitpunkt für den Terror ist auf die Osterfeierlichkeiten ausgerichtet und auf den anstehenden Besuch des Papstes Franziskus am 28. und 29.April. Weltweite Aufmerskamkeit war garantiert.
Ausnahmezustand: "Ganz Ägypten angegriffen"
Der Anschlag in Alexandria hätte noch schlimmer ausfallen können, wenn der Selbstmordattentäter es geschafft hätte, in den Besucherraum der Kirche zu gelangen - und wenn weitere versteckte Sprengladungen hochgegangen wären. Auch in dem Ort im Nildelta, in Tanta, fanden Sicherheitskräfte Sprengkörper.
Präsident al-Sisi kündigte umgehend die Verhängung eines Ausnahmezustands für drei Monate an, wobei er bei seiner Ansprache im Staatsfernsehen Wert darauf legte, dass "ganz Ägypten" und nicht die Kopten im Besonderen angegriffen wurden.
Was der Ausnahmezustand, außer einer Verstärkung der Sicherheitskräfte, an weitergehenden Maßnahmen mit sich bringt - schon verfügen Polizei und Militärs über sehr weitreichende Befugnisse -, blieb zunächst offen. Später wurde ein Parlamentsabgeordneter damit zitiert, dass der Ausnahmezustand der Polizei ermögliche, "Verdächtige, die den Sicherheitsdiensten bekannt sind, bei denen aber die Verdachtsmomente nicht für eine Gerichtsverhandkung ausreichen" bis zu 45 Tagen festzuhalten.
Auch für die Medien gab es eine Vorgabe. "Die Medienberichterstattung muss sich verantwortlich verhalten. Es ist nicht zu akzeptieren, dass der Zwischenfall den ganzen Tag von Fernsehsendern gebracht wird", sagte der frühere General. Al-Sisi braucht ein gutes Bild von Ägypten und er braucht es gegenwärtig ganz besonders.
Beim Treffen mit Trump - der nach den Anschlägen noch einmal betonte, wie sehr man al-Sisi vertrauen kann - ging es darum, US-amerikanische Investoren davon zu überzeugen, dass es sich lohne, wieder mehr in Ägypten zu investieren. Auch China und Russland stehen auf der Agenda al-Sisis, um - nicht nur - das Tourismusgeschäft wieder anzukurbeln. Terror-Anschläge sind "Kassengift".