Ärger um den beleidigenden Vergleich des Chefs der Eurogruppe
Dijsselbloem zieht keine Konsequenzen, aber einen Rücktritt gibt es trotzdem
Die abwertenden Äußerungen des Vorsitzenden der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem haben in Griechenland nicht nur Wellen geschlagen, sondern auch zu einem Rücktritt samt drohenden Parteiausschluss geführt. Dijsselbloem hatte in einem Interview gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die südlichen Mitgliedstaaten der EU mit einem zweifelhaften Wortspiel erbost. In Bezug auf die Solidarität innerhalb der EU sagte Dijsselbloem, nicht ohne vorher auf seine politische Heimat, die Sozialdemokratie, hinzuweisen, dass jemand nicht "das ganze Geld für Frauen und Alkohol verprassen" und hinterher nach Hilfe rufen könne (Eurogruppenchef Dijsselbloem bleibt bei Schnaps-und-Frauen-Vorwurf gegen Südeuropäer).
Bekanntlich führten die Äußerungen Dijsselbloems zu einer kollektiven Verärgerung von Spaniern, Portugiesen, Italienern und Griechen. Von allen Betroffenen reagierten die Griechen von offizieller Seite aus zuletzt. Die Presse hatte das Thema noch am Dienstagabend aufgegriffen, in sozialen Netzwerken häuften sich die Kommentare, doch Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos versuchte noch am Mittwochmittag, den Ball flach zu halten. Die griechische Regierung wollte offensichtlich mitten in den Verhandlungen über die zweite Inspektion des dritten Rettungsprogramms keinen weiteren Konflikt schüren. Die öffentliche Meinung verlangte jedoch nach einer Stellungnahme. Zudem veröffentlichte die griechische Presse zahlreiche Stellungnahmen ausländischer Politiker, wie des Fraktionsvorsitzenden der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten Gianni Pitella, der seinen europäischen Parteifreund Dijsselbloem als untragbar für sein Amt einstufte.
Premierminister Alexis Tsipras nutzte schließlich den Besuch des deutschen Vizekanzlers und Außenministers Sigmar Gabriel um darauf hinzuweisen, dass Dijsselbloems Vergleich eine rassistische Äußerung aus offiziellem Munde sei.
Tsipras ehemalige Vize-Bildungsministerin Sia Anagnostopoulou betonte die sexistische Seite von Dijsselbloems Äußerungen. Der implizierte Vorwurf des Chefs der Eurogruppe ist schließlich nicht nur die Seite des Verprassens von Geldern, sondern auch die Einstufung der Frauen der Südstaaten Europas als geldgierige und nach Dijsselbloems Ansicht offenbar zu anderen Arbeiten unentschlossene Wesen. Anagnostopoulou konzentrierte sich darauf und rief "die Nutten" Südeuropas zu einer gemeinsamen Erklärung auf, welche anlässlich der Jubiläumsfeier der EU und dem Jahrestag der Römischen Verträge den EU-Verantwortlichen präsentiert werden sollte.
Die Tatsache, dass Anagnostopoulou, die den sexistischen Teil von Dijsselbloems Äußerungen zum Anlass zur Kritik nahm, SYRIZA angehört und somit einen politischen Gegner darstellt, war für den Vorsitzenden der Jugendorganisation der Nea Dimokratia in Thessaloniki (ONNED), Emmanuel Koulas, ein Grund zum verbalen Rundumschlag. Ganz im Geiste des Vorsitzenden der Eurogruppe urteilte er am Donnerstag in einem Facebook-Post, Anagnostopoulou würde ihn keineswegs an eine "Nutte", sondern eher an eine Puffmutter erinnern. Anders als Dijsselbloem trat Koulas noch am gleichen Tag von allen Parteiposten zurück. Die Nea Dimokratia hat ihrerseits ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet.