AfD: Keiner kann mehr sagen, von alldem nichts gewusst zu haben
Seite 2: Heldenhafter Vernichtungskrieg
Nur wenige Tage nach dem Skandal um Frontfrau Weidel wurden Äußerungen des AfD-Führers Alexander Gauland publik, der das Recht einforderte, stolz zu sein auf die "Leistungen" der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges. Der NS-Vernichtungskrieg, den die Wehrmacht in Osteuropa und der Sowjetunion führte, um die jüdischen und slawischen Untermenschen auszurotten und Lebensraum für die arische Herrenrasse zu schaffen, er solle nun laut Gauland ein positiver Bezugspunkt deutscher Identität werden.
Einerseits sollen die "zwölf Jahre" der Nazizeit "unsere Identität" nicht mehr betreffen, so Gauland, weshalb man sich nun "nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückholen" werde. Anderseits solle Deutschland nun Stolz sei auf die "Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen".
Allein der Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion hat mehr als 20 Millionen Sowjetbürgern das Leben gekostet. Länder wie Jugoslawien, Polen, Griechenland waren einem mörderischen, auf die Auslöschung ganzer Bevölkerungen ausgerichteten Besatzungsregime unterworfen, bei dem gerade Wehrmachteinheiten eine führende Rolle spielten. Mitunter, etwa bei den von der Wehrmacht begangenen Massenmorden in Jugoslawien, wurden für jeden getöteten Nazisoldaten 100 Zivilisten erschossen.
Gauland will somit den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg zum positiven Bezugspunkt deutscher Identität oder deutschen Nationalstolzes machen. Es handelt sich somit offensichtlich um eine nationalsozialistische Erinnerungspolitik, die gezielt auf den rechten Rand der CDU/CSU abzielt, wo ja immer noch die Legende von der "sauberen Wehrmacht" gepflegt wird.
Rechte Auschwitz-Fans
Doch wieso sollte der Nationalstolz bei der Wehrmacht haltmachen? Wieso sollte man nicht auch stolz sein auf Auschwitz, was ja - wie Eichmann bekanntlich bei seinem Prozess ausführte - eine ungeheure logistische Leistung darstellte?
Dieser Ansicht waren die AfD-Anhänger, die bei einer Demonstration ihrer Partei in Jena Naziparolen brüllten, mit denen gefordert wurde, Gegner mit einer "U-Bahn nach Auschwitz" abzutransportieren. Weder die in der Nähe der rechten Auschwitz-Fans befindlichen AfD-Ordner, noch die Polizeikräfte griffen ein. Inzwischen, nach einer Anzeige der evangelischen und jüdischen Gemeinde, wird gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Im Nachhinein hat sich auch ein AfD-Sprecher von den Parolen distanziert.
In Sachen Auschwitz, der industriell betriebenen Vernichtung von Menschen durch Nazideutschland, herrscht aber in der AfD noch Klärungsbedarf. Während man in Jena mutig auch dieses Tabu bricht und sich offensiv dazu bekennt, gar lautstark eine erneute Inbetriebnahme der Gaskammern verlangt, will man in Niedersachsen Auschwitz als eine Geschichtslüge entlarvt haben.
Das niedersächsische AfD-Vorstandsmitglied Wilhelm von Gottberg hat in einem Beitrag für das "Ostpreußenblatt" unter Verwendung von Zitaten italienischer Neofaschisten Auschwitz als einen "Mythos" bezeichnet, der als "Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte" fungiere. Der Holocaust sei ein Mythos, "ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt", so von Gottberg, der hierbei zustimmend den Faschisten Mario Consoli zitierte. Sollte die AfD tatsächlich in den Bundestag einziehen, wird der 77-jährige Holocaustleugner (der sich nach eigenen Angaben "entschuldigt" hat) das Recht haben, als Alterspräsident den Bundestag zu eröffnen.
Jedenfalls geht die AfD mit ihrem "tabubrechenden" neuen Geschichtsverständnis wirklich offensiv um. Die Gedenkstätte des KZs Bergen Belsen meldete auf ihrer Facebook-Seite, dass die AfD an der Zufahrtsstraße zur Gedenkstätte mit "ausländerfeindlichen Plakaten" Werbung für sich mache. Die Plakate seien "nur einige Hundert Meter vom Gedenkstättengelände" angebracht worden, direkt neben einem Friedhof, auf dem "über 4500 NS-Opfer bestattet" seien.
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