AfD-Revolte für Maximilian Krah: TikTok-Armee gegen Parteivorstand

AfD-Parole "Mut zur Wahrheit" auf Kombi

Selten lagen von AfD-Mitgliedern verbreitete "Wahrheiten" so weit auseinander wie im Fall Maximilian Krah. Archivbild: PantheraLeo1359531 /

Schlammschlacht nach EU-Wahl eröffnet: In AfD-Kreisen wird zum Angriff auf die Parteispitze geblasen. Warum das für politische Gegner nicht nur lustig ist.

Die Freude der AfD über den Rechtsruck bei der Europawahl verhindert nicht etwa innerparteiliche Schlammschlachten. Im Gegenteil: Seit dem Ausschluss von Maximilian Krah aus der AfD-Delegation im neuen EU-Parlament rebelliert seine Anhängerschaft offen gegen den neuen Delegationsleiter René Aust und den Parteivorstand.

Maximilian Krah: Schandfleck und TikTok-Star

Teile der AfD und ihres Umfelds feiern Krah wie einen Popstar und schreiben ihm und seinen TikTok-Videos einen Großteil des Erfolgs bei jungen Wählern zu – nachdem der Parteivorstand ihn im Wahlkampf zuletzt regelrecht versteckt hatte. Die AfD konnte am Sonntag bei unter 25-Jährigen ihr Wahlergebnis von 2019 mehr als verdreifachen.

Krahs früherer Social-Media-Berater Erik Ahrens spricht auf der Plattform X von "Verrätern", rechtfertigt persönliche Angriffe und listet "psychologische Schwachstellen" des neuen Delegationsleiters auf: Aust sei "in sein Schönling-Image verliebt und leicht beeinflussbar", während Ko-Parteichefin Alice Weidel in ihrer Position "aktuell recht gefestigt" sei.

AfD-Delegationsleiter unter Druck: René Aust

Deshalb hält es Ahrens gerade für falsch, Aust zu schonen, "weil er nur eine Marionette von Weidel wäre". Gerade weil er schwach sei, werde ihm "der öffentliche Druck besonders wehtun", schrieb Ahrens am Dienstagabend. Sein Schlusssatz: "Feuer frei, wir lassen den Verrat an Krah und der ganzen Bewegung nicht unbeantwortet!"

Ganz so angriffslustig äußern sich AfD-Mandatsträger zwar zumindest nicht unter ihren Klarnamen. Einige brechen aber eine Lanze für Krah und teilen die Einschätzung, dass viele Stimmen nicht trotz, sondern wegen des Spitzenkandidaten Krah an ihre Partei gegangen sind.

Seinen Ausschluss aus der Delegation lehnen Parteifreunde wie der Bayerische Landtagsabgeordnete Jörg Baumann als Anbiederung an vermeintlich gemäßigte Rechtsparteien in Frankreich und Italien ab.

Krah und die Waffen-SS

Hintergrund ist, dass Krahs verharmlosende Äußerung über die Waffen-SS gegenüber einer italienischen Zeitung in Ländern, die im Zweiten Weltkrieg unter dem deutschen Besatzungsterror gelitten hatten, nicht gut ankommen konnte.

Auch explizit rechte Parteien wie der Rassemblement National und die Fratelli d’Italia werben schließlich um Stimmen aus einem breiten rechtskonservativen Spektrum – denn mit dem relativ kleinen Kreis von Faschisten, die im Zweiten Weltkrieg auch mit den Nazis kollaboriert hätten, wäre in diesen Ländern kein Staat zu machen.

Seit dem Ausscheiden der letzten Altnazis aus der aktiven Politik in bürgerlichen Parteien der Bundesrepublik Deutschland in den 1980er- und 1990er-Jahren fällt hier die entschiedene Distanzierung von der Vergangenheit leichter und ist auf dem diplomatischen Parkett selbstverständlicher geworden.

Wer heute noch sagt, nicht jeder in SS-Uniform sei ein Verbrecher gewesen, kann damit schneller einen Skandal auslösen. So kam es nicht völlig überraschend, dass der Rassemblement National kurz vor der Europawahl die Zusammenarbeit mit der AfD aufgekündigt hatte.

Vorwurf der Anbiederung an Meloni und Co.

Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni von den "Brüdern Italiens" (Fratelli d’Italia) stammt zwar selbst aus der harten neofaschistischen Szene – die AfD-Hardliner um Ahrens werfen ihr aber inzwischen vor, in der Migrationspolitik zu kompromissbereit zu sein.

Unter EU- und Nato-Partnern ist Meloni allein schon deshalb weitgehend akzeptiert, weil sie in Bezug auf den Ukraine-Krieg auf ihrer Seite und insgesamt zur Nato steht; und nur das ist dem "Wertewesten" im Zweifel wichtig. Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla wollen hier anschlussfähig bleiben.

Dass Krah wegen seiner Russland- und China-Kontakte fast parteiübergreifend "Landesverrat" vorgeworfen wird, scheint die Ultranationalisten im AfD-Umfeld aber nicht abzuschrecken. Im Gegenteil: Das Deutschland, das Krah verraten haben soll, ist aus ihrer Sicht sowieso verrottet und "linksgrünversifft".

Staatsfeind Nummer eins: Ein Etikett, das abschreckt?

Abgesehen davon ist die strafrechtliche Relevanz bisher nicht durch Gerichtsurteile bestätigt – weder im Fall des ehemaligen Krah-Mitarbeiters Jian G., der für China spioniert haben soll, noch im Fall von Krah selbst. Hier gilt also streng genommen die Unschuldsvermutung.

Dass dies im Vorfeld der Wahl von politischen Gegnern teilweise ignoriert wurde, könnte die AfD zwar Stimmen von älteren Wechselwählern aus dem Spektrum der Unionsparteien gekostet haben – Stichwort "gelbe Gefahr" – aber für ein jüngeres "Protestwählerspektrum" hat das Geraune vom Staatsfeind Nummer eins die AfD vielleicht sogar noch attraktiver gemacht.

Das ultrarechte Compact-Magazin hatte Krah sogar zum "Agenten des Volkes" stilisiert. Patrioten würden hier als Landesverräter verleumdet, hieß es auf dem Cover neben einer Abbildung von Krah im James-Bond-Smoking.

Dahinter steckt die Einschätzung, dass keine fremde Macht für Deutschland gefährlicher sei als die aktuelle Regierung – falls an den Spionagevorwürfen etwas dran sein sollte, wäre es demnach taktisch völlig in Ordnung.

Krah als Männlichkeits-Influencer

Die James-Bond-Attitüde passt wiederum zu Krahs Auftreten als Männlichkeits-Influencer bei TikTok – dass er nicht so schlank ist wie Sean Connery in seinen besten Jahren, aber dennoch kein Problem mit seinem Selbstbewusstsein hat, dürfte es verunsicherten jungen Männern sogar leichter machen, sich mit ihm zu identifizieren.

Linksliberale zwischen 30 und 50 mit mittlerem Erfolg bei Frauen – oder beim jeweils bevorzugten Geschlecht – mögen über sein Auftreten lachen. Aber es ist nicht schwer zu erraten, bei wem er einen Nerv trifft, wenn er in einem TikTok-Video sagt: "Jeder dritte junge Mann hatte noch nie eine Freundin. Du gehörst dazu? Schau keine Pornos. Wähl nicht die Grünen. Geh raus an die frische Luft. Steh zu Dir. Sei selbstbewusst."

Es folgt der Rat, sich nicht einreden zu lassen, "dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast". Echte Männer seien rechts.

How to make AfD Punkrock

Gesetzt den Fall, das wird geglaubt: Wenn dann Louisa Basner von der Bundesschülerkonferenz dem Spiegel sagt "Vielen Jugendlichen ist gar nicht bewusst, wie extrem rechts die AfD ist", täuscht sie sich vielleicht genau in Bezug auf Krahs Zielgruppe. Denn diese jungen Männer werden denken: "Und ob ich das weiß – und genau das will ich sein, ich bin schließlich ein echter Mann und kann gar nicht rechts genug sein."

Noch weniger als die mahnenden Worte einer gleichaltrigen jungen Frau dürfte sie die Empörung und Fassungslosigkeit von Linksliberalen aus der eigenen Elterngeneration über ihr Wahlverhalten beeindrucken. Im Gegenteil: Die AfD wird dadurch umso mehr das, was für einen Teil dieser Elterngeneration Punkrock war.

Was nicht von selbst verschwinden wird

Weidel und Aust betonen unterdessen, dass die AfD insgesamt "viele junge Leute auf unterschiedlichen Kanälen" erreiche. Weidel sprach von einer "maßgeschneiderten Jungwählerkampagne" ihrer Partei.

Der Streit, welchen Anteil Krah an deren Erfolg hat, dauert an. Wer aber grundsätzlich dagegenhalten will, muss wohl oder übel verstehen, womit wir es zu tun haben – und aufgrund welcher Widersprüche in der linksliberalen Ideologie ausgerechnet die AfD für Teile der Jugend so attraktiv geworden ist. Von der Gender-Debatte und den Maßstäben für sexistisches Verhalten bei Männern verschiedener Herkunft bis zum neuen "woken" Militarismus und der Wehrpflicht-Debatte gibt es hier viel zu analysieren.

Denn momentan mag sich der Zorn dieser "Bewegung" gegen den AfD-Parteivorstand richten und für Linke "großes Kino" mit Popcorn-Faktor sein. Aber wenn der Machtkampf innerhalb der AfD entschieden ist, wird das Problem für den Rest der Gesellschaft nicht verschwinden.