AfD und Rechtsrutsch: Repression oder Rezepte?
Seite 2: Die Gefahr autoritärer Lösungen im Kampf gegen Rechts
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Auch muss, wer für ein AfD-Verbot eintritt, letztendlich das Wirken von Geheimdiensten wie dem Verfassungsschutz akzeptieren. Dabei war es nach Bekanntwerden des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) bis in linksliberale Kreise hinein Konsens, dass dieser Inlandsgeheimdienst abgeschafft gehört. Zudem wird ein AfD-Verbot sehr wahrscheinlich spätestens vor einem europäischen Gericht scheitern.
Auch deshalb gibt es Forderungen, nur Teile der AfD zu verbieten – zum Beispiel bestimmte Landesverbände, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden. Hier wird der positive Bezug auf den Verfassungsschutz noch einmal explizit herausgestellt. Zudem wären dies besonders starke Landesverbände der AfD. Die betroffenen Protagonisten würden natürlich eine Nachfolgepartei gründen; und die Verbotsdebatte ginge weiter.
Artikel 18 als riskante Versuchung: Der Fall Björn Höcke
Hinzu kommt der Vorschlag, dem Thüringer AfD-Rechtsaußenpolitiker Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen – eine Möglichkeit, die ein Kommentator der taz mit Recht als autoritäres Überbleibsel bezeichnet hat.
Der taz-Justitiar Christian Rath schrieb prägnant, Artikel 18 im Grundgesetz, auf den sich diese Forderung bezieht, gehöre abgeschafft, bevor er erstmals angewandt wird. Die Befürworter dieser Maßnahme vergessen, dass es schon mehrere Versuche gab, Artikel 18 gegen Alt- und Neonazis anzuwenden, die alle juristisch gescheitert sind.
Zudem wird ein Höcke durch dieses Vorhaben massiv aufgewertet: Es wird nicht bedacht, dass er weiterhin seinen Einfluss auf die Partei behalten würde, selbst wenn er persönlich nicht wählbar ist und seine Grundrechte nicht ausüben kann. Er würde dann aber durch den Märtyrerstatus in rechten und rechtsoffenen Kreisen umso populärer. Wer dann unter ihm eventuell den Thüringer Landesverband führt, ist nebensächlich.
Digitalisierung vs. physische Präsenz: Der Fall Martin Sellner
Ein weiterer Vorschlag auf dem Arsenal des hilflosen Antifaschismus ist der Vorschlag, dem österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner die Einreise nach Deutschland zu verbieten. Dabei wird einfach vergessen, dass wir heute in einer Zeit leben, in der sich Menschen digital vernetzen. Da braucht ein Sellner nicht unbedingt vor Ort zu sein, um seine Gedanken zu verbreiten. Auch würde durch ein Einreiseverbot seine Bekanntheit noch steigen.
Bemerkenswert ist auch, dass mit Martina Renner auch eine Politikerin der Linken diese Maßnahme ins Spiel bringt, obwohl sie sich im innerparteilichen Streit mit Sahra Wagenknecht immer für die Forderung nach offenen Grenzen ausgesprochen hat.
Einreiseverbot ohne Grenzkontrollen?
Wie sollte aber ein Einreiseverbot ohne Grenzkontrollen und die Möglichkeit von Zurückweisungen umgesetzt werden? In der konservativen Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) begründet Fatina Keilani, warum ein Einreiseverbot für Sellner kaum Chancen auf Umsetzung hat.
Als Unionsbürger genießt Sellner das Recht auf Freizügigkeit und kann in jeden EU-Staat visumfrei einreisen. Auf seiner Seite "EU-Freizügigkeit" erklärt das Innenministerium, wann das Recht verlorengeht: "Der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann im Einzelfall festgestellt werden, wenn sich durch eine oder mehrere Straftaten von einigem Gewicht zeigt, dass der weitere Aufenthalt auch künftig eine Gefahr darstellt."
Sellner müsste nicht nur rechtskräftig verurteilt sein, sondern er müsste auch weiter eine Gefahr darstellen. Dafür reicht nicht irgendeine Gefahr: "Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt", heißt es in § 6 Freizügigkeitsgesetz EU, das die Rechtsgrundlage für das diskutierte Verbot darstellt.
Fatina Keilani, NZZ
Der Fall Junge Alternative: FDJ-Verbot als historisches Vorbild?
Ein weiterer Vorschlag bezieht sich auf ein Verbot der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA), weil dies bei einem Verein leichter durchzusetzen wäre als bei einer Partei. Als historisches Vorbild dient ausgerechnet das Verbot der prokommunistischen Freien Deutschen Jugend (FDJ), das in Westdeutschland 1951 auf den Weg gebracht wurde.
1956 folgte das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Kader beider Organisationen standen daraufhin vor Gericht zum Teil Robenträgern gegenüber, die auch während der Nazizeit Kommunisten verfolgt hatten.
Bei all diesen Vorschlägen fällt auf, dass man mit den autoritären Staatsapparaten gegen eine autoritäre rechte Partei vorgehen will. Wo bleiben Konzepte, die sich nicht auf Staatsautorität berufen? Hier soll ein Vorschlag gemacht werden.
Warum propagieren die Kämpfer gegen Rechts nicht die solidarische Einwanderung in tariflich bezahlte Lohnarbeit? Die Menschen sollten dann natürlich in den Bereichen arbeiten können, die ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechen.
Solidarische Einwanderung und Gewerkschaftsarbeit
Wichtig wäre, dass dadurch nicht der Niedriglohnsektor ausgeweitet wird. Es kann nur um voll tariflich bezahlte Arbeitsplätze gehen, gar nicht, damit unter Lohnabhängige nicht genötigt werden, sich gegenseitig die Arbeitsbedingungen kaputt zu konkurrieren.
Denn das ist ja das Ziel des Kapitals - um dem vorzubeugen, sollten die migrantischen Lohnabhängigen in ihren Rechten gestärkt werden und ihre Rechte auch kennen, in die gewerkschaftliche Arbeit eingebunden und darin sogar besonders gefördert werden.
In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass migrantische Lohnabhängige oft besonders aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter waren – und das zeigt sich auch heute wieder im Sektor der Lieferdienste, auch dort sind migrantische Beschäftigte besonders aktiv.
Zusammenhalt unabhängig von der Herkunft
Dieser gemeinsame Kampf um die Rechte von Lohnabhängigen stärkt auch deren Zusammenhalt unabhängig von der Herkunft. Wer erst einmal zusammen gestreikt hat, fragt nicht mehr, ob die Kollegin oder der Kollege aus Spanien, dem Senegal oder Deutschland kommt. Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung hat kürzlich ergeben: Wo Betriebsräte und Gewerkschaften stark sind, nimmt rechtsextremes Gedankengut ab.
In Hamburg gab es bereits 2013 eine Initiative, um gezielt Menschen mit Einwanderungsgeschichte für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu gewinnen. Das hat viele Diskussionen ausgelöst, auch bei ver.di selbst. Das Portal Labournet hat dazu einige Dokumente gesammelt.
In Zeiten des Rechtsrucks braucht es eine gesellschaftliche Linke, die sich Gedanken über Konzepte der solidarischen Einwanderung in den Arbeitsmarkt macht – was gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels aktuell ist. Das wäre jedenfalls vielversprechender, als immer neue Verbotsdebatten in die Öffentlichkeit zu tragen und damit autoritäre Staatlichkeit zu fördern.