Afghanistan: Ein "russischer Plot" gegen die USA?
Ein handfester Nachweis dafür, dass russische Geheimdienste den Taliban oder deren kriminellen Verbündeten Belohnungen für getötete US-Soldaten versprochen haben, liegt nicht vor. Dennoch ist dies gerade ein Wahlkampfthema
Enthüllungen mehrerer US-Medien haben einen neuen "russischen Plot gegen die USA" zum Gegenstand. Grundlegendes wie Nachweise und Motiv des Plots werden allerdings als trüb ("murky") beschrieben, selbst in der New York Times, die den Auftakt für eine Reihe von Berichten gab, die in bekannte Vorwürfe gegen Trump münden: Dass er zu lax gegenüber Russland handelt.
Unübersehbar ist die politische Dimension der jüngsten Erregung. Die Enthüllung geschieht im Wahlkampf und sie ist dazu geeignet, Zweifel im republikanischen Lager unter denjenigen zu nähren, die mit Trumps Politik gegenüber Russland nicht einverstanden sind - und auch nicht mit dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan.
Es geht um Vorwürfe gegen eine "berüchtigte" russische Geheimdiensteinheit. Die "Unit 29155" des Militärnachrichtendienstes GRU soll laut Geheimdienstvertretern Verbündeten der afghanischen Taliban Belohnungen für das Töten von US-Soldaten in Afghanistan versprochen oder gar ausgezahlt haben.
Genau klar ist das nicht, wie es ebenso wenig klar nachgewiesen ist, ob es ein ausdrückliches Belohnungsangebot gegeben hat. Die Geheimdienstinformationen, die dafür angeführt werden, stammen von Verhören mit Gefangenen. Die Einschränkungen, die es zur Wahrheitsermittlung solcher Verhöre gibt, ist bekannt. Sie werden auch von Geheimdienstvertretern vorgebracht, die das Argument der Trump-Regierung stützt, wonach man sich nicht sicher war, wie die Informationen über die angebliche russische Einmischung in Afghanistan einzustufen waren.
Darüber hinaus gibt es nach vorliegenden Informationen, wie sie die New York Times, die Washington Post oder AP beisteuern, auch keinen eindeutigen direkten Nachweis von Operationen, die aufgrund einer solchen Belohnungsaussicht durchgeführt wurden. Es handelt sich um mehr oder weniger gut begründete Verdächtigungen und Mutmaßungen, die in Geheimdienstkreisen besprochen wurden.
Nach Informationen der AP fand ein Seal-Team in diesem Jahr bei der Razzia eines Taliban-Außenpostens eine Menge Geld, nämlich 500.000 US-Dollar gefunden, was in keinem direkten Bezug einer direkten Auftragsvergabe steht, aber im Rahmen der vorgebrachten Vorwürfe als Indiz auf eine reichhaltige Belohnung für einen Angriff auf US-Soldaten suggeriert wird, ohne Nachweise dafür zu liefern.
Die gefundene Summe unterfütterte die Verdachtsmomente der US-Geheimdienst-Gemeinschaft, dass die Russen den Taliban- Kämpfern ("Taliban militants") und anderen mit ihnen verbundenen Vereinigungen angeboten haben. AP
Dazu wüsste man gern genaueres, zum Beispiel, warum andere Erklärungen für diese Menge an Geld -Waffen-, Drogenhandel, Erpressungen, Entführungen - ausgeschlossen werden.
Dies ist nur ein Ausschnitt dessen, was sich bei näherem Hinschauen als "murky" zeigt. Manche Formulierungen der anklagenden Berichte geben schon beim grundlegenden Vorwurf zu erkennen, dass die Vorwürfe auf keinem wirklich festen Boden stehen. So heißt es in einem aktuellen Bericht der New York Times:
Neue Informationen kamen ans Licht, als das Weiße Haus am Montag versuchte, die geheimdienstliche Einschätzung, wonach Russland Tötungen zu ermutigen und zu belohnen suchte (Hervorhebung des Verfassers). Darin eingeschlossen sind Rückverfolgungen der Behauptung, dass Trump nie von der Sache in Kenntnis gesetzt wurde sowie die Darstellung der Administration, wonach die Schlüsse umstritten und zweifelhaft sind.
New York Times
Einschätzungen und die Mutmaßung, dass Russen etwas suchen, klingt nicht nach gerichtsfestem Material. Man könnte an dieser Stelle der New York Times attestieren, dass sie immerhin die Zweifel zu Wort kommen lässt - wenn nicht die Berichterstattung so eine starke Schlagseite hätte. Seit dem Bericht vom 26. Juni, der mit der Wiedergabe einer "Folgerung von Geheimdienst-Offizieren" beginnt, werden die Zweifel an den Folgerungen weniger betont als die Folgerungen. Was bei den Lesern den Eindruck bestärkt, dass die Zweifel geringfügiger sind als die Schwere der Vorwürfe: ein russischer Plot gegen die USA.
Im gestern erschienenen Nachfolgeartikel der New York Times geht es hauptsächlich um den Vorwurf, dass die Administration zwar über die Einschätzung der Geheimdienste schon früh informiert wurde, nämlich bereits Ende Februar, dass sie aber nicht angemessen reagierte.
Die politisch interessante Frage jenseits der Diskussionen darüber, wann Trump was wissen hätte müssen oder gewusst hat, wäre an dieser Stelle, was denn eine angemessene Reaktion gewesen wäre. Damit kommt man zum nächsten trüben Punkt.
Worin bestünde der politische Erfolg einer schlecht gestützten Anklage gegen Russland?
Als Vorschläge werden von den genannten Medien u.a. gebracht, dass er Russland gegenüber mit neuen Sanktionen hätte drohen können oder die Führung in Moskau zumindest mit den Vorwürfen hätte konfrontieren müssen. Trump sei dem Kreml gegenüber zu "accommodating", nachgiebig, wird kritisiert.
Um hinter etwaige US-Sanktionen auch internationale Unterstützung zu bekommen, müssten die Nachweise für den Vorwurf, dass russische Geheimdienste Belohnungen an die "Taliban oder kriminelle Verbündete", wie es heißt, ausgesprochen haben, überzeugend unterlegt sein. Nicht nur mit dem Hinweis, dass "hybride Kriegsführung der Russen" dahintersteht. Die Vorwürfe gegen die "Unit 29155" begründet sich laut New York Times auch mit deren Vorgeschichte, vorgeworfen werden ihr Beteiligung am Fall Giftanschlag auf die Skripals und der Hack der Server der Partei der Demokraten. Diese Vorwürfe sind umstritten, aber in der öffentlichen Wahrnehmung durch die Wiederholung hängen geblieben, ohne dass auch dafür eindeutige Beweise vorliegen.
Nun ist man umso gespannter, ob es diesmal besseres Material gibt. Das steht noch aber noch aus. Man würde mit Sanktionen, die auf diese Verdächtigungen fußen, nur das Lager überzeugen, das ohnehin das Feindbild Russland teilt. Hätte das dann Konsequenzen für Russland?
Es stellt sich, wie aus den genannten Berichten hervorgeht, selbst in jenen US-Geheimdienstabteilungen, die einen Verdacht haben, die Frage nach der Motivation ("murky") der russischen GRU-Einheit, der solches unterstellt wird. Wollen ihre Auftraggeber im Kreml die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban zum Truppenabzug hintertreiben? Wozu? Ist es nicht im russischen Interesse, dass die USA Afghanistan verlassen?
Manche bringen ins Spiel, dass es denkbar wäre, dass sich der russische Geheimdienst für eine Militäraktion der USA in Syrien rächt, in deren Folge russische Söldner der Wagner-Gruppe umgekommen sind.
Das ist eine Annahme, die durch nichts gestützt wird und politisch nicht die Dimension hat, um daraus einen öffentlichen Eklat zu machen, wie es Sanktionen oder ein Bloßstellen der russischen Führung durch Vorwürfe seitens der Regierung zur Folge hätten. Solche Abrechnungen werden anders erledigt, wofür die Kriegsschauplätze in Syrien und Libyen und nicht zuletzt in Afghanistan genug Beispiele liefern. Mit Signalen auf dem Kampffeld, die unter den Gegnern verstanden werden.
Ob Trump nun Bescheid über die Vorwürfe gegen den russischen Geheimdienst wusste, einmal dahin gestellt - die jüngsten Veröffentlichungen in US-Medien weisen in diese Richtung -, so gehört zum größeren Bild, dass in den Sicherheitskreisen eine reservierte Haltung darüber gab, wie die Verdächtigungen einzustufen sind. Anscheinend waren sie der Administration nicht eindeutig genug, um daraus hochkarätigere politische Folgerungen zu ziehen. Nach Stand der trüben Informationen ist dies nachvollziehbar.