Agrarpolitik ist auch Klimapolitik
Die Energie- und Klimawochenschau: Von Alternativen zur Massentierhaltung, versinkenden Städten und den Grenzen des Menschenverstands
Am Samstag demonstrierten in Berlin über 30.000 Menschen unter dem jährlich wiederkehrenden Motto "Wir haben es satt" für eine andere Landwirtschaftspolitik. Dabei ging es neben Tierwohl, Insektenschutz und den Perspektiven kleinerer Betriebe auch um das Thema Klimaschutz, zu dem die Agrarpolitik ihren Beitrag leisten kann - oder eben nicht.
Von der EU werden, im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, fast 60 Milliarden Euro pro Jahr an Prämien an die europäischen Landwirte verteilt. Der größte Teil davon über die sogenannte erste Säule als Flächenprämie. Das heißt die größten Betriebe erhalten am meisten Subventionen, an bestimmte Maßnahmen sind diese nicht gebunden.
Nur der kleinere Teil entfällt auf die "zweite Säule", deren Verwendung zweckgebunden ist und zu der u.a. Ökolandbau oder das Management von Natura-2000-Gebieten zählt. Umweltverbände kritisieren seit Jahren, dass EU und Bundesregierung die Chance vergeben, über die Agrarsubventionen steuernd in die Landwirtschaft einzugreifen.
"Mit den über sechs Milliarden Euro, die Deutschland jedes Jahr an EU-Agrargeldern verteilt, muss der umwelt- und tiergerechte Umbau der Landwirtschaft gefördert werden", erklärte die Sprecherin des Demo-Bündnisses Saskia Richartz. "Doch Agrarministerin Klöckner klammert sich an die pauschalen Flächensubventionen wie ihre Vorgänger ans Ackergift Glyphosat. Der Agrarindustrie immer weiter Milliarden in den Rachen zu stopfen ist agrar- und klimapolitischer Irrsinn. Wir fordern: Umverteilen jetzt!"
In diesem Jahr wird in Brüssel entschieden, wie die Agrarsubventionen für den nächsten Siebenjahreszeitraum verteilt und damit die Weichen für die Agrarpolitik gestellt werden. Besonders klimaschädlich wie auch umweltbelastend ist die Massentierhaltung mit ihren Lachgas- und Nitratemissionen. "Wir müssen die Tierhaltung an die Fläche binden", forderte der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf der Demonstration. "Wir dürfen nur so viele Tiere halten, wie wir von der eigenen Futtergrundlage ernähren."
Erst kürzlich hat der BUND einen "Soja-Report" vorgelegt, in dem untersucht wird, wie Sojaimporte durch in der EU produzierte Eiweißpflanzen, aber auch durch andere Tierhaltungsweisen, ersetzt werden können. Der größte Teil der Importe stammt aus Südamerika, wo für den Sojaanbau weiterhin Wald gerodet wird und Kleinbauern vertrieben werden. Von 2013 bis 2015 haben die EU-Länder jährlich 36 Millionen Tonnen Soja importiert, so der Bericht. Der expandierende Sojaanbau in der EU ist laut dem Bericht ebenfalls kritisch zu bewerten, da er vor allem von Großkonzernen vorangetrieben wird, die vermutlich nicht an einer umweltfreundlichen Wirtschaftsweise interessiert sind.
Diät für den Planeten
Aus Umwelt- und Klimagesichtspunkten wird kein Weg daran vorbeiführen, die Tierproduktion zu reduzieren. Was übrigens auch der allgemeinen Gesundheit förderlich sein könnte. Eine internationale Kommission von Wissenschaftlern, die EAT-Lancet-Commission, hat sich Mitte Januar der Öffentlichkeit vorgestellt und gleichzeitig die Gesundheitsdiät für den Planeten vorgestellt. Die Idee dahinter ist, eine gesunde und ausreichende Ernährung für eine Weltbevölkerung von fast 10 Milliarden im Jahr 2050 sicherzustellen und die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf das Klima, Artenvielfalt und Gewässer zu verringern.
Wenig überraschend kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass der Konsum von rotem Fleisch und Zucker halbiert werden müsse. Ebenfalls reduziert werden müsste der Konsum von Geflügel, Eiern und Milchprodukten. Die Verschwendung von Lebensmitteln müsste mindestens auf die Hälfte gesenkt werden. Für Europäer bedeutet die Planeten-Diät konkret, dass sie 77% weniger rotes Fleisch essen dürften und dafür die 15fache Menge ihres heutigen Verbrauchs an Nüssen und Saaten.
Die Ernährung wäre zum größten Teil pflanzlich, ergänzt durch eine Fleisch- und zwei Fischportionen pro Woche und eine geringe Menge an Milchprodukten pro Tag bei einer Gesamtkalorienzahl von 2500 kcal. Der öffentlichen Gesundheit mit Sicherheit zuträglich ist es doch schwer vorstellbar, dass sich eine global gerechte Gesundheitskost für alle politisch dursetzen ließe.
Weltwirtschaftsforum fürchtet Klimakatastrophe
Wasser predigen und Champagner trinken dürfte wohl eher das Motto des Weltwirtschaftsforums (WEF) sein, das sich dieser Tage in Davos trifft, allerdings in diesem Jahr u.a. ohne US-Präsident Donald Trump, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May.
Im Vorfeld des Treffens von Spitzenpolitikern und Wirtschaftseliten hat das Weltwirtschaftsforum den Globalen Risikobericht 2019 veröffentlicht. Dieser liest sich für eine Organisation, die die kapitaliistische Wirtschaftsweise und Wachstum propagiert, überraschend hilflos bis apokalyptisch. "Gobale Risiken - Außer Kontrolle" titelt der Jahresbericht. Weiter heißt es: "Schlafwandelt die Welt in die Krise? Globale Risiken nehmen zu, aber der kollektive Wille, dagegen vorzugehen, scheint zu fehlen. (…) Wir treiben tiefer in globale Probleme, aus denen es immer schwieriger wird, uns zu befreien."
Zu einem dieser globalen Probleme zählt das WEF die "Klimakatastrophe", 2018 war ein Jahr der Stürme, Feuer und Fluten. Trotz allseits bekannter Berichte des Weltklimarats herrsche große Angst vor einem Versagen, den Klimawandel zu bekämpfen und sich an ihn anzupassen sowie vor Extremwetterereignissen. Aber auch die Auswirkungen des Artenverlusts auf Nahrungsketten, Gesundheit und letztlich die sozioökonomische Entwicklung werden zurnehmend als globales Risiko wahrgenommen.
In Kapitel 5 widmet sich der Bericht unter der Überschrift "Kämpfen oder Flüchten" ("Fight or Flight") der Frage, wie sich Küstenstädte an den steigenden Meeresspiegel anpassen können. 800 Millionen Menschen in 570 Küstenstädten weltweit könnten bis 2050 von einem Meeresspiegelanstieg von einem halben Meter betroffen sein. Dabei verstärkt die voranschreitende Urbanisierung mitunter die Risiken, etwa wenn ihr schützende Mangrovenwälder zum Opfer fallen.
Laut IPCC würde der Meeresspiegel bei einer globalen Erwärmung um 2 Grad zwischen 0,3 und knapp einem Meter steigen, doch es gibt andere, ungünstigere Schätzungen, außerdem wird das Wasser auch nach dem Jahr 2100 weiter steigen. Gerade menschliche Siedlungen in Flußdeltas sind besonders gefährdet. In Bangladesch würde ein Meeresspiegelanstieg um einen halben Meter rund 15 Millionen Menschen vertreiben.
Direkte Vertreibung ist jedoch nur eines der Risiken, auch wichtige Infrastruktur an Küsten könnte dem Meer zum Opfer fallen, darunter Straßen, Bahnlinien, Trinkwasser- und Abwasserversorgung, Energieversorgung oder Internet.
Gefragt sind Anpassungsmaßnahmen, wie sie etwa in den Niederlanden seit langem betrieben werden. Auch ein "geordneter Rückzug" kann dazu zählen, wie etwa von den Malediven (auf künstliche Inseln) oder Kiribati (nach Fidschi) geplant. Solche Maßnahmen kosten natürlich Geld. Wo das WEF von einer "gemeinschaftlichen" Finanzierung fabuliert, sollten doch eigentlich die Hauptverursacher des Klimawandels stehen.
Mit rasendem Verstand
Das Umweltbundesamt (UBA) bestätigt jetzt mit den offiziellen, an die EU-Kommission übermittelten Emissionsdaten für 2017, dass die deutschen Treibhausgasemissionen tatsächlich gegenüber 2016 um 0,5 Prozent gesunken sind. Eine erste Schätzung erfolgte bereits im März 2018.
"(V)or allem der Verkehrssektor bewegt sich weiterhin in die falsche Richtung. Die Emissionen sind erneut gestiegen und liegen nun schon zwei Prozent über den Emissionen des Jahres 1990. Immer mehr Fahrzeuge, immer mehr Güter auf der Straße und immer größere und schwerere Autos führen natürlich auch zu steigenden Emissionen. Hier muss nun endlich etwas passieren", erklärte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger.
Nun gibt es die "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität", die Vorschläge erarbeitet, wie die Klimaziele im Verkehr erreicht werden könnten. Nur leider stoßen diese Vorschläge scheinbar auf vehemente Ablehnung des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU), zumindest was ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen angeht, das "gegen jeden Menschenverstand" sei. Dabei sollte erst einmal ein wissenschaftliches Argument für das ungehinderte Rasen gefunden werden.
Im Bereich Umweltschutz oder Verkehrssicherheit wird es jedenfalls nicht zu finden sein. Nach einem Bericht des Spiegel ist außerdem eine Angleichung der Steuern auf Diesel zum Jahr 2021 im Gespräch, sowie ein kontinuierlicher Anstieg der Spritsteuern.