Aktivisten blockieren zeitweise Rüstungsproduktion in Kassel
Seite 2: Wie gegen Krieg kämpfen?
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Auf den unterschiedlichen Diskussionsveranstaltungen auf dem Aktionscamp machten deutlich, dass die Antimilitaristen eine Gratwanderung machen müssen.
Sie wollen nicht bei symbolischen Aktionen und Appellen gegen den Krieg stehen bleiben, aber andererseits auch darauf achten, dass sie sich nicht von einem großen Teil der Bevölkerung isolieren, die sich eher darüber aufregen, wenn gefordert wird, Kriegsgeräte unbrauchbar zu machen, bevor sie eingesetzt werden als über Kriege auch mit deutschen Waffen in aller Welt.
Kassel: Hotspot der Rüstungsindustrie
Dabei spielt Kassel eine wichtige Rolle. Die Aktivisten von "Rheinmetall Entwaffnen" haben den Ort bewusst gewählt. "Wir gehen in eine Stadt, die wie kaum eine andere für deutsche Rüstungsproduktion steht", heißt es im Aufruf.
Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sich in Kassel und Umgebung Rüstungskonzerne angesiedelt, die in der Nazizeit Profite machten. Die Rüstungsschmiede Kassel wurde daher folgerichtig Ziel alliierter Bombenangriffe.
Große Teile der Stadt wurden zerstört. Nach dem Krieg hofften viele, dass sich Kassel von der militaristischen Tradition verabschiedet. Doch im Kalten Krieg wurde die nordhessische Stadt erneut ein Zentrum der Rüstungsindustrie und blieb es bis heute. Mit "Vom Tiger zum Leopard" überschrieb der Friedensaktivist Lühr Henken seinen Vortrag über Waffen- und Rüstungsindustrie in Kassel, im Rahmen einer Ringvorlesung an der Kasseler Universität 2017.
An erster Stelle nannte Henken die Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann, die in Kassel mit Nexter einen europäischen Rüstungskonzern mit Milliardenumsatz errichtet hat. Der Kampfpanzer Leopard wird dort produziert und in Krisenherde der Welt exportiert.
Doch KMW ist nicht der einzige Rüstungsproduzent. Rheinmetall Defence lässt in Kassel Radfahrzeuge und Schützenpanzer produzieren. Der Krieg in der Ukraine hat die Aktienkurse dieser Konzerne in die Höhe schießen lassen. In der Lokalpresse werden verstärkt Jobs in der Rüstungsindustrie angepriesen. Doch jede Haubitze und jeder Panzer, der in Kassel produziert wird, muss auch transportiert werden. Darin sahen Blockadeaktionen "Betätigungsmöglichkeiten".
Heizung, Brot und Frieden
Eine antimilitaristische Stoßrichtung könnte auch bei den anlaufenden Protesten gegen die Inflation und das Steigen der Energiekosten eine Rolle spielen. Unter dem Motto "Heizung, Brot und Frieden" sind am kommenden Montag Proteste vor der Zentrale der Grünen Partei in Berlin geplant.
Die Parole knüpft an den Slogan "Brot und Frieden" an, mit der der revolutionäre Teil der Arbeiterbewegung erfolgreich im damaligen Russland gegen den Ersten Weltkrieg agierte. Es reicht eben nicht, wie AfD und ein sozialdemokratischer Flügel der Linkspartei einfach zu fordern, Nord Stream 1 und 2 zu öffnen.
Dahinter steht die illusionäre Hoffnung, einfach zum Zustand vor dem Ukraine-Krieg zurückkehren zu können. Es ist kein Zufall, dass auch Rechte solche Forderungen stellen. Zudem wird damit die ökologische Dimension völlig ausgeblendet. Es gibt schon länger Kritik der Klimabewegung an den Gasexporten.
Dagegen würde eine Verbindung von Sozialprotesten mit einer Antimilitarismusbewegung, die die Rüstungslogistik blockiert, verhindern, dass Rechte daran andocken. Ob es solche Kooperationen in Zukunft geben wird? Das könnte auch davon abhängen, ob die Blockade in Kassel eine Aktion war, die vielleicht einmal im Jahr versucht wird und damit auch nicht wirklich die Rüstungsproduktion behindern kann.
Sollte es allerdings gelingen, den Zusammenhang von Rüstung und kapitalistische Krise auch im Alltagsbewusstsein vieler Menschen zu verankern, die jetzt auf die Straße gehen wollen wegen der galoppierenden Preise, dann könnte man tatsächlich von einem Erfolg sprechen.
Eine weitere beachtenswerte antimiliitarische Aktion kam von Adbustern, die pünktlich zum 1. September Werbeplakate der Bundeswehr kreativ umgestalteten. Es zeigt sich, dass die Antimiliitarismus-Bewegung durchaus existiert. Sie muss sich nur im Alltag verankern.
Der Autor ist mit Clemens Heni und Gerald Grüneklee Autor des kürzlich im Critic-Verlag erschienenem Buch Nie wieder Krieg ohne uns – Deutschland und die Ukraine.