Akustische Waffe oder harmlose Teenagerabwehr?

Das zur Vertreibung von Jugendlichen angebotene Gerät Mosquito verstößt möglicherweise gegen die Europäische Menschenrechtskonvention

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Die britische Firma Compound Security hatte 2005 ein neuartiges Produkt auf den Markt gebracht, das schnell Aufmerksamkeit erregte. Es handelte sich um das vor Vandalismus geschützte Gerät mit dem Namen Mosquito, das mit schrillen Tönen (17 kHz) und einer Lautstärke von 5 dB über dem Hintergrundgeräusch Jugendliche vertreiben soll (max. Lautstärke 85 dB). Unangenehm wirken sollen die angeblich völlig unschädlichen Töne im Unterschied zu akustischen Waffen, die auf Schmerzen basieren ("Sound-Laser"), erst nach einigen Minuten. Ältere Menschen ab 25 Jahren können in aller Regel die hohen Frequenzen nicht mehr hören, auch Kinder sollen sie nicht hören können. Allerdings wurde das Prinzip auch als Klingelton als Teen Buzz oder Mosquito-Ton für Jugendliche entdeckt, um etwa an Schulen unentdeckt von Erwachsenen angerufen werden oder SMS empfangen zu können.

Bild: Compound Security

Das altersspezifische, bis zu einer Entfernung von 20 m wirkende Abwehr- oder Vertreibungsgerät ("ultra-sonic teenage deterrent sytem"), das etwa 700 Euro kostet, hat sich vor allem in Großbritannien, geplagt von der Epidemie des "antisozialen Verhaltens" und der Respektlosigkeit und der von der Regierung massiv betriebenen Bekämpfung und Bestrafung, gut verkauft. Von den bislang verkauften 3.300 Geräten, die über eine Fernbedienung aktiviert oder mit Überwachungskameras verbunden werden können, wurden 70 Prozent in Großbritannien an den Mann gebracht. Gemeinden und Polizeidienststellen haben sie eingesetzt, Geschäftsleute und Privatleute verwenden sie, um Jugendliche vor ihren Läden und Häusern zu vertreiben.

Die Firma hat für die "elektromechanische Teenagerabwehr" 2006 den Ig Nobel Peace Prize erhalten. Geschäftsschädigend war dies offenbar nicht, denn Compound Security entwickelt bereits die zweite Generation, die eine Wirkung über 50 m entfalten soll, um etwa Friedhöfe und Baustellen jugendfrei zu halten. Überdies soll eine Handgranate mit schmerzhafteren Tönen zum Einsatz in Gefängnissen gebaut werden, um damit Unruhen zu bekämpfen. Das zeigt schon, dass Mosquito auch als nichttödliche Waffe gelten kann. So wurde das Gerät in Merseyside von der Polizei auf dem Dach des Einsatzwagens angebracht, um es bei kritischen Situationen anzuschalten.

Die Firma behauptet, dass ihr Gerät "das wirksamste Mittel für den Kampf gegen antisoziales Verhalten" geworden sei und "Ansammlungen von Teenagern und antisozialen Jugendlichen" auflöse.

The Mosquito ultrasonic teenage deterrent is the solution to the eternal problem of unwanted gatherings of youths and teenagers in shopping malls, around shops and anywhere else they are causing problems. The presence of these teenagers discourages genuine shoppers and customers’ from coming into your shop, affecting your turnover and profits. Anti social behavior has become the biggest threat to private property over the last decade and there has been no effective deterrent until now.

Kritik gegen die Antijugend-Waffe kommt beispielsweise von der Bürgerrechtsorganisation Liberty. Nach dem Direktor Shami Chakrabarti ist das Mosquito-Gerät "schlimmstensfalls eine schwache akustische Waffe oder bestenfalls eine Hundepfeife für Kinder". In einer zivilisierten Gesellschaft, die ihre Kinder achtet, habe dieses Gerät nichts zu suchen, das sich gegen alle Jugendlichen richtet, nicht nur gegen die Störenfriede. Die Ungerichtetheit und die Beschränkung auf eine Altergruppe könnten den Einsatz des Geräts gegen die Menschenrechte verstoßen lassen, vermutet Liberty. So könnte es gegen den Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und vor allem gegen den Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen:

Diskriminierungsverbot
Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.

Bild: Compound Security

Die britische Regierung hat zu dem Gerät nicht wirklich Stellung genommen. Innenminister John Reid hatte lediglich auf eine Anfrage letztes Jahr gesagt, dass die lokalen Behörden alle Innovationen verwenden dürfen, um "die Kriminalität, die Angst vor der Kriminalität und antisoziales Verhalten einzudämmen". Man müsse sie nur mit Vorsitz einsetzen.

In einem Gutachten, das die Firma bei der Kanzlei Hewitsons Solicitors eingeholt hat, wird bestätigt, dass es bislang keine medizinischen Hinweise auf die Schädlichkeit des Geräts gebe. Verwiesen wird auf die Tests, die das National Physical Laboratory durchgeführt hat. Das Gerät würde auch nicht die Lärmschutzverordnung am Arbeitsplatz verletzen und, weil die hohen Frequenzen nicht durch Mauern dringen können, auch keine Nachbarn belästigen. Was die Menschenrechte betrifft, so würde das Gerät nur die Jugendlichen in nächster Nähe betreffen – und die könnten ja gehen, wohin sie wollen. Es liege keine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung (Art. 3) vor. Das Recht auf Versammlung (Art. 11) werde auch nicht beeinträchtigt, da es nicht das Recht umfasse, dass Jugendliche sich ohne Zweck versammeln. Das Gerät hindere niemanden daran, sich zu versammeln, sondern verhindere lediglich, dies an einem bestimmten Platz zu machen. Und weil man ja woanders gehen könne, wird dies offenbar nicht als Einschränkung betrachtet, auch wenn es sich um den öffentlichen Raum handelt. Gruppen von Jugendlichen hätten überdies keine Merkmale, die für eine Diskriminierung in Frage kämen. Alter werde von der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht explizit als Diskriminierung aufgeführt, sagen die Rechtsexperten.