Al-Qaida: immer und überall

Mögliche Beteiligung an den Istanbuler Anschlägen; neue Anschlag-Drohungen im Vorfeld des Bush-Besuchs in England; UN-Bericht: Al-Qaida und Massenvernichtungswaffen

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Noch werde in alle Richtungen ermittelt, sagte der türkische Außenminister Abdullah Gül am Samstagabend, nachdem zwanzig Menschen bei Anschlägen auf zwei Synagogen in Istanbul getötet worden waren. Zwar hat eine türkische Extremistengruppe die Verantwortung für die Anschläge übernommen, dennoch stellte der Außenminister klar: "Die Tat hat einen internationalen Hintergrund". Gemeint sind Verbindungen zu Al-Qaida. Die Terrororganisation bedient - neben der beschleunigten Irakisierung der wichtigsten Kampfzone im Krieg gegen den Terrorismus - einmal mehr Schlagzeilen, Ängste und Spekulationen dieses Wochenendes.

England sei in den zweithöchsten Alarmzustand versetzt worden, weil der amerikanische Präsident zu Besuch kommt und Al-Qaida mit Anschlägen droht, meldet Al-Dschasira. Zugleich präsentiert der Guardian die Liste aller Anschläge von "The Base" seit dem August 1998.

Al-Qaida und Massenvernichtungswaffen

Einer AP-Meldung zufolge, die von mehreren Zeitungen übernommen wurde, soll das Al-Qaida-Netzwerk fest dazu entschlossen sein, chemische und biologische Waffen einzusetzen; nur "technische Schwierigkeiten" würden die Qaida davon abhalten, solche Bomben zu benutzen.

Als Quelle dieser Erkenntnis wurde der vertrauliche Bericht eines fünfköpfigen UN-Sachverständigengremiums angegeben, das im Januar vom UN-Sicherheitsrat gebildet wurde, um die Sanktionen gegen 272 Personen und Gruppierungen zu überwachen, die Verbindungen zur Al-Qaida und zur entmachteten Taliban-Regierung in Afghanistan haben. Die Sanktionen bestehen weitgehend im Einfrieren von Finanzen, Reiseverboten und einem Waffenembargo.

Das Risiko, dass Al-Qaida Massenvernichtungswaffen erhält und einsetzt, steigt ständig. Zweifellos erwägt Al-Qaida nach wie vor den Einsatz von chemischen oder biologischen Waffen, um ihre terroristischen Anschläge zu verüben.

Einzig die komplexe Technik, die erforderlich ist, um diese Waffen präzise und effektiv einzusetzen, halte das Terrornetzwerk von deren Einsatz ab. Darin sehen die UN-Experten auch den Hauptgrund dafür, dass Al-Qaida noch immer an herkömmlichen Sprengsätzen bastelt.

Den Experten zufolge haben die Sanktionen ihr Ziel, Osama Bin Ladens Anhängerschaft zu stoppen, verfehlt, da die Regierungen den Sanktionen nicht genügend Nachdruck und Geltung verleiht hätten und Al-Qaida wie die Taliban Wege gefunden hätten, die Sanktionen zu umgehen.

Zwar hätten Ägypten, Jordanien, Kuwait, der Libanon, Marokko, Pakistan, Saudi-Arabien, Syrien und der Jemen die Verhaftung von Personen mit Verbindungen zur Al-Qaida bekannt gegeben; aber in den meisten Fällen seien die Namen nicht auf die Sanktionsliste aufgenommen worden. Während 372 Namen auf der Liste stünden, seien mehr als 10 mal so viele Personen, denen verdächtige Beziehungen zur Qaida zur Last gelegt werden, in 102 Ländern verhaftet worden.

Das Einfrieren von Finanzmitteln gestalte sich ebenfalls sehr schwierig. Der Bericht zitiert den Fall von zwei Männern, Jusuf Nada und Idris Nasal, Direktoren der Al-Taqwa-Gruppe, die von den USA als wichtigste Geldsammler für Al-Qaida angesehen werden: beiden Männern gelang es, große Teile ihres Vermögens dem Zugriff der Behörden zu entziehen und darüber hinaus das Reiseverbot zu umgehen, um Firmen in Liechtenstein umzubenennen.

Während die UN-Sachverständigen sich einerseits großer Fortschritte im Unterbinden der finanziellen Zuflüsse für Al-Qaida rühmen, wird andrerseits betont, dass es noch immer große Lücken gebe, die es dem Netzwerk erlaubten, Geld für terroristische Operationen zu sammeln. Das Geld stamme meist aus Wohltätigkeitssammlungen, "Mäzenen", wie aus Geschäfts- und kriminellen Aktivitäten, einschließlich dem Drogenhandel. Al Qaida habe obendrein seine finanziellen Aktivitäten in Regionen wie Afrika, dem Mittleren Osten und nach Südostasien verlagert, da es dort besonders schwer sei, solche Transaktionen zu kontrollieren und zu überwachen.

Indes meldet der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira, dass ein Al-Qaida-Repräsentant vor drei Jahren angereichertes Uranium in Afrika von der kongolesischen Opposition gekauft habe. Das Uranium könnte zum Bau einer schmutzigen Bombe verwendet werden. Als Quelle dieser obskuren Geschichte gibt Al-Dschasira jedoch nicht amerikanische Geheimdienste an, sondern die französische Zeitung Le Progres.

Cyber-Al-Qaida

Und schließlich hat auch das notorisch zur Dramatik neigende Internet-News-Magazin WorldNetdaily ein apokalyptisches Gerücht zur Qaida beizusteuern; nach deren Informationen soll ein Anschlag mit mehr als 100.000 Toten bevorstehen. Ein gewisser Al-Hijazi, Mitglied der Qaida, soll in einem arabischen Internetforum, Al-Qal'a (The Fortress), die Anschläge in Riad als Al-Qaida geführte Anschläge reklamiert haben und vor einem großen Anschlag gewarnt haben, dessen Opfer in die Hundertausende gehen soll. Genaueres darüber könne man im Monat Schauwal, der dem Ramadan folgt, erfahren, wenn nämlich die Website "Al-Nida" wieder reaktiviert sei. Die Quelle dafür stammt von MEMRI (vgl. dazu auch Der Club der rechten Schlaumeier), die diesen arabischen Forum-Thread entdeckte.)

Der amerikanische News-Channel "msnbc" (Newsweek) hat wiederum Kenntnis von einer islamistischen Website namens "al-Mujahedeen", auf der behauptet wird, dass Al-Qaida zwar hinter sämtlichen Anschlägen gegen US-Truppen im Irak stünde, aber jede Beteiligung an den Anschlägen in Riad dementiere. Es sei aber nicht möglich, die Authentizität des Statements zu verifizieren, heißt es in dem Bericht, auch wenn dessen Diktion mit der von anderen Al-Qaida-Mitteilungen übereinstimme und die Website schon früher ähnliche Statements der Qaida veröffentlicht haben soll.