Alarm in Falludscha
Sind die "Widerstandskämpfer" zurück in der Stadt?
Das Rückgrat des "Widerstands" sollte mit der Großoffensive vor neun Monaten gebrochen werden (vgl. Die Fliege macht sich davon und das Pferd stirbt). 1000 Guerillas sind nach Schätzungen der US-Armee bei den Kämpfen in Falludscha getötet worden, die Stadt gilt seither als "rebellenfrei". Kritiker der größten Militäraktion des so genannten "zweiten Krieges" mahnten damals schon an, dass die Widerstandskämpfer später zurückkehren werden. Bald steht ein neues landesweites Referendum an: Im Oktober soll die irakische Bevölkerung über die Annahme der neuen Verfassung entscheiden - gesetzt den Fall, sie wird tatsächlich am 15.August fertig - und das alte Spiel scheint von Neuem zu beginnen. Und mit ihm die Rückkehr von Widerständlern nach Falludscha.
Eine hohe Beteiligung der Sunniten ist wichtig für die Legitimität der Verfassung, in der sunnitschen Anbar-Provinz übt der "Widerstand" schon jetzt Druck auf die Bevölkerung aus, sich nicht am Referendum zu beteiligen. Während amerikanische Streitkräfte in Zusammenarbeit mit irakischen in der Operation "Quick Strike" versuchen, die Provinz an der syrischen Grenze bei Haditha, Haklinija und Barwana von Widerstandskämpfern zu säubern (nachdem in den letzten beiden Wochen dort mehrere Marines getötet wurden), gibt es nach einem Bericht der Los Angeles Times neue Geheimdienstinformationen, wonach Guerillas versuchen, wieder in die einstmalige Widerstandshochburg Falludscha zurückzukehren.
Große Teile der Stadt sind durch die Novemberoffensive zerstört worden, das Ausmaß der Zerstörung ist in vielen späteren Berichten dokumentiert worden, ebenso die zögerliche Rückkehr der Bevölkerung. Mittlerweile sollen 80%, bzw. einer anderen Quelle zufolge 140.000 (56%) der ehemals 250.000 Einwohner wieder nach Falludscha zurückgekehrt sein. Und mit ihnen einige Widerstandskämpfer.
Zwar sind sich amerikanische Kommandeure sicher, die Kontrolle über Falludscha sei derart "vollständig", dass die Guerillas dort nicht Fuß fassen könnten, aber die großen Schwierigkeiten, welche die amerikanischen Truppen in Haklinija und Haditha haben, um die Dschihadis und Widerständler überhaupt erst ausfindig zu machen, sind ein Hinweis darauf, mit welchen Vorbehalten solchen Äußerungen zu begegnen ist. Trotz penibelster Checks an den Stadteingängen ist es kaum möglich, aus den normalen Rückkehrern solche herauszusondern, die bereit sind, mit Waffen gegen amerikanische und irakische Sicherheitskräfte vorzugehen.
Von einer Übernahme durch Widerstandskämpfer scheint die Stadt dennoch weit entfernt. Amerikanische Truppen patrouillieren dort bislang mit einer sonst nicht üblichen Sicherheit, meldet die Los Angeles Times; auch die schottische Zeitung The Scotsman berichtet nur von "low-level fighting" als einzigem Indiz für die Rückkehr der Widerständler.
Doch als harmlos ist die Situation in Falludscha nicht so leicht abzutun; jeden Tag würden ein bis zwei Leute an den Check-Points getötet, sagen irakische Soldaten. Bestätigt wird dies von Ärzten des zentralen Krankenhauses der Stadt (das im November von den Amerikanern als erstes eingenommen wurde, weil es als Quelle antiamerikanischer "Propaganda" galt.) Für Schlagzeilen sorgte eine Autobombe, die Ende Juni sechs amerikanische Soldaten - darunter vier Frauen - getötet hatte. Irakische Polizei-Stationen werden immer wieder von Angriffen heimgesucht und Politiker sind in der Stadt Morddrohungen ausgesetzt. Vier Mitglieder des Stadtrates sollen aufgrund dieser Drohungen von ihrem Posten fernbleiben.
Sollte sich die Lage in Falludscha wieder verschärfen, hätte dies aufgrund der großen Kampagne im letzten Herbst symbolische Wirkung. Was in Falludscha geschieht, ist sowohl für die irakische Regierung wie für die US geführte Koalition von einiger Bedeutung: "Falludscha ist mehr als der Name einer Stadt. Falludscha ist der Inbegriff eines Krieges", schrieb "Die Zeit" vor kurzem. Wie keine andere irakische Stadt sonst steht sie für den Erfolg wie den Misserfolg des Krieges.