Aleppo: Der parfümierte Tod

"Ihre Spucke versüßt das Meer" - wie die Propaganda der "Rebellen" funktioniert, am Beispiel des Rockstars der Dschihadisten al-Muhaysini

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Abdallah al-Muhaysini ist nicht Irgendwer und auf keinen Fall ein harmloser Narr. Sonst könnte man seine Einstimmung auf die Schlacht von Aleppo als Versuch darstellen, in Ernst Corinths wöchentliche Videoschau (Link auf 49046) zu kommen. Die 72 Jungfrauen, die den Märtyrer im Paradies erwarten, sind ja ein Evergreen.

Und wie Scheich al-Muhaysini mit einer sich überschlagenden Stimme den Zuhörern die Verheißung der wartenden Frauen schildert, bekommt seine Ansprache etwas derart grotesk und irrwitzig Übersteigertes, dass man es sofort glauben könnte, wenn sich am Ende herausstellen würde, dass es sich nur um eine Parodie eines Prediger-Schauspielers handelt:

Wenn die Frau eines Märtyrers ins Meer spukt, dann wird es süß. Wenn sie deinen Mund küsst, füllt sie ihn mit Honig. Wenn sie schwitzt, dann erfüllt sie das Paradies mit dem Duft ihres Parfüms. Was kann man da wohl erst über ihre Umarmungen sagen…

Abdallah al-Muhaysini verspricht das Paradies.

Doch ist es dem Mann bitterernst und es geht um eine Katastrophe. Seine Rede handelt vom Beginn der großen "Razzia in Aleppo" (das Wort Razzia stammt aus dem Arabischen und bezeichnet Kriegszüge). Scheich Abdallah al-Muhaysini ruft Gefolgsleute auf, die bereit sind, in Aleppo ihr Leben zu opfern, "um am nächsten Tag Mohammed und seine Gefährten zu treffen", im Paradies. "Männer des Monotheismus, der Angriff auf Aleppo hat begonnen", sagt er, "im Namen Allahs wir brechen auf.

Im Namen Allahs, unsere Körper werden in Stücke zerteilt.

Bemerkenswert ist die Funktion und der Hintergrund des Mannes. Er sei eine "Schlüsselfigur der islamistischen Aufständischen in Syrien", beschreibt ihn im Oktober 2015 ein Terrorismus-Experte auf dem Blog Syria Comment. Seit 2013 sei der Mann, der aus Saudi-Arabien kommt und an der Universität in Riad einen PhD-Studiengang in islamischer Rechtsprechung abschloss, auf den Kampffeldern in Nord-Syrien zugange.

Der große Richter

Er verfügt über beste Verbindungen zu Jabat al-Nusra und zur Turkistan Islamic Party (TIP). Bei der Allianz Jaish al-Fatah hält er den Titel eines General Judge, eines Richters also mit größeren Aufgabenbereich und einer höheren Stellung. Das ist insofern interessant, als sich sämtliche Milizen, die in Aleppo gegen die syrische Regierung und ihren Verbündeten Russland kämpfen, der Scharia-Gerichtsbarkeit unterworfen haben (vgl. Aleppo: Der syrische Dschihad und der Etikettenschwindel).

Man kann davon ausgehen, dass Persönlichkeiten wie Scheich al-Muhaysini ein gewichtiges Wort bei der Rechtsprechung mitzusprechen haben. Unterlegt wird das durch seine Stellung bei den Milizen, die den maßgeblichen Kern der beiden großen Allianzen in Aleppo ausmachen, Jaish al-Fatah und Jaish Halab. Die Kern-Milizen der beiden Allianzen sind bekannt: die al-Nusra-Front bei Jaish al-Fatah und Ahrar al-Sham bei der Jaish Halab.

Beide Allianzen sind miteinander liiert und haben nicht nur ideologisch, sondern auch über die Vita ihrer Mitglieder einen starken Bezug zum Dschihad. Daran ist nichts zu beschönigen, wie dies etwa in Berichten geschieht, die "Islamisten" zu Hoffnungsträgern in Aleppo erklären (Berichterstattung: Die "Wahrheit über Aleppo").

Scheich al-Muhaysini spielt eine wichtige Rolle bei der Rekrutierung, Missionierung, bei der "geistlichen Betreuung", sprich für die ideologische Arbeit bei der al-Nusra Front.

Hass auf Schiiten

Dass 65 Soldaten der syrischen Armee niedergeschlachtet wurden, weil sie Schiiten sind, ging auf sein Konto, so der Hintergrundbericht von Syria Comment.

Laut dem US-Magazin Long War Journal gab al-Muhaysini schon viele Zeichen für seinen Hass auf Schiiten. Der Einschätzung des Magazins, das die Dschihadszene seit vielen Jahren beobachtet, dürfte er zur oberen Hierarchie al-Qaidas gehören. Im Bericht des US-Magazins zeigt sich auch, dass das Netzwerk um al-Nusra von einiger Größe ist, was bedeutet, dass der Einfluss von Scheich al-Muhaysini nicht unbedeutend sein dürfte.

Was sich auch daran zeigte, dass al-Muhaysini 2014 prominent versuchte, im Streit der Dschihadisten-Milizen, woraus die Trennung zwischen dem IS und Aal-Nusra folgte, zu vermitteln.

Als Propagandist für den Dschihad hat Abdallah Muhammad al Muhaysini eine derartige Wirkung unter den jungen Rekruten erzielt, dass er einen Rockstar-Nimbus erlangt habe.