Aleppo: Ein Krieg, der sich nicht aussperren lässt

Seite 2: Empathie ohne ästhetische Position

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Van Leeuw erzählt das alles nicht mit der didaktischen Unnachgiebigkeit und Sorgfalt, die Kammerspielen, die sich um moralische Dilemmata drehen - man denke an diverse Beispiele aus Michael Hanekes Oeuvre - oft innewohnt. Es liegt nicht im Interesse des Films diese Dilemmata zu analysieren. Van Leeuw sieht sie, der Situation entsprechend, als gegeben an. Für die, die der Krieg gefangen hält gibt es keine "gute" oder "richtige" Entscheidung mehr. Es gibt nur noch ein Überleben, für das die Figuren im Laufe des Films einen hohen Preis zahlen müssen.

Bild: © Weltkino Filmverleih

Die Kamera gibt sich dabei als stummer Beobachter. Sie späht mit den Figuren durch einen Spalt in die Wohnungszimmer, schaut ängstlich durch den Türspion oder verharrt nach einem Granateneinschlag auf dem Boden der Küche. "Innen Leben" behält stets ein empathischen Gestus. Selbst dann, wenn er die Gräuel abbildet, die sich unerbittlich ihren Weg in das Heim der Familie bahnen werden, versucht der Film nie den Zuschauer in eine aktive Position zu setzen, ihn mit einem Fingerzeig zu belehren oder direkt zu provozieren. Der modus operandi ist stets die Immersion.

Das macht "Innen Leben" zu einem Film, der unnötige Didaktik und moralisierende Rhetorik zu vermeiden weiß und stattdessen auf ein empathisches Unwohlsein setzt. Problematisch dabei ist, dass es dem Film eben nicht gelingt, dieses Gefühl genauer lokalisieren zu können. Nie werden konkrete Bezugspunkte hergestellt, die den Leidensweg der Familie im syrischen Bürgerkrieg verorten. Van Leeuw hält seine Perspektive universell, verzichtet dabei aber auf eine klare, ausgeprägte Gestaltungsposition.

Vieles von dem, was der Film zeigt, hat man eben schon zu oft im Kino erlebt. Die Affektbilder bleiben beliebig und wirken letztlich austauschbar. "Innen Leben" schafft es nicht einen konkreten, ästhetischen Bezug zu eben dem Konflikt zu entwickeln, den der Film abzubilden versucht. So nah Van Leeuw den Opfern auch kommen mag, der Syrienkrieg bleibt in weiter Ferne.