Aleppo: Ein Krieg, der sich nicht aussperren lässt

Bild: © Weltkino Filmverleih

Philippe Van Leeuws "Innen Leben" erzählt von einer Familie im syrischen Bürgerkrieg

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Oum Yazan und ihre Familie sind eingeschlossen. Ein Türriegel und zwei große Holzbalken verbarrikadieren die Wohnungstür. Draußen tobt der syrische Bürgerkrieg. Damit ist die Erzählwelt des Films, die zeitlich genau einen Tag im Leben der Familie absteckt, im Grunde schon beschrieben.

"Innen Leben" ist also ein Kammerspiel, in dem eine Familie versucht die Außenwelt auszusperren. In der aktuellen Kinolandschaft bildet der Film damit einen interessanten Kontrapunkt zu anderen Vertreter seiner Art. Während Filme wie Oren Movermans "The Dinner" oder Sally Potters "The Party" - die ihre Weltpremieren ebenfalls auf der diesjährigen Berlinale feierten - bezeugen, wie die Eliten einer Gesellschaft keinen Anschluss zum "Draußen" finden, erzählt "Innen Leben" von einem Draußen, das auf schmerzvolle Weise nach Innen dringt. Der Krieg lässt sich nicht aussperren. Er zieht er in den Alltag ein oder in das, was von ihm geblieben ist.

Ein Krieg, der sich nicht aussperren lässt (10 Bilder)

Bild: © Weltkino Filmverleih

Der Film erzählt das auf der Tonspur. Zunächst noch in der Ferne knattern Sturmgewehre, donnert und grollt die Artillerie, während in den Straßen Sirenen das dunkle Klopfen der Helikopterrotoren überlagern. Das Echo des Krieges, das zunächst nur als verstörendes Grundrauschen des Alltags zu hören ist, dient Regisseur Philippe Van Leeuw auch immer wieder als dramaturgisches Mittel. Nahe Bombeneinschläge drohen den Rest dessen einzureißen, was Mutter und Familienoberhaupt Oum Yazan (fantastisch gespielt von Hiam Abbass) noch unter gewaltigen Anstrengungen als Alltag für ihre Familie inszeniert.

Eben dieser Alltag ist die letzte Verteidigungslinie der Familie. Solange der kleine Yazan noch von seinem Großvater unterrichtet wird, die jungen Schwestern noch streiten und die Haushälterin noch mit einem Putzauftrag beschäftigt werden kann, scheint es noch eine Idee von Hoffnung zu geben. Bis der Putz ein weiteres Mal von der Decke rieselt und die familiäre Normalität als eine Farce entlarvt, ein verzweifeltes Klammern an Rituale, die zu überspielen versuchen, dass der Krieg bereits in die Wohnung eingedrungen ist.