Alle haben Angst vor Donald J. Trump

USA: Den Demokraten wird bei der nächsten Wahl nicht viel zugetraut. Sogar die deutsche Stiftung für Wissenschaft und Politik malt den Teufel an die Wand

Die "Honeymoon-Phase" der Biden Administration ist definitiv vorbei und es sieht gegenwärtig nicht so aus, als würde weder Joe Biden noch Kamala Harris unbeschadet aus dieser Amtszeit hervorgehen. Dennoch scheint Biden darauf erpicht, sich noch ein weiteres Mal zur Wahl zu stellen, aber auch Donald Trump ist einer Revanche nicht abgeneigt.

Die beiden hochbetagten Herren wirken erst einmal nicht als die logischen Kandidaten für 2024. Aber würde die Demokratische Partei überhaupt zulassen, dass Präsident Biden von einem Parteigenossen herausgefordert wird?

Abgesehen von Bernie Sanders stellt sich ohnehin kaum einer gegen den Willen des Parteiestablishments. Auf der anderen "side of the aisle" sieht es nicht anders aus, kein moderater Republikaner könnte sich gegen Trump und seine Basis durchsetzen. Nicht nachdem man über Jahre hinweg Ressentiments und Verschwörungstheorien befeuert hat. Auch dürften Trump-ähnliche Kandidatinnen und Kandidaten Mühe haben, sich gegen "the Donald" durchzusetzen, da die Wähler dazu tendieren, sich für das Original zu entscheiden. Kurzum, wenn Trump die Kandidatur möchte, wird er sie auch bekommen.

Über den Ausgang der Wahl selbst lassen sich dann schon schwerer Voraussagen treffen, aber Biden kann nicht noch einmal mit einer solch bedingungslosen Unterstützung gegen Trump rechnen - und er bräuchte einen klaren Sieg. Nachdem Bernie Sanders so übel vom Parteiestablishment mitgespielt wurde, kann die Demokratische Partei wohl kaum auf die eigentliche "Linke" setzen. Erst recht nicht, wenn keine Vorwahlen mit einer linken Kandidatin oder Kandidaten stattfinden.

Die bisherige Unfähigkeit der Regierung und der Demokratischen Partei, den Republikanern in ihrem Bestreben der Einschränkung von Wahlrechten Einhalt zu gebieten, könnte Joe Biden definitiv zum Problem werden. Nicht nur, weil aller Wahrscheinlichkeit nach weniger "nicht-weiße Menschen" wählen können werden, sondern schlicht wegen der berechtigten Frustration der "Grass root"-Organisatoren, die es satthaben, vom Präsidenten zu hören, sie sollen die neuen Beschränkungen einfach "outorganizen", also durch bessere politische Organisation umschiffen.

Was hat sich denn unter Biden Wesentliches geändert?

Außerdem dürfte vielen Amerikanern aufgefallen sein, dass sich außer dem äußeren Anschein relativ wenig geändert hat, ob nun an Grenze, in Sachen Covid-Politik, Gesundheitspolitik oder durch Bidens versprochenen Finanzspritze in Infrastruktur und erneuerbare Energien.

Die Chancen und Umfragewerte stehen also nicht schlecht, dass Donald J. Trump noch einmal Präsident spielen darf, und wenn die letzte Amtszeit Trumps ein Indiz für seine nächste ist, werden die Demokraten ihren Widerstand weitgehend auf Hashtags beschränken.

Zukunfts-Szenario: Trump-Präsidentschaft ohne demokratische Mehrheit

Kein Wunder also, dass auch in Deutschland so mancher das Ende der US-amerikanischen-Demokratie schon in greifbarer Nähe wähnt. Beim Think-Tank Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin malen sich einige Autoren bereits eine niemals endende Trump-Präsidentschaft ohne demokratische Mehrheit aus.

Sie beschreiben ganz richtig, wie das demokratische System durch Rechte der Bundesstaaten, das Wahlleutesystem, die im Grund illegitime Wahl Bush Jr. im Jahr 2000 und einen fast ausschließlichen konservativen Supreme Court zersetzt wurde.

All diese Demokratie zersetzenden Kräfte führen dann im Zukunfts-Szenario der Think-Tanker dazu, dass Trump, nachdem er 2024 gewählt worden ist, mithilfe linientreuer Republikanern am Verfassungsgericht den 22. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten abschafft, um das gesetzlich vorgegebene Maximum von zwei Amtszeiten überschreiten zu können.

Die Prämissen in "Foresight*: »Trump 2024« – und 2028 ff.?" unterstellen der Republikanischen Partei absolut antidemokratische Vorhaben. Das ungefähre Ziel ist wahrscheinlich eine Art "Ethnostaat", in dem der Großteil der Bevölkerung von einer reichen weißen Minderheit, mit Rückendeckung einiger fanatisch und gewaltbereiter Unterstützer, regiert wird.

Die Autoren nehmen an, dass Kamala Harris 2024 gegen Trump verliert, aber nicht bevor es den Republikanern 2022 im Zuge der "Zwischenwahlen" gelingt, einen Mehrheitsanteil im Parlament zu erobern. Als Grund dafür führen die Verfasser nicht nur die zuvor beschrieben antidemokratischen Maßnahmen republikanischer Gesetzgeber an, sondern behaupten auch, dass "Teilen der wohlhabenden Wähler:innen in den Vorstädten, die 2020 für Joe Biden gestimmt haben, die progressiven Reformvorhaben der Demokraten zu weit gehen".

Hierbei sollte in Betracht gezogen werden, dass offensichtlich Demokraten öffentlich nicht gewillt sind, irgendwelche progressiven Reformvorhaben umzusetzen. Vielleicht beruhigen sich die weißen Vororte. Oder aber sie hören auf Angst basierende Fox-News-Propaganda.

Der Schlüssel zu einer weniger dystopischen Zukunft

So oder so läge der Schlüssel zu einer weniger dystopischen Zukunft wohl eher darin, ein Programm aufzulegen, das Menschen begeistert, die bisher komplett entfremdet vom politischen System leben und die zu den ca. 35 Prozent gehören, die trotz historisch hoher Wahlbeteiligung 2020 nicht gewählt haben.

Das verspricht mehr als Erfolg, als Trump Wähler dadurch abspenstig zu machen, indem man verspricht rein gar nichts zu ändern, wie dies Joe Biden seit 2020 praktiziert.

Auch unterstellt das Szenario für den "ewigen Trump", dass dieser noch einmal Präsident werden möchte und dies dann auf Lebenszeit. Dem Ex-Präsidenten könnte man Charisma attestieren; dass er eine devote, ihm treu ergeben Gruppe an Wählerinnen und Wählern hat, die kein Problem mit ihm als letzten Präsidenten der USA hätten, ist offensichtlich. Aber es gibt einiges, was gegen die Modellierung der Herrschaft eines "endless Trump" spricht.

Der Mann ist keineswegs ein Nixon, der in der Präsidentschaft seine Bestimmung sah und seine Gegner rigoros verfolgte. Trumps Wille zur Macht geht anscheinend nicht viel nicht weiter als zur Befriedigung des unbedingten Bedürfnisses, hin und wieder vor einer ihm treu ergebenen Menge auftreten zu dürfen, und direkten Kontakt zu seinen Lieblingsmedia-Personen zu pflegen.

Auch ist er kein Kennedy oder Bush, der in seinen Kindern logische Nachfolger für das "Oval Office" sieht. Natürlich ist Trump Nepotismus keineswegs fremd und seine direkte Familie übernahm wichtige Rollen in seine Administration, doch war die Personalie Kushner mehr ein Mittel zum Zweck, als dass sein Schwiegersohn als potenzieller Nachfolger aufgebaut wurde; auch bei Trumps Söhnen gab es keine Anzeichen für derartige Pläne. Eine antidemokratische Trump-Dynastie im Weißen Haus - wie im Roman "The Fuck It List" von John Niven beschrieben - ist also eher unwahrscheinlich.

Ein andauerndes Regime der Republikaner?

Zudem stellt sich die Frage, warum gerade die Abschaffung einer zeitlich begrenzten Amtszeit für US-Präsidenten der letzte Nagel im Sarg der US-amerikanischen Demokratie sein soll. In unserer "perfekten" Demokratie in Deutschland existiert diese ja auch nicht. Wahrscheinlich gehen die Autoren ganz richtig davon aus, dass die Republikanische Partei trotz aller Absicherungen im Grunde nicht auf den Personenkult um Trump verzichten kann.

Auch gibt es bisher keinen Nachfolger, der die Wählerschaft auf gleiche Art und Weise begeistert. Ein andauerndes Republikanisches Regime wäre also von einer unendlichen Trump-Präsidentschaft abhängig. Diese wiederum existiert nur so lange, wie die Gegenseite kein Interesse hat, der republikanischen Agenda etwas entgegenzusetzen und die stattdessen aus Angst vor tatsächlichem sozioökonomischen Wandel heraus die Mitglieder des eigenen linken Flügels als Populisten verdammt.

Gemäßigte Liberale in den USA laufen immer in Gefahr, sich vor einem Ende der Demokratie zu fürchten, dabei sollten sie sich eingestehen, dass der demokratische Prozess schon längst unterwandert ist. Als Reaktion darauf schreiben Autoren wie John Niven Romane über radikalen bewaffneten Widerstand gegen ein autoritäres Regime unter Trump und Familie. Solche Fantasien basieren auf der Theorie, es gebe noch so etwas wie "Checks and Balances" im System und letzte Grenzen, deren Überschreitung die Mehrheit anständiger freiheitsliebender Amerikanerinnen und Amerikanern nicht widerstandslos hinnehmen würde.

Befeuert wird dieser Irrglaube durch die U.S-Medien. Man erinnere sich nur an Trumps Präsidentschaft, als jeder neue Skandal, jeder Akt der offenen Korruption, von den liberalen Medien präsentiert wurde, als würde entweder das FBI den Präsidenten bald verhaften oder die Republikanische Partei sich so sehr schämen, dass sie einer Amtsenthebung zustimmen würde.

Stattdessen verabschiedete diese eine historisch hohe Steuersenkung für Superreiche, die sich selbst bei einigen konservativen Wählern als so unbeliebt erwies, dass der damalige "Speaker of the House" und Trump "Kritiker" Paul Ryan vorsorglich beschloss, sich lieber kein weiteres Mal zur Wahl zu stellen. Ryan ließ allerdings im gleichen Atemzug verlauten "die Steuersenkung sei die Trump-Präsidentschaft wert gewesen".

Man vergleiche ein solches Verhalten mit dem des demokratischen Senators Joe Manchin, der angeblich die Reformen seines eigenen Präsidenten aufhält, weil dieser gemein zu ihm gewesen sei. Oder aber, weil er sich gewissen Wirtschaftszweigen eventuell eher verpflichtet fühlt als seiner Partei, seinem Präsidenten, geschweige denn seinen Wähler.

Die ängstlichen Demokraten - der Unterschied zu den Republikanern

Dieser Vergleich zeigt das tatsächliche Problem. Die Republikanischen Partei und die von ihnen vertretenen Interessengruppen haben klare politische Ziele und sind bereit, diese mit allen Mitteln umzusetzen, zu einem gewissen Grad auch gegen den Willen der eigenen Wähler - egal, wie viel Schaden demokratische Institutionen dabei nehmen.

Auf der anderen Seite stehen die Demokraten zitternd vor Angst, weil sie während und nach Obamas Amtszeit insgeheim davon ausgegangen waren, dass es nach Bush Jr. nie wieder einen republikanischen Präsidenten geben wird. Und hieraus ergibt sich das Selbstverständnis der Demokratischen Partei in der Post-Obama-Gegenwart. Man könnte es so formulieren: Es gibt weder den Plan noch das Interesse, tatsächlich politische Ziele zu verfolgen.

Eher sieht sich das Establishment der Demokratischen Partei als Unterhändler zwischen Wählern, Republikanern und Wirtschaftsinteressen, als eine Art Elite in der Mitte der Gesellschaft. So hält man moderaten Republikanern immer eine Hintertür offen, ja freut sich über die leiseste Kritik an Trump, und das auf Kosten des eigenen linken Flügels.

Diese Rolle basiert auf dem Glauben eines liberalen allgemeingültigen amerikanischen Verständnisses von Demokratie und geteilter Ehrfurcht vor ihren Institutionen. Die Republikaner haben längst erkannt, dass ihr Überleben von der Unterwanderung und Auflösung eben dieser Institutionen abhängig ist. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Demokraten dies erkennen und anfangen, für die Demokratie zu streiten, wenn auch nicht für Ihre Wähler, dann vielleicht wenigstens aus Selbsterhaltungstrieb.