Demos gegen Rechts – Unternehmensberater: Chefs sollen sich raushalten

Fabrik mit Beflaggung gegen Rechts

Chefs sprechen sich gegen AfD-Mitglieder im Betrieb aus. Berater warnt: Das könnte Beschäftigte verärgern. Müssen sich Unternehmen heraushalten?

Eine selten offen geführte Diskussion der Unternehmensbosse nimmt wieder Fahrt auf. Bertelsmann-Chef Rabe fordert AfD-Unterstützer direkt zum Verlassen des Betriebs auf, Unternehmensgründer Reinhold Würth rät Beschäftigten vom AfD-Wählen ab.

Unternehmensbosse und ihre politische Positionierung

Doch eine politische Positionierung des Managements könne schädlich sein, meint Unternehmensberater Nicolas Scheidtweiler. Es bestehe die Gefahr, dass Unternehmen die Erwartungen der Belegschaft aus dem Blick verlieren und potentielle Bewerber absagen.

Anfang des Jahres forderten Wirtschaftswissenschaftler Unternehmen auf, sich klar zu positionieren. Angesichts der bundeweiten Anti-Rechts-Demos appellierte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW):

Die Vorstände in den Unternehmen müssen jetzt Farbe bekennen gegen rechts und ihren Beschäftigten vor Augen halten: Eure Jobs sind in Gefahr, wenn die AfD sich durchsetzt. In einigen Unternehmen herrscht leider die Attitüde, die Politik müsste das allein richten. Das ist falsch, das müssen wir alle gemeinsam.

Auch Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) warnte vor dem weiteren Erstarken Rechtsradikaler: "Wir brauchen Offenheit statt Abschottung"

Employer Branding: Identifikation zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden

Politische Stellungnahmen von Personalvorständen seien aus Sicht des Employer Branding "grundsätzlich positiv zu betrachten. Im Idealfall steht die Unternehmensführung für eine bestimmte Identität ihres Unternehmens ein", erläutert Nicolas Scheidtweiler, Geschäftsführer der Unternehmensberatung "Employer Branding Now".

Mit Employer Branding soll ein Unternehmen als glaubwürdig und attraktiver positioniert werden, um Arbeitskräfte anwerben zu können. Ziel ist die Entwicklung einer "Arbeitgebermarke", bei der sich Arbeiter und Angestellte dem Unternehmen eng verbunden fühlen, ähnlich der Logik von Markenartikeln. Damit seien Beschäftigte als Bewerber zu gewinnen und eher an das Unternehmen zu binden, so der Ansatz.

Employer Branding könne eine "Identifikation zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden" erzeugen, die mit unterschiedlichen Kennzahlen messbar sei, "insbesondere an der geringen Fluktuations-Rate und den niedrigen Krankenständen", sagt Scheidtweiler.

Politische Vorgaben von Führungskräften: Schädlich für das Firmenklima?

Für die Unternehmenskultur wäre es jedoch schädlich, "wenn Führungskräfte konkrete politische Vorgaben machen und damit einen Teil der Belegschaft vor den Kopf stoßen", warnt der Unternehmensberater:

Aus Sicht eines Arbeitgebers kommt es üblicherweise nicht auf die ethische Einstellung der Mitarbeitenden an, sondern auf funktionale, methodische und soziale Fähigkeiten, um einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren.

Nicolas Scheidtweiler

Bei Suche nach Fachkräften stehen Unternehmen inzwischen unter enormem Druck. "Gemäß Infratest war der AfD-Wähleranteil in den Gruppen der 25- bis 59-Jährigen bei den jüngsten Wahlen in Hessen und Bayern am größten. Mithin verbergen sich in diesen Kohorten dringend benötigte Fach- und Führungskräfte", empfiehlt der Unternehmensberater ein taktisches Verhalten angesichts bundesweiter Aktionen gegen Rechts.

Gesetzliche Vorgaben und Unternehmenspflichten

Die gesetzlichen Vorgaben spielen bei diesen Überlegungen keine Rolle. Dabei sieht das Betriebsverfassungsgesetz in § 75 klare Vorgaben für Unternehmenslenker vor:

Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

Ein Wegschauen ist nicht möglich – deshalb verdeutlicht auch der DGB die Pflichten der Unternehmen. Denn gemäß § 12 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) besteht die Pflicht, erforderliche Maßnahmen gegen Rassismus zu treffen. "Diese Verpflichtung umfasst sowohl eine Reaktion auf bereits erfolgte Diskriminierungen, als auch vorbeugende Maßnahmen", so der DGB.

"Schweigen ist aber keine Lösung", erklärt Eva Stock gegenüber Firmenlenkern. Sie ist Gründungsmitglied der Kampagne #hrespect. Unter dem Motto "Love HR, hate Racism" werden Personalverantwortliche gegen Rassismus und Rechtspopulismus sensibilisiert.

Unternehmensvorstände: Partner im Kampf gegen Rechtsradikale?

Die Hoffnung, in Unternehmensvorständen auf zuverlässige Partner im Kampf gegen Rechtsradikale zu treffen, trübt ein Blick in die Geschichtsbücher. "Am 27. Januar 1932 hielt Adolf Hitler hier seine bekannte Rede, in der er bei führenden Wirtschaftsvertretern für eine Unterstützung seiner Politik warb", erinnert der Förderkreis Industriepfad Düsseldorf e. V.

Die Rede vor dem Düsseldorfer Industrieclub war für Hitler "ein propagandistischer Erfolg und reduzierte die Vorbehalte der Industrie gegenüber den Nationalsozialisten". Denn die versprochene Ausschaltung der Gewerkschaften und Hoffnungen auf hohe Rendite durch Rüstungsausgaben waren ganz im Sinne der Unternehmen.

Historischer Rückblick: Deutsche Industrie und Nationalsozialismus

Der britische Historiker Adam Tooze widmet sich in seinem Buch Ökonomie der Zerstörung. Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus der engen Kooperation von deutscher Industrie und der NSDAP. Tooze berichtet vom geheimen Treffen Hitlers und Görings mit der Spitze des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI) im Februar 1933:

Einmal ganz abgesehen von den Folgen, zählt dieses Treffen vom 20. Februar zu den berüchtigtsten Beispielen für die Bereitschaft des deutschen Großunternehmertums, Hitler bei der Aufstellung seines diktatorischen Regimes beizustehen.

Adam Tooze

Tooze erläutert den deutschen Faschismus von seiner wirtschaftlichen Seite her und beschreibt die zentrale Rolle, die Aufrüstung und Krieg von Anfang an bei der Verwirklichung der Ziele Hitlers zukam.