People Analytics – Gläserne Beschäftigte statt Datenschutz

Frau analysiert Mitarbeiterdaten mit People Analytics Software

Einsatz von People Analytics kann helfen, Personalplanung und Mitarbeiterführung zu optimieren. Das kann aber mit mehr Überwachung einhergehen.

(Bild: Rawpixel.com / Shutterstock.com)

Suche nach guten Angestellten wird durch Software erleichtert. Das geht einher mit verstärkter Überwachung – bis ins Homeoffice. Das sind die Hintergründe.

Die EU-Datenschutz-Grundverordnung wird von der Bundesregierung als Modernisierung des Datenschutzes angesehen. Eine Aufsichtsbehörde kann bei Verstößen "nach Artikel 83 Datenschutz-Grundverordnung Geldbußen von bis zu 20 Millionen € oder 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängen", verkündet das Bundesinnenministerium auf seiner Homepage.

IT-Industrie besorgt über Datenschutz-Regelungen

Vertreter der IT-Industrie sind besorgt, "dass zu rigide Regelungen innovative Geschäftsmodelle im Keim behindern und durch die Grundverordnung die bereits dominierenden US-Konzerne weiter expandieren könnten", so die Bundeszentrale für politische Bildung.

Dem Anspruch, einen hohen Schutz der Persönlichkeitsrechte zu gewährleisten, werden die Regelungen für Beschäftigte jedoch nicht gerecht. Ein neuer Trend macht dies deutlich: Die systematische, auf Algorithmen basierende Analyse von Personaldaten wird als Softwarelösung mit "People Analytics" von verschiedenen Anbietern versprochen. Die Technologie verspricht, Arbeitsabläufe zu verbessern, die Produktion zu steigern oder Kosten zu senken.

People Analytics: Fluch oder Segen für Beschäftigte?

Als Lösung für die Nachfolgeplanung und als Gegenmittel zum Fachkräftemangel beschreibt Marie Kanellopulos, Geschäftsführerin der Personalberatung "Done! Berlin": "In einer zentralen Datenbank werden Informationen zur Demografie, zu Fachkenntnissen, zu Soft Skills, zur Gehaltsstruktur, zur Zufriedenheit, zu Weiterbildungsmaßnahmen und auch zu historischen Entwicklungspfaden eines jeden einzelnen Mitarbeitenden festgehalten".

So können Personalabteilungen mittels Data Analytics geeignete Kandidaten im eigenen Haus finden, die "heute schon in der Lage sind, ad hoc Führungspositionen zu übernehmen". Um dieses interne Recruiting weiter auszubauen, brauche es Instrumente wie People Analytics, so die Beraterin.

Die Schattenseite von People Analytics

Angesichts der technischen Möglichkeiten von People Analytics scheint dies eher ein Nebenprodukt zu sein, wie eine neue Studie eines Forscherteams des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin, der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und des FZI Forschungszentrums Informatik in Karlsruhe zeigt.

Die neuen Technologien können weitreichende Auswirkungen auf die Beschäftigten haben. So kann eine Software zur automatisierten Schichtplanung den Beschäftigten das Gefühl geben, dass ihre Interessen besser berücksichtigt werden als bei einer Planung durch den Meister. Dies setzt allerdings voraus, dass die Kriterien nachvollziehbar sind. In vielen Systemen arbeitet ein Algorithmus, dessen Vorgaben vom Management nicht offengelegt werden.

"Je nachdem, wie die neuen Technologien eingesetzt werden, droht ein Verlust an Autonomie, Kompetenz und sozialer Interaktion", berichtet dazu die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung.

People Analytics und die Ausweitung der Überwachung

Wurden bisher in erster Linie Arbeiter in der Produktion regelmäßig kontrolliert und durch Auswertungen überwacht, so werden die Möglichkeiten auf typische Angestelltentätigkeiten ausgeweitet. Dies kann die Arbeit am Telefon betreffen.

Der Geschäftsprozess beginnt mit der Kundenanfrage und reicht bis zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit. Gemessen werden z. B. Bearbeitungsdauer, Gesprächsdauer, Wartezeit oder Antwortzeit. Auf dieser Basis werden die Prozesse kontinuierlich gemessen, standardisiert und die Mitarbeiter über Zeitvorgaben gesteuert.

Mithilfe von Software sollen das Arbeitsaufkommen und das Kundenverhalten prognostiziert und stundengenaue Vorgaben des Arbeitsvolumens ermittelt werden, um Personalkapazitäten und die Verteilung der Arbeitszeiten bis hin zur Lage der Pausen vorgeben zu können.

Die Kontrolle reicht bis ins Homeoffice

Aus Vergangenheitsdaten wie Aufträgen, zu produzierenden Stückzahlen, Kassentransaktionen, prognostizierten Planumsätzen, Telefongesprächen oder Kundenfrequenzmessungen entsteht eine Prognose für die Personaleinsatzplanung, heute "Forecast" genannt. Die Folge sind standardisierte Prozesse, d. h. die konkrete Vorgabe von Arbeitsschritten für Bildschirmarbeitsplätze.

Quantifizierung und Leistungsmessung im Betrieb führen nach Ansicht des Forscherteams zu Konkurrenzdenken und weniger kollegialem Verhalten in der Belegschaft.

In der Regel ermöglichen die Systeme ein "Monitoring" – ein Begriff, der nach einem kurzen Blick des Vorgesetzten auf einen Monitor klingt. In der Praxis führt dies jedoch zu einer jederzeitigen Kontrolle der Arbeitsergebnisse.

Der Vorgesetzte kann per Sofortauswertung sehen, wie viele Anträge oder Kundentelefonate der Mitarbeiter bereits erledigt hat und ihn mit den Zahlen konfrontieren, um schnellere Leistungen einzufordern. Durch die Vernetzung greift die Kontrolle auch im Homeoffice. Das sind massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte.

Bundesländer planen Abschaffung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten

Einen Schritt wollen die Bundesländer bereits gehen. Der Innenausschuss des Bundesrates will die Pflicht für Unternehmen abschaffen, einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Paragraf 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) soll gestrichen werden, weil er diese Pflicht für Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten abschafft. Die Begründung für die Abschaffung dieses Mitarbeiterschutzes: Kleine und mittlere Unternehmen sollen nicht mit bürokratischem Aufwand überlastet werden.

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