Alles streng geheim

Seite 2: Geheimhaltung statt Verbraucherinformation

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Jährlich veröffentlicht das BvL seine Berichte zur Lebensmittelsicherheit. Von einer umfassenden Kontrolle kann selbst nach diesen – vermutlich geschönten - Berichten keine Rede sein. So wurden von insgesamt 1.187.335 Betrieben nur gut die Hälfte, nämlich 562.047 Betriebe kontrolliert. Es fanden 1.005.110 Kontrollbesuche statt – es wurden also manche Betriebe mehrfach kontrolliert, andere gar nicht.

Insgesamt meldeten die Kontrolleure 128.911 Verstöße, von denen sich 101.262 auf allgemeine Hygienevorschriften bezogen. Von den 186.221 Erzeugerbetrieben (Urproduktion) wurden lediglich 16.445 Betriebe kontrolliert, bei den 23.636 Kontrollen wurden 1,549 Verstöße festgestellt. Von 368.236 Einzelhändlern wurden 192.952 kontrolliert und bei den 342.366 Kontrollen wurden 35.324 Verstöße gemeldet. Von den Verstößen bezogen sich 24.602 Meldungen auf allgemeine Hygienevorschriften (Gesamtstatistik).

Dem Bericht für 2006 war zu entnehmen, dass beispielsweise in Eichblattsalat und Lollo rosso/bianco die Rückstände von 35 bzw. 38 Pflanzenschutz-Wirkstoffen gefunden wurden. Im Vergleich zu den früheren Untersuchungen "sind die Anteile der Proben mit positiven Befunden im Jahr 2006 höher". Allerdings, so beruhigt der Bericht, seien "Anteile mit Höchstmengenüberschreitungen zurückgegangen". Woher der Salat mit diesen "Höchstmengenüberschreitungen" stammt, erfährt der Leser nicht. Was sollte er auch mit einer solchen Information – ein Jahr nach dem möglichen Verzehr anfangen? Der Bericht für 2006 wurde im Jahr 2007 veröffentlicht.

Zu erfahren ist auch Erfreuliches, nämlich dass "in Komplettmahlzeiten für Säuglinge und Kleinkinder nur sehr geringe Konzentrationen von Dioxinen und dioxinähnlichen PCB gefunden wurden." Nicht so gut scheint es um den in Deutschland so beliebten Räucheraal bestellt zu sein. 55 Proben Räucheraal wurden auf das Vorkommen von 28 persistenten (langlebigen) Organchlorverbindungen (einschließlich PCB-Kongerene) untersucht: "Fast alle Proben (90%) Räucheraal enthielten Mehrfachrückstände, wobei in 21 Proben mehr als neun Stoffe identifiziert wurden. Das Maximum lag bei 20 Stoffen in einer Probe." In mehr als der Hälfte der Proben stellten die Kontrolleure krebserregende Polychlorierte Biphenyle (PCB) fest. "Nur in einer Probe (2 %) wurden Konzentrationen für PCB 101, PCB 138, PCB 153 und PCB 180 über den Höchstmengen gefunden." Doch niemand erfährt von Amts wegen, aus welch trüben Gewässern dieser an Schadstoffen so reiche Aal gefischt wurde.

Mehr noch: Auch die Festlegung von Grenzwerten etwa für die Dioxinbelastung bestimmter Lebensmittel durch die EU erfolgt nicht allein nach gesundheitlichen Erfordernissen. Nach Ansicht der Verbraucherrechtsorganisation foodwatch spielen wirtschaftliche Gesichtspunkte dabei eine wichtige Rolle:

Bei der Festlegung von Dioxin-Grenzwerten für Lebensmittel geht es nicht nur darum, wie viel Dioxin der Mensch maximal aufnehmen sollte. Berücksichtigt wird auch, wie viel Dioxin ein Lebensmittel durchschnittlich enthält. Das bedeutet: Ist zum Beispiel Aal in der Regel stark mit Dioxinen belastet, werden die Grenzwerte einfach daran angepasst und höher angesetzt. Der Aal darf zwölf Pikogramm Dioxine und dioxinähnliche PCB pro Gramm enthalten. Läge der Grenzwert niedriger, könnte Aal kaum noch verkauft werden, weil er weniger belastet so gut wie nicht auf dem Markt verfügbar ist.