Als die US-Interventionisten ihre "Rote-Linien"-Politik räumen mussten – und was folgte
Seite 2: Die Ideologie des Glaubwürdigkeitsverlusts
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- Die Ideologie des Glaubwürdigkeitsverlusts
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Die Tatsache, die während der ursprünglichen Debatte über die Bombardierung Syriens im Jahr 2013 wenig Beachtung fand, war, dass die Bombardierung ohne die Genehmigung der Vereinten Nationen illegal gewesen wäre. Die USA und ihre Verbündeten hätten sich nicht selbst verteidigt, indem sie syrische Regierungstruppen angriffen.
Um eine internationale "Norm" aufrechtzuerhalten, beanspruchten die USA und ihre Verbündeten das Recht, eines der wichtigsten Verbote des Völkerrechts mit Füßen zu treten. Für die Befürworter der Intervention war es wichtiger, die sogenannte Glaubwürdigkeit der USA zu wahren, als die UN-Charta zu respektieren.
Die Debatte über die "rote Linie" war nützlich, um zu zeigen, wie die Verfechter der "regelbasierten Ordnung" das Völkerrecht verachten, wenn es ihnen in die Quere kommt.
Ein großer Teil der Argumente für eine Intervention bestand in der Fixierung auf die Bedeutung militärischer Maßnahmen, um die Glaubwürdigkeit der USA in den Augen von Gegnern und Verbündeten gleichermaßen zu erhalten. Wenn die USA ihre Drohung, die syrische Regierung anzugreifen, nicht umsetzen, würde das Verbündete und Partner entmutigen und die Gegner dazu veranlassen, aggressiver zu werden, so diese engstirnige Sichtweise.
Es spielt dabei keine Rolle, dass diese Sicht auf die Funktionsweise von "Glaubwürdigkeit" leicht zu widerlegen ist. Gegner beurteilen die Glaubwürdigkeit von Drohungen und Versprechungen anhand der Interessen, die für die USA auf dem Spiel stehen
Sie prüfen dabei die Fähigkeiten, die das Land zur Verteidigung dieser Interessen einsetzen könnte. Sie richten sich nicht danach, ob die USA immer auf Gewalt zurückgreifen, um Drohungen zu untermauern.
Niemand kann ernsthaft glauben, dass die Verlässlichkeit der US-Vertragsverpflichtungen von der Bombardierung eines Landes abhängt, das nicht mit den USA in Verbindung steht und eine halbe Welt entfernt ist. Aber das ist es, was uns die Hardliner bezüglich Glaubwürdigkeit weismachen wollen und müssen.
Der Vorteil des Glaubwürdigkeitsarguments der Außenpolitik-Falken besteht darin, dass es von der Tatsache ablenkt, dass für die USA an dem betreffenden Ort keine lebenswichtigen Interessen auf dem Spiel stehen. Die Interventionisten berufen sich auf die Glaubwürdigkeit, wenn sie wissen, dass die Argumente für eine militärische Aktion in der Sache besonders schwach sind.
Dann versucht man, den militärischen Eingriff in eine Debatte über die Rolle der USA in der Welt zu verwandeln. Sie nutzen den Appell an die Glaubwürdigkeit gerne als Allzwecklizenz zum Töten.
Im Jahr 2013 hat das nicht funktioniert. Die Öffentlichkeit und der Kongress ließen sich nicht dazu verleiten, unnötige Militäraktionen zu unterstützen. Nachdem das US-amerikanische Volk mit einem klaren Nein geantwortet hat, haben die Interventionisten gelernt, nicht erst um Erlaubnis zu fragen.
Das Argument der Glaubwürdigkeit machte vor zehn Jahren keinen Sinn. Es hat sich mit der Zeit nicht verbessert.
Trotz einiger verzweifelter Behauptungen, die russische Invasion in die Ukraine sei irgendwie darauf zurückzuführen, dass die USA in einem anderen Teil der Welt keine militärischen Maßnahmen ergriffen haben, ist in den Jahren nach der Debatte von 2013 nichts geschehen, was die Behauptungen der Glaubwürdigkeitsfanatiker stützt.
Die USA haben sich gegen Luftangriffe auf Syrien entschieden. Das hat zu keinem der von den Hardlinern heraufbeschworenen Katastrophenszenarien geführt.
Kein Verbündeter verlor den Glauben an die Versprechen der USA, kein Gegner zweifelte an der Bereitschaft der USA, ihre realen Verpflichtungen einzuhalten. Im Nachhinein können wir beobachten, wie falsch die Falken vor zehn Jahren lagen.
Daran sollten wir uns erinnern, wenn sie das nächste Mal darauf bestehen, dass unsere Regierung willkürlich Menschen töten muss, um Amerikas Ruf in Bezug auf die Anwendung von Gewalt aufrechtzuerhalten.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.