Am Sonntag will der staatenlose Sakaschvili die Grenze zur Ukraine überqueren
Der ehemalige georgische Präsident war von Poroschenko zum Gouverneur ernannt worden, bis er in Ungnade fiel und ausgebürgert wurde
Der ukrainisch-polnische Grenzübergang Korczowa-Krakowjez ist diese Woche mit Extra-Rollen Stacheldraht abgesichert worden - schließlich soll dort am Sonntag der Albtraum des ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko in Form von Michail Saakaschwili Gestalt annehmen. Der ehemalige Staatspräsident Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Verwaltungsbezirk versucht dann, die Grenze überqueren. Er gilt offiziell als staatenlos - so stellte er sich auch auf der Pressekonferenz in Warschau am Sonntag vor.
"Poroschenko hat die Enthebung meiner Staatsangehörigkeit in fünf Minuten durchgesetzt", so der selbstbewusste Politiker, dessen laute Stimme das Mikrofon nicht brauchte. Er werde in der Ukraine seine Staatsangehörigkeit vor Gericht zurück klagen. "Der Fürst hat es gegeben, der Fürst hat es genommen - nein, so geht es nicht!", donnerte er und zeigt seinen ukrainischen Pass.
Saakaschwili wurde von der Ukraine während seines Aufenthalts in den USA ausgebürgert. Offiziell aufgrund von formalen Fehlern bei seiner Einbürgerung. Erst 2015 hatte Poroschenko Saakaschwili eingeladen, in Odessa als Gouverneur Reformen einzuführen. Die Region mit ihrer Nähe zum russisch dominierten Transnistrien und der Hafenanlage gilt als eine der korruptesten der Ukraine. Der Georgier feuerte reihenweise Beamte und ersetzte sie mit jungen Menschen, teils Aktivisten des Majdans.
Allerdings legte sich der sehr temperamentvolle Politiker auch mit den ukrainischen Machthabern an und zwar so, dass der Innenminister Arsen Awakow einmal ein Glas nach ihm schmiss. Ende 2016 schmiss Saakaschwili hin, verglich Poroschenko mit den russischen Oligarchen und gründete eine eigene Partei, die "Bewegung der Neuen Kräfte" (Saakaschwili setzt auf Trump-Rhetorik). Diese Partei gehört auch zu seiner Argumentationslinie, in die Ukraine zurück zu kehren.
In einer Tour durch Europa warb Saakaschwili für sein Comeback und um Verbündete. Zuerst reiste er nach Polen und nahm an den Feierlichkeiten des Warschauer Aufstands teil. Konkretes von seinen Gesprächen erfährt man nicht. Mit dem polnischen Außenminister Witold Waszczykowski habe er "geplaudert". Nach Besuchen in Litauen, Ungarn und im Europaparlament besuchte der 49-Jährige in Genf Filipo Grandi, den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, um seine rechtliche Situation zu klären.
Durch den Gouverneursposten in Odessa verlor Saakaschwili 2015 seine georgische Staatsbürgerschaft. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft erklärte am Donnerstag, dass ihr ein Auslieferungsgesuch vom georgischen Justizministerium vorliege. Dort wird ihm Unterschlagung von Geldern und Machtmissbrauch in seiner Amtszeit von 2004 bis 2013 vorgeworfen.
Aus ukrainischen Quellen erfährt man, dass die Behörden planen, ihm den Pass an der Grenze wegzunehmen. Laut Saakaschwili wären die ukrainischen Grenzbeamten in doppelter Anzahl anwesend, auch auf polnischem Territorium.
Sowohl für Poroschenko, der den polyglotten Politiker aufgrund seiner erfolgreichen Reformen in der ehemaligen Sowjetrepublik abwarb, wie für Saakaschwili ist die Konfrontation am Sonntag riskant.
Ein Zeltcamp mit Mitgliedern der Partei "Bewegung der Neuen Kräfte" wird auf ukrainischer Seite aufgebaut, Saakaschwili trifft sich zuvor mit ukrainischen Politikern, darunter mit der ehemaligen Premierministerin Julia Tymoschenko, nicht näher bezeichnete Europapolitiker sowie ein Pressetross sollen ihn bei seinem Grenzgang begleiten. Es gibt somit einen gewaltigen Rummel und die ukrainische Führung steht als despotisch, der Georgier eventuell als Märtyrer da.
Eine mögliche Abschiebung nach Georgien bezeichnet der ehemalige Präsident des Landes als Komplott der dortigen russlandfreundlichen Regierung in Tiblis und Poroschenko "mit Spuren von Putin". "Meine Entscheidung ist, nicht ängstlich zu sein", erklärt er angesichts der vielen Gegner.
Allerdings kann er wirklich von der Ukraine nach Georgien abgeschoben oder nach Polen zurückgewiesen werden. Dann droht ihm, nachdem sich die Aufregungen gelegt haben, die zunehmende Vergessenheit. Für den kompromisslosen Politiker die Höchststrafe.