Amerikas treuester Verbündeter
China wird wirtschaftlich immer mächtiger und damit auch militärisch. In Taiwan setzt man um so mehr auf die USA als Verbündeten
Teil 1: Taiwan: "An der Frontlinie"
Teil 2: Demokratische Erfolgsgeschichte
Die kleine Ausstellung hat alles, was Militärs begeistert: Raketen, Drohnen, Maschinengewehre, und alles das neuste. In einer virtuellen Gefechtssimulation können Besucher den Einsatz gleich testen. Mit der Panzerfaust aus Plastik erreichen selbst Ungeübte auf Anhieb eine Trefferquote von 61 Prozent. Chung-Hsin Gao ist zufrieden. "Die Verteidigungsfähigkeiten von Taiwan sind der Grund, dass wir hier überleben können", sagt Gao. Er ist der Präsident des National Chung-Shan Institute of Science and Technology (NCSIST) im Nordwesten Taiwans.
In dem Institut werden seit den 1960ern Waffen entwickelt. "Von anderen abhängig zu sein, bringt immer Probleme mit sich", erklärt Chung-Hsin Gao, etwa, wenn es um logistische Unterstützung geht oder ein Systemupgrade. "Im schlimmsten Fall ist das System nicht einsatzbereit. Der Preis ist immer hoch. Wir brauchen billigere Lösungen und müssen unsere eigenen Fähigkeiten entwickeln."
Waffen aus dem Nichts
Also setzte Taiwan auf Eigenentwicklung. Das sei nicht zuletzt deshalb nötig gewesen, erklärt Chung-Hsin Gao, weil es nach dem Ausschluss aus den Vereinten Nationen für Taiwan immer schwieriger geworden sei, Waffen zu kaufen. "Wir mussten das alles selbst aus dem Nichts aufbauen", berichtet er. Die jahrelange Forschungsarbeit habe sich aber ausgezahlt, denn nur Erfahrung mache einen guten Ingenieur: "Man kann jemanden zum Professor oder Forscher ausbilden. Aber es ist schwierig, einen echten Ingenieur zu bekommen."
Taiwan: "An der Frontlinie" (8 Bilder)
Wenn man Chung-Hsin Gao fragt, worauf er denn besonders stolz ist, zögert er nicht lang: Hsiung Feng III. Die Antischiffsrakete ist so eine Eigenentwicklung, in die Ingenieure am NCSIST jahrelange Zeit, Ideen und Experimente investierten mussten. "Es gibt nur zwei Länder, die diese Art Waffe selber bauen können. Das eine ist Russland, das andere sind wir", erzählt er lächelnd. Fünfzehn Jahre lang hätten sie daran gearbeitet, ein funktionsfähiges Triebwerk zu entwickeln.
Bisher produziert das NCSIST nur für das eigene Militär. Exporte seien schwierig, sagt Chung-Hsin Gao, denn mit Rüstungsgütern zu handeln sei eben "ein Geschäft von Regierung zu Regierung". Und da Taiwan diplomatisch von den meisten Ländern der Welt nicht anerkannt wird, fehlt dem Land dieser Verkaufskanal. "Wir brauchen deshalb neue Wege. Daran arbeiten wir. Wir haben angefangen, alle größeren Luftfahrtmessen zu besuchen und haben auch schon Kunden gewonnen, die unsere Waffenuntersysteme oder Produktmodelle kaufen."
Treuer Verbündeter
Die Botschaft im NCSIST ist klar: Taiwan baut Waffensysteme auf höchsten Niveau. Das soll auch eine Nachricht an China sein, das den Inselstaat Taiwan als seine Provinz ansieht: Taiwan ist wehrhaft. Neben der eigenen Waffenindustrie setzt Taiwan vor allem auf das Bündnis mit den Vereinigten Staaten.
Mitte Juni bestimmte deshalb ein Thema die Presse in Taiwan: der Neubau des American Institute in Taiwan. Die Eröffnung des 255 Millionen Dollar teueren AIT-Gebäudes war tagelang Thema auf den Titelseiten. Je mehr Zeit vergehe, desto fester würden die Beziehungen, lobte Präsidentin Tsai Ing-wen. Der Neubau zeige , wie wichtig Taiwan für die USA sei, wurde US-Vertreter Gregg Harper in der "Taipei Times" zitiert.
Kein Wunder: De facto handelt es sich bei dem Institut um die amerikanische Botschaft, die aber nicht sogenannt werden darf. Seine Einrichtung geht auf dem Taiwan Relations Acta des US-Kongresses von 1979 zurück. Darin werden die Beziehungen zu Taiwan neu geregelt, denn auch die USA mussten durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu China den Kontakt zu Taipeh offiziell abbrechen.
Gerade hat der US-Kongress außerdem den Taiwan Travel Acta verabschiedet. Das Gesetz sieht Reiseerleichterungen auf allen Ebenen vor. Das Gesetz sei im Kongress einmütig verabschiedet worden, sagte Gregg Harper bei seinem Besuch in Taiwan. Das passiere nicht so oft und zeige, wie stark sich die USA Taiwan verpflichtet fühlten. "Wir mögen getrennt sein durch einen großen Ozean, aber unsere gemeinsamen Überzeugungen, Werte und Vertrauen bilden die starke Grundlage unserer Zusammenarbeit", sagte Marie Royce vom US-Außenministerium bei der Eröffnungszeremonie des American Institute in Taiwan.
Großes Meinungsspektrum
Darüber, wen die USA zu der Feier schicken, hatte es im Vorfeld diplomatische Verstimmungen gegeben: Laut "Wall Street Journal" hatte China die Trump-Administration abgemahnt, keine hochrangigen Kabinettsmitglieder zu schicken, da Washington keine offiziellen Beziehungen zu Taiwan haben dürfe.
Aber auch in Taiwan gehen die Meinungen über das American Institute in Taiwan auseinander. Bei der Eröffnung gab es mehrere Demonstrationen, die Polizei musste verschiedene Gruppen trennen. Da waren zum einen diejenigen, die für die Unabhängigkeit Taiwans sind. Die rund 600 Demonstranten begrüßten und feierten die Eröffnung des AIT. Das Institut solle zur offiziellen US-Botschaft hochgestuft werden, forderte Tseng Miao-hung von der Taiwan Independence Party.
Allerdings sind nicht alle Befürworter der Unabhängigkeit Taiwans automatisch proamerikanisch. So argumentiert die Taiwan Independence Banner Squadron, dass Tschiang Kai Schek das politische System der Republic of China (ROC) seinerzeit mit Hilfe der USA Taiwan aufgezwungen habe. "Die Taiwanesen haben genug von diesem Unsinn", behauptete ein Mitglied. "Bitte geben Sie diese chinesische ROC-Missgeburt zurück an China", sagte der Aktivist - wohlgemerkt gerichtet an die Adresse der Vereinigten Staaten. Auch prochinesische Proteste gab es. So forderte die Chinese Unity Promotion Party (CUPP) den Abzug des US-Militärs aus Taiwan und von den Ryukyu-Inseln, da dadurch Chinas Zugang zum Pazifik durch Ostchinesische Meer blockiert werde.
Hoffen auf den Indo-Pazifik
Echte politische Bedeutung haben all diese Positionen freilich nicht: Bei den letzten Parlamentswahlen 2016 war die Demokratische Fortschrittspartei von Präsidentin Tsai mit 44,06 Prozent stärkste Partei, gefolgt von der ehemaligen Staatspartei Kuomintang mit 26,91 Prozent und deren Abspaltung Qinmindang mit 6,52 Prozent. Von den erwähnten Kleinstparteien ist etwa die Taiwan Independence Party mit unter 0,5 Prozent noch eine der größeren. Von großen Sympathien auf Taiwan für die Volksrepublik kann keine Rede sein.
Das Problem ist nur: China wird immer mächtiger, ökonomisch, aber in der Folge auch militärisch. Mit dem Projekt One Belt, One Road (OBOR) versucht China, zur See und zu Lande Verbindungen zu den europäischen Märkten zu schaffen. Geht die Rechnung auf, wird China noch erfolgreicher. Damit ändert sich auch die Situation für Taiwan. Vorbei sind die Zeiten, als das große China Entwicklungsland und das kleine Taiwan ein Tigerstaat waren.
"Das reiche China sollte aufhören so zu tun als sei es arm", kommentierte die "Taipei Times". China müsse seinen Markt öffnen und sich an internationale Standards halten. Solche Klagen hört man in Taipeh öfters. China tut dies, China tut das. China betreibe eine "Salami-Taktik", kritisiert der Politische Kommentator Tien Fou in der "Taipei Times". China expandiere und infiltriere andere Länder, um Hegemonie zu erlangen. "Sobald das eingetreten ist, wäre China mühelos in der Lage, den USA entgegenzutreten und Taiwan zu übernehmen", warnte er.
Aber was lässt sich dagegen etwas unternehmen? Chinas Aufstieg basiert auf seinem wirtschaftlichen Erfolg, den kann und will niemand dem Land wegnehmen. Neben der eigenen Rüstungsindustrie, der Allianz mit den USA setzt Taiwan auf ein breites Bündnis gegen China. Zufrieden nahm man zur Kenntnis, dass die chinesische Firma Huawei Technologies den Auftrag verlor, ein Unterseekabel von Australien zu den Solomon-Inseln zu verlegen. Australien und andere Nachbarn hatten gewarnt, das Projekt sei Teil von Pekings softer Diplomatie, um Einfluss zu gewinnen. Australien hilft den Solomon-Inseln jetzt stattdessen. Das Angebot sei auch günstiger, heißt es von Seiten der Regierung in Canberra.
Genau registriert wurde auch, dass Frankreich im Südchinesischen Meer gegen China Präsenz zeigt. Französische Schiffe passierten kürzlich die Spratley-Inseln, die China beansprucht. Präsident Emmanuel Macron hatte einen Monat zuvor in Australien gesagt, der Indo-Pazifik dürfe nicht von einem Hegemon beherrscht werden - ein Hinweis auf Peking, nicht auf Washington.
Auf diesen Indo-Pazifik setzt auch Taiwan. US-Präsident Trump will unter diesem Stichwort eine Koalition gegen China schmieden, mit Indien, Australien, Japan und den USA als Kern. Jüngst schickte Taipeh ein Kriegsschiff, die "Pan Shi", sogar auf Freundschaftsbesuch auf die Marshallinseln. Vorher war das Schiff in Lateinamerika, wo Taiwan neben dem Pazifik noch viele diplomatische Beziehungen. So will Taipeh verhindern, dass von den 18 Ländern, die Taiwan diplomatisch anerkennen, weitere ins Lager von China überlaufen.
Umfragen in Taiwan zeigen, dass die Menschen dort vor allem eins wollen: dass der Status Quo gewahrt wird. "Die meisten taiwanesischen Bürger sind sehr praktische Leute. Am deutlichsten wird der Status Quo unterstützt: Sie wollen Demokratie in Taiwan und wollen nicht von der Volksrepublik China autoritär regiert werden", sagt Ketty W. Chen von der Taiwan Foundation for Democracy.
In Taiwan spricht man auch von der Naturally Independent Generation, der Generation, die nichts anderes als die de-facto-Unabhängigkeit kennt. Heranwachsende wollen eben nicht mehr zurück zu ihren Eltern - so gehe es Taiwan mit China. Bezeichnend ist eine Umfrage unter jungen Leuten , ob sie denn Taiwan bei einem Angriff von China verteidigen würden. 68,1 Prozent sagen ja, aber wenn Taiwan vorher seine Unabhängigkeit erklärt hat, sind es nur noch 56,7 Prozent. "Sie finden den Status Quo gut", sagt Ketty W. Chen. Auch eine bemerkenswerte Jugendeinstellung - aber es sind eben auch besondere Bedingungen auf Taiwan.
Dirk Eckert nahm an einer vom Außenministerium von Taiwan organisierten Pressereise zur politischen und ökonomischen Entwicklung teil.