Amnesty weist auf steigende Gewalt gegen Frauen hin

Ein Blick auf die (schlechte) Lage der Frauen in Spanien

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Die Frauen im spanischen Staat haben mörderisch viele Gründe, um heute auf die Strasse zu gehen, wie es allerorten vorgesehen ist. Dass am 14. März auch Parlamentswahlen in Spanien anstehen, gibt den Aktionen der Frauen eine besondere Würze. Denn es hat sich bis zu Amnesty International, ja sogar bis in die US-Regierung, herumgesprochen, dass eine Frau in Spanien zwischen 16 und 44 Jahren mehr Angst vor ihrem Lebenspartner haben muss als vor Krebs. Todesursache Nummer eins in dieser weiblichen Altergruppe sind weder Krankheiten noch der Unfalltod auf der Straße, sondern die Gewalt der Machos, stellte auch AI in einem Bericht fest, mit dem jetzt eine Kampagne gestartet wurde, um der Gewalt gegen Frauen zu begegnen.

Insgesamt kommt AI in dem Bericht zu einem fatalen Ergebnis. Einen "universellen Skandal" nannte der spanische ai-Direktor Esteban Beltrán die steigende Gewalt gegen Frauen. Ein Drittel aller Frauen, mehr als eine Milliarde, seien Gewalt ausgesetzt, nur weil sie Frauen seien, kritisiert ai. Auffällig ist, dass 70 Prozent aller ermordeten Frauen ihren Partnern oder Ex-Partnern zum Opfer fallen, auch wenn in vielen Kriegen Frauen und Kinder besondere Opfer systematischer Übergriffe und sexueller Gewalt würden. Amnesty prangert auch die Witwenverbrennung in Indien oder Klitorisbeschneidungen in Ländern Afrikas an. Gegen alle Formen der Gewalt weltweit richtet sich die neue ai-Kampagne. Kritisiert wird etwa auch die Situation in Afghanistan:

Mehr als zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban ist es weder der internationalen Gemeinschaft noch der Übergangsregierung gelungen, Frauen in Afghanistan wirklich vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Diskriminierung und Unsicherheit prägen ihren Alltag. Zwangsehen, die Verheiratung von Minderjährigen und Vergewaltigungen sind nach wie vor weit verbreitet.

In Spanien ist die Gewalt gegen Frauen ein Problem

Auch Spanien kommt schlecht bei AI weg. Kritisiert wird steigende Zahl von Frauen, die von ihren Partner ermordet werden. Auch das vergangene Jahr wartete erneut mit einem traurigen Rekord auf. Nach offiziellen Angaben - Frauenorganisationen geben höhere Zahlen an -, wurden 70 Frauen von ihrem Lebenspartner oder Ex-Partner umgebracht. Das ist erneut ein Anstieg um mehr als 50 Prozent. Schon im Jahr zuvor war mit 52 Opfern ein Höchststand registriert worden. Seit die konservative Volkspartei 1997 an die Macht kam, haben Frauen in Spanien nicht mehr viel zu lachen. Seither steigt die Zahl der ermordeten und misshandelten Frauen jährlich an. So kritisiert ai, der Oberste Gerichtshof habe sich geweigert, den Staat für den Schutz von Frauen im familiären Umfeld verantwortlich zu machen.

An der fatalen Situation in Spanien hat auch nichts geändert, dass die PP, nach langer Blockade, im letzten Sommer plötzlich doch noch die "Verordnung zum Schutz der Opfer häuslicher Gewalt" wegen der dramatischen Entwicklung verabschiedet hat. Böse Zungen behaupten, das habe nur mit der Wiederholung der Wahlen in der Region Madrid zu tun gehabt. Im ersten Wahlgang war in der bevölkerungsreichsten Region den Konservativen die Mehrheit abhanden gekommen. Bis zum Ende des Jahres haben 8.000 Frauen Polizeischutz vor den prügelnden Partner beantragt, wie es die Verordnung seit August ermöglicht. In mehr als 6.000 Fällen wurde der Schutz gewährt, keine der geschützten Frauen wurde bisher ermordet.

Man fragt sich, wie der Anstieg ohne die Verordnung ausgefallen wäre. Das Kontrollorgan für die Justiz, der Generalrat für Justizgewalt (CGPJ), stellte in einer Untersuchung fest: Frauen, die ihre Peiniger anzeigen, gehen ein hohes Risiko ein. 2002 seien 17 Frauen ermordet worden, die zuvor Anzeige erstattet hatten. Der CGPJ machte aber auch die Gerichte und die Staatsanwalten verantwortlich. Denn 2002 seien nur in 7,6 Prozent der Fälle präventive Maßnahmen getroffen worden, um weitere Misshandlungen oder gar die Ermordung nach einer Anzeige zu unterbinden.

Da wieder einmal Wahlen sind, hat sich die Volkspartei erneut etwas einfallen lassen, um die strukturellen Probleme wenigstens zu verkleistern. So hat das Kabinett am vergangenen Freitag noch ad hoc beschlossen, ein Zentralregister über Gewalttäter häuslicher Gewalt aufzubauen, um die Täter besser zu erfassen. Ob der Beschluss nach dem 14. März umgesetzt wird, wird sich zeigen.

Gezeigt hat sich indes schon, dass derlei Verordnungen die Denkstruktur der Machos nicht ändern. Wenn Miriam Tey weiter Frauenbeauftragte bleiben kann, obwohl sie in ihrer Freizeit Bücher mit so deutlichen Titeln wie "Alles Nutten" verlegen kann, ist vieles gesagt. Dessen Autor ist bekennender "Frauenfeind" und ruft unter dem Deckmantel künstlerische Freiheit quasi zu Vergewaltigungen und Kindesmissbrauch auf. So muss man sich nicht wundern, wenn eine Meinungsumfrage ergab: 21 Prozent der Männer und 9 Prozent der Frauen im spanischen Staat glauben, misshandelte Frauen beenden die Beziehung zum Peiniger nicht, weil "ihnen die Misshandlungen gefallen, sie dumm sind oder etwas dafür erhalten".

Dass in Spanien vieles nicht mit rechten Dingen zugeht, hat selbst das US-amerikanische State Department erkannt. In dem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte heißt es: "Die Gewalt gegen Frauen, besonders die häusliche Gewalt, ist weiter ein Problem." In den gleichen diplomatisch Tönen wird auch der Frauen und Kinderhandel für die Prostitution kritisiert, gegen die praktisch nichts unternommen wird. Selbst die ungleichen Lohnverhältnisse fallen der Behörde auf, wobei sie dabei von "diskriminierenden Löhnen" spricht.

Hohe Arbeitslosigkeit bei den Frauen

Dabei dürfte die Regierung unter José María Aznar die Daten zum Arbeitsmarkt gar nicht selbst übermittelt haben, denn die US-Behörde bezog sich auf Angaben der Arbeiterunion. Frauen dürfen in der Ägide Aznar froh sein, überhaupt einen Job bekommen. Auch wenn im Wahlmonat die Arbeitslosigkeit insgesamt erstmals wieder gefallen sein soll, haben alle Manipulationen an der Statistik es nicht vermocht, die steigende Frauenarbeitslosigkeit zu verdecken. Angeblich seien ohnehin nun 9,2 Prozent der "aktiven Bevölkerung" arbeitslos, dabei gibt die europäische Statistikbehörde weiter mehr als 11 Prozent an. In Spanien gelten nicht einmal alle Arbeitslosengeldempfänger als arbeitslos.

Auch so liegt das Land abgeschlagen an der Spitze der EU. Aber bei den Frauen ist das noch deutlicher, denn die Arbeitslosigkeit von Frauen ist gleich doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Offiziell sind in Spanien doppelt so viele Frauen arbeitslos wie Männer und leiden extrem unter befristeten Vertragsverhältnissen. Werden seit der neoliberalen Deregulierung des Arbeitsmarkts nur noch knapp neun Prozent aller Verträge unbefristet abgeschlossen, besitzen nur etwa 1,3 Prozent aller Frauen einen unbefristeten Vertrag.

Die positiven Momente kann die Zentralregierung auch nicht für sich verbuchen. Da lobt zum Beispiel ai die Maßnahmen der angefeindeten katalanischen Regionalregierung gegen die Klitorisbeschneidung. Und dann ist da noch das verordnete Nightlife-Matriarchat (Das verordnete Nightlife-Matriarchat) in einer von den Sozialisten regierten Gemeinde im sozialistisch dominierten Andalusien. Erfreulich ist auch, dass die Zahl der Internet-Nutzerinnen steigt. In fünf Jahren hat sich die Zahl von 19 auf 28 Prozent erhöht. Näheres zum Thema haben Montserrat Boix und Victoria Sendón in dem Buch "Die Reise der Netizen" (El viaje de las internautas) beschrieben.

(c) Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 07.03.2004