Ampel-Zoff um Mehrwertsteuer: Wer ist schuld, wenn Kneipen sterben?
Ermäßigter Steuersatz für Gastronomie läuft aus. Kanzler Scholz versprach im Wahlkampf das Gegenteil. Wer wem die Schuld gibt und was die Branche fürchtet.
Ab Januar 2024 dürften die Preise in der Gastronomie deutlich anziehen – denn der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gilt nur noch bis Ende dieses Jahres. Um die Folgen der Corona-Krise für die Branche abzumildern, war er 2020 zunächst von 19 auf fünf Prozent gesenkt worden.
Im Januar 2021 wurde er um moderate zwei Prozentpunkte angehoben und sollte zunächst für ein halbes Jahr gelten. Diese Regelung wurde dann aber bis Ende 2023 verlängert. Nicht zuletzt, weil sie 2021 Wahlkampfthema war: Der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in der ARD-Wahlarena sogar den Eindruck erweckt hatte, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz dauerhaft beibehalten zu wollen.
"Ich habe dieser Verlängerungsentscheidung zugestimmt in dem sicheren Bewusstsein: Das schaffen wir nie wieder ab", hatte Scholz damals erklärt. Dieses Versprechen fällt ihm jetzt auf die Füße.
Lindner will nichts damit zu tun haben
Dass es nun keine weitere Verlängerung gibt, daran will niemand so recht schuld sein – jedenfalls nicht ganz alleine. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will seine Partei am liebsten ganz aus der Verantwortung nehmen: "Wenn alle Parteien an einem Strang gezogen hätten, wäre eine weitere Verlängerung drin gewesen", sagte er der Bild am Sonntag. "SPD und Grüne hatten aber andere Prioritäten."
Das ließ SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Gespräch mit dem Stern nicht auf seiner Partei sitzen. Er warf Lindner vor, sich von gemeinsamen Haushaltsentscheidungen zu distanzieren. "Eine faire Zusammenarbeit sieht anders aus", befand Mützenich. Zur Mehrwertsteuer für die Gastronomie habe es eine einvernehmliche Lösung gegeben.
"Dieses Thema hat Herr Lindner dann einseitig von der Tagesordnung genommen." Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch, sagte der Bild, in einer schwierigen Haushaltslage hätten viele Fragen und Vorschläge auf dem Tisch gelegen. "Entscheidungen treffen wir in der Ampel gemeinsam. Es ist kein guter Stil, wenn der Finanzminister nachher nichts mehr mit den Beschlüssen zu tun haben will."
Die Branche jedenfalls befürchtet als Folge ein Kneipensterben, vor allem im ländlichen Raum. Etwa in Thüringen geht der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Dirk Ellinger, davon aus, dass etwa fünf Prozent der Unternehmen dichtmachen müssten, wenn der Mehrwertsteuersatz wieder auf 19 Prozent steigt.
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