Amtsenthebungsforderungen: Gewöhnlicher als man denkt

Weißes Haus

Im US-Kongress gibt es regelmäßig Bestrebungen, Präsidenten vor den nächsten Wahlen loszuwerden

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Am Wochenende berichtete der US-Nachrichtensender CNN unter Berufung auf einen anonymen Informanten, dass man im Weißen Haus in Washington nach fachkundigen Juristen Ausschau gehalten habe, die sich mit Amtsenthebungsverfahren auskennen. Diesen Bericht hat das Weiße Haus inzwischen als "unwahr" dementiert und darauf verwiesen, dass Trump die Rückendeckung des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses und des ebenfalls republikanisch dominierten Senats genieße.

Die US-Verfassung regelt in Abschnitt 3 ihres ersten Artikels, das eine Amtsenthebung möglich ist, wenn eine Amtsperson "des Landesverrats, der Bestechung oder anderer schwerer Verbrechen und Vergehen für schuldig befunden wurde". Da die Formulierung "andere schweren Verbrechen und Vergehen" sehr unscharf gehalten ist, werden Amtsenthebungsforderungen in der US-Politik recht häufig erhoben - auch gegen Präsidenten. Dabei kommt zwar regelmäßig nichts heraus, weil die für eine Amtsenthebung notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat fehlt. Erfolgreich war nur das Watergate-Amtsenthebungsverfahren gegen Richard Nixon 1974 - und auch das nur indirekt, weil er vorher zurücktrat.

Medienaufmerksamkeit

Die Partei, die den Präsidenten nicht stellt, kann ihm aber durch medienaufmerksamkeitstaugliche Zeugenbefragungen auch dann schaden, wenn absehbar ist, dass ein Amtsenthebungsverfahren ins Leere läuft. Selbst dann, wenn kein formelles Verfahren zustande kommt, lässt sich mit der bloßen Forderung nach einer Amtsenthebung kurzzeitig Medienaufmerksamkeit erzielen. Die genoss zum Beispiel John Conyers, ein demokratischer Abgeordneter aus Michigan, als er 1983 ein Amtsenthebungsverfahren gegen Ronald Reagan forderte und dabei den Tatbestand der "anderen schweren Vergehen" auf "Inkompetenz" ausdehnte. Später begründete er seine von sieben Abgeordneten unterstützte Forderung dann mit der Invasion der Insel Grenada, blieb damit aber ebenso erfolglos.

Etwas solidere Grundlagen nutzten der schwarze demokratische Präsidentschaftsbewerber Jesse Jackson (der sich 1984 auf Minen stützte, die die CIA zwei Jahre vorher im nicaraguanischen Hafen Corinto gelegt hatte), und eine sechsköpfige Abgeordnetengruppe um den Texaner Henry Barbosa González, die 1987 die Iran-Contra-Affäre ausschlachtete. Vier Jahre später forderte González dann die Absetzung des Reagan-Nachfolgers George Bush senior, der die US-Armee einsetzte, um Saddam Hussein das vom Irak besetzte Kuwait wieder abzunehmen.

Schlüpfrig, aber letztlich erfolglos

Mehr Medienaufmerksamkeit erregten die etwas schlüpfrigeren Amtsenthebungsanstrengungen gegen Bill Clinton, den nächsten Präsidenten. Aber auch seiner Aussagen über sein Verhältnis zu Monica Lewinsky reichten im Senat nicht für eine Amtsenthebungsmehrheit wegen Behinderung der Justiz (vgl. Noch mehr Clinton-Starr-Lewinsky).

Gegen Clintons Nachfolger George Bush junior sammelten der Demokrat Dennis Kucinich bis 2008 gleich 35 Vorwürfe, die sich unter anderem auf den Irakkrieg und das Regierungsversagen vor, bei und nach der Überflutung von New Orleans bezogen. Die Amtsenthebungsanstrengungen gegen Barack Obama waren sogar so zahlreich und vielfältig, dass es einen eigenen Wikipedia-Artikel dazu gibt.

Kucinich warnt Demokraten, sich zu nützlichen Idioten der Geheimdienste zu machen

CNN zufolge unterstützen aktuell 27 Politiker im Kongress ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump - angesichts von 48 Demokraten im Senat und weiteren 194 im Repräsentantenhaus wirkt diese Zahl nicht sehr überwältigend. Für den Investors Business Daily ist die eigentliche Nachricht deshalb nicht das, sondern die Tatsache, dass mehrere profilierte Demokraten vor zu reflexhaften Amtsenthebungsanstrengungen warnen:

Rahm Emanuel, der ehemalige Stabschef von Barack Obama und jetzige Bürgermeister von Chicago, sagte Politico, seine Partei solle sich lieber fragen, warum die Mittelschicht nicht den Eindruck hat, von ihr vertreten zu werden, anstatt sich "monomanisch" auf Trump zu fokussieren. Nancy Pelosi, die Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus, fragte, wo den - jenseits des "Hörensagens" - die Fakten für solch ein Verfahren herkommen sollen. Und der kalifornische Abgeordnete Adam Schiff meinte, mit Amtsenthebungsrufen zum jetzigen Zeitpunkt schrecke man potenziell Wähler ab, die den Eindruck gewinnen könnten, die Demokraten wollten mit einem Trick die Entscheidung an der Urne aushebeln.

Dennis Kucinich - der die 35 Amtsenthebungsvorwürfe gegen George W. Bush sammelte und jetzt im Ruhestand ist, glaubt sogar, dass sich die Demokraten damit zu nützlichen Idioten und Marionetten von "Individuen in den Geheimdiensten" machen, wie er letzten Mittwoch Sean Hannity auf Fox News verriet. Dass in diesen Diensten durch gezielte Leaks und auf andere Weise versucht werde, Trump zu stürzen, ist seiner Ansicht nach "sehr gefährlich für Amerika" und "eine Bedrohung für unsere Republik".

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