An diesen drei Krisen scheitert die EU

Josep Borrell in Kranj. Bild: @EU2021SI

Treffen der Außenminister in Slowenien soll zentrale Herausforderungen lösen helfen. Die Chancen dafür stehen schlecht

Das Drei-Krisen-Treffen der EU-Außenminister am gestrigen Donnerstag und am heutigen Freitag im slowenischen Kranj droht zu einem weiteren Fiasko zu werden. Die Beratungen, die teilweise unter Leitung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell stehen, finden im sogenannten Gymnich-Format statt.

Sie sind damit zwar nicht darauf ausgelegt, konkrete Beschlüsse zu fassen oder Ratsschlussfolgerungen zu verabschieden. Doch gerade das wäre mit Blick auf das monumentale Scheitern des Westens in Afghanistan notwendig.

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt zudem: Die EU ist weder handlungsfähig, noch – was wichtiger ist – zu einem Umdenken in der Außenpolitik bereit.

So etwa bei der Haltung gegenüber China, die auf Konfrontation ausgelegt ist. Ziel sei, so heißt es aus dem Auswärtigen Amt, eine einheitliche Position der EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Beijing zu erreichen. Doch davon ist Brüssel denkbar weit entfernt.

Die scheidende Bundesregierung trägt kaum zu einer Verbesserung der Lage bei: Mit der Entsendung der Fregatte "Bayern" in den Indopazifik versucht sie gegenüber der Weltmacht China auf geradezu skurrile Weise militärische Macht zu demonstrieren.

In einer Einschätzung zu dieser Marinemission kam sogar die regierungsnahe Stiftung Wissenschaft und Politik zum Schluss, dass der Einsatz mit dem geplanten Aufenthalt der "Bayern" auf der US-Militärbasis Diego Garcia völkerrechtlich fragwürdig ist.

Auch der zweite Tagesordnungspunkt in Kranj dürfte wenig Greifbares bringen. Es geht dabei darum, die Spannungen zwischen den Golfstaaten zu verringern. Als ernstzunehmender Akteur aber sind weder die EU noch Deutschland in der Region je aufgetreten. Stattdessen haben die USA weiterhin großen Einfluss am Golf, auch China drängt in den Vordergrund.

Mit Blick auf das Scheitern in Afghanistan und das Abschiedsdesaster am Kabuler Flughafen schlug Außenminister Heiko Maas (SPD) bei den Beratungen in Slowenien erneut eine Schnelle Eingreiftruppe der EU vor.

Diese seit Jahren immer wieder vorgebrachte Initiative aber wurde nicht nur von Borrell "zurückhaltend" aufgenommen, wie die Nachrichtenagentur AFP schreibt. Die anvisierte Stärke von 5.000 Soldatinnen und Soldaten läge unter der Truppenstärke, die von der US-Armee zuletzt zur Sicherung des Kabuler Flughafens mobilisiert worden war.

Deutschland drängt auf Kontakte mit Taliban

So müssen auch den deutschen Diplomaten am Ende auf den Boden der Realität zurückkehren. Vor allem in der Afghanistan-Politik. Dabei drängt nach Auskunft aus Teilnehmerkreisen in Kranj vor allem die Bundesregierung auf direkte Kontakte mit den Taliban - bis hin zur De-facto-Anerkennung.

Vor allem bei diesem Thema wird der Widerspruch zwischen öffentlichem Anspruch, also "Werten wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit", und dem realpolitischen Opportunismus deutlich.

So plädieren deutsche Diplomaten und Außenminister Maas bei den EU-Beratungen zwar dafür, die Taliban an ihren Taten zu messen. Zugleich dürfe man notwendige Gespräche aber nicht belasten, hieß es in Kranj.

Und so laviert man weiter. Berlin will eine offizielle Anerkennung einer kommenden Taliban-Führung offiziell zwar vermeiden, gesteht aber ein, dass diese Anerkennung de facto in dem Maße stattfindet, wie man mit den radikalen Islamisten Gespräche führt.

Der deutsche Botschafter Markus Potzel hält sich seit Tagen in Doha, Katar, auf, um diplomatische Kontakte mit den Taliban herzustellen, die man bis vor wenigen Wochen über die gescheiterte Ausbildungsmission Resolute Support noch zu bekämpfen geholfen hat.

Konkret wurde es in Kranj in erster Linie beim Thema Migration. Die Nachbarländer Afghanistans sollen - die Türkei will ja nicht mehr - die Hauptlast der anlaufenden Flüchtlingswelle abfangen. Dafür will die EU Gelder aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und dem erst vor wenigen Wochen geschaffenen Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI/Europa in der Welt) freigeben.

Immerhin hat sich in Berlin die Erkenntnis eingestellt, dass ein Abbruch aller Kontakte mit den neuen Machthabern weder den eigenen Interessen dient, noch dem Menschen in Afghanistan hilft, die auch die Bundesregierung vor aller Augen im Stich gelassen hat.

Evakuierung: Nicht einmal die Hälfte des Ziels erreicht

Das wird auch in der Bilanz der Evakuierungsmission deutlich. Nach Angaben der Bundeswehr wurden bei dem Hals-über-Kopf-Vorhaben insgesamt gut 4.600 Menschen vor möglichen Racheakten der Taliban in Sicherheit gebracht. Damit wurde die Vorgabe von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Höhe von 10.000 Menschen noch nicht einmal zur Hälfte erreicht.

Nicht nur politisch ergibt sich bei der Afghanistan-Politik in Berlin und Brüssel ein wenig kohärentes Bild. Auf der einen Seite soll mit den Taliban verhandelt werden, auf der anderen Seite beobachten militärische Planer den Widerstand gegen die neuen Machthaber.

Aufmerksamkeit kommt in diesem Zusammenhang vor allem dem Kampf tadschikischer Milizen im Pandschschir-Tal zu. Dorthin ist der Vizepräsident der zerbrochenen Regierung, Amrullah Saleh, geflohen, offenbar haben sich die lokalen Milizen mit Resten von Armee und Polizei zusammengeschlossen.

Wie sich die Lage in dem zentralasiatischen Krisenstaat konkret gestaltet, wissen westliche Militärs, Sicherheits- und Außenpolitiker aber nicht, man tappt im Dunkeln. Weder habe man "eigene Sensoren", noch könne man öffentliche Informationen sammeln, heißt es dazu in Berliner Sicherheitskreisen: Die Taliban haben schlichtweg das Mobilfunknetz und das Internet in Teilen abgeschaltet.

So müssten sich die EU-Außenminister am Ende des heutigen zweiten Konferenztages in Slowenien eigentlich eingestehen, dass sie nicht nur im Krieg in Afghanistan gescheitert sind, sondern dass ihre geopolitische Gestaltungsmacht weitaus geringer ist als angenommen. Das immerhin wäre eine erste Selbsterkenntnis, dem sich viele Akteure – auch in Berlin – noch verweigern.

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