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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woitke (SPD) möchte ein wenig Panik verbreiten
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) streut ein wenig Panik, um den Braunkohle-Abbau in seinem Land zu verteidigen. Mit dem Ausstieg aus der Kohle werde der Strompreis automatisch steigen, verkündet der Landespolitiker.
"Er wird auf 35, 40 oder auch 50 Cent steigen", ließ Woidke im ARD-Morgenmagazin wissen. Das war zwar schon in der Woche vor der abschließenden Abstimmung in der Kohlekommission, aber die Aussage ist symptomatisch für die unseriöse Stimmungsmache, mit der die Interessen der Kraftwerksbetreiber und Kohleförderer verteidigt werden.
Gut 21% des Preises für Erzeugung und Beschaffung
Schauen wir uns mal den Strompreis an: Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, in dem neben den einschlägigen Konzernen auch diverse Stadtwerke und kleinere Unternehmen zusammengeschlossen sind, entfallen derzeit lediglich rund 21,1 Prozent des Strompreises auf Erzeugung und Beschaffung und nur diese können eigentlich von einer Veränderung der Erzeugerstrukturen beeinflusst werden.
Das wären rund sechs Cent pro Kilowattstunde, wobei private Haushalte derzeit durchschnittlich 28,6 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Die von Woidke angedrohte Verteuerung würde bedeuten, dass sich die Stromerzeugung um 6,4 bis 21,4 Cent pro Kilowattstunde verteuert, also um 107 bis 357 Prozent. An der Stelle hätte man sich schon einmal eine kritische Nachfrage der Interviewerin gewünscht, wie denn der Ministerpräsident auf derart atemberaubende Preissteigerungen kommt.
Die Kosten
Nach Zahlen des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme lagen 2018 die Kosten für eine Kilowattstunde Strom aus einer neuen Solaranlage je nach Anlagentyp, -größe und jährlicher Sonneneinstrahlung bei 3,71 bis 11,54 Cent pro Kilowattstunde. Bei einer Windkraftanlage an Land waren es 3,99 bis 8,23 Cent, bei Windkraft auf See 7,49 bis 13,79 und bei Biogasanlagen 10,14 bis 14,74 Cent pro Kilowattstunde.
Eine Steigerung von weit über 100 Prozent der Stromgestehungskosten kommt da bestenfalls zustande, wenn man konsequent auf die teuersten Varianten setzt, außerdem unrealistischerweise davon ausgeht, dass es bei der sich immer noch weiter entwickelnden Technik keine weitere Kostenreduktion mehr geben wird, und dass schließlich die in den vergangenen Jahren vorherrschenden Niedrigstpreise an der Strombörse von vier und weniger Cent pro Kilowattstunde der Normalfall sind.
Doch diese Dumpingpreise, von den insbesondere industrielle Großabnehmer glänzend profitiert haben, waren nur in einem Umfeld möglich, in dem es ein Überangebot an Strom gab und dieses zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Anlagen stammte, die längst abgeschrieben waren oder wie im Falle der Atomkraftwerke aus technischen Gründen rund um die Uhr laufen mussten und noch immer müssen.
Neue Zeiten
Doch diese Zeiten gehen ihrem Ende entgegen. Die letzten Atomkraftwerke werden 2022 stillgelegt und auch die meisten Kohlekraftwerke sind längst Methusalems. Ersatz oder umfangreiche Erneuerungen stünden ohnehin an, die nicht umsonst zu haben wären.
Strom aus neuen Kraftwerken kostet aber laut Fraunhofer ISE im Falle von Braunkohle 4,6 bis acht Cent pro Kilowattstunde und im Falle der Steinkohle 6,3 bis 9,9 Cent pro Kilowattstunde. In einem modernen Gas- und Dampfturbinenkraftwerk kann Strom für 7,8 bis zehn Cent pro Kilowattstunde erzeugt werden.
Und was zeigt dieser ganze Zahlensalat?
Erstens: Sonne und Wind sind heute schon oft günstiger als Strom aus einem neuen konventionellen Kraftwerk. Diese Preise werden aber noch weiter fallen, wobei andererseits Zusatzkosten durch einen erheblich vermehrten Speicherbedarf für Solar- und Windstrom hinzukommen. (Das wäre ein Thema für sich. Die Zauberworte heißen Sektorkoppelung, Wasserstoff und Methanisierung.)
Zweitens: Würde der Strompreis im Wesentlichen auf den Stromgestehungskosten basieren, hätten die Verbraucher überhaupt nichts zu befürchten. Aber zum Beispiel besteht er derzeit zu weiteren 24,7 Prozent aus den Netzentgelten. Diese gehen unter anderem an die privaten Übertragungsnetzbetreiber, die für ihr Monopol von den Bundesnetzagentur einen garantierten Profit von 6,91 Prozent auf das eingesetzte Kapital zugesprochen bekommen.
54% des Strompreises bestehen aus Steuern und Umlagen
Man könnte die Netze natürlich auch, wie es die Dänen getan haben, in eine öffentlich-rechtliche, nicht gewinnorientierte Gesellschaft überführen. Immerhin handelt es sich bei den Netzen um natürliche Monopole. Eine Einsicht, die selbst die ansonsten sehr marktverliebten Grünen schon hatten.
Beachtliche 54 Prozent des Strompreises besteht aus Steuern und Umlagen. Der bekannteste Anteil ist sicherlich die sogenannte EEG-Umlage, benannt nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Betreiber von Solar- Windkraft- und ähnlichen Anlagen erhalten, sofern sie ihren Strom nicht selbst vermarkten, eine garantierte Vergütung von den Übertragungsnetzbetreibern, die den Strom wiederum an der Börse verkaufen.
Die Differenz zwischen Börsenstrompreis und Vergütung wird durch die Umlage finanziert. Sie ist 2019 im dritten Jahr in Folge trotz starken Ausbaus der Windenergie abgesenkt worden - auch das ein deutliches Anzeichen dafür, wie günstig neue Windkraftanlagen inzwischen sind - und beträgt dieses Jahr 6,4 Cent pro Kilowattstunde.
Da die Anlagen inzwischen im Vergleich zum letzten Jahrzehnt extrem günstig geworden sind, und zunehmend Altanlagen mit hohen Vergütungssätzen aus der Förderung herausfallen, ist kaum anzunehmen, dass die Umlage noch einmal steigen würde.
Sie könnte im Übrigen für die Privatkunden und kleinen Gewerbekunden um rund zwei Cent pro Kilowattstunde niedriger sein, wenn sie nicht die Ausnahme der energieintensiven Industrie von der Umlage gegenfinanzieren müssten.