Anschlag auf Fachrisadeh mit ferngesteuerten Waffen?

Das gepoanzerte Fahrzeug nach dem Anschlag. Bild: Farsnews.com

Bislang ging man von einem Überfall von Bewaffneten aus, der Iran bringt nun eine andere Version ins Spiel, die vielleicht nur den ausgetricksten Sicherheitsapparat vor Kritik schützen soll

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Freitag wurde der Kernphysikers Mohsen Fachrisadeh, der das iranische AMAR-Atomprogramm aufgebaut und zudem die Entwicklung eines Impfstoffs geleitet haben soll, durch einen Anschlag auf offener Straße getötet (Ermordung von Kernphysiker in Iran bringt designierten US-Präsidenten in Bedrängnis). Das Programm zur Entwicklung einer Atomwaffe wurde nach der IAEA allerdings 2003 eingestellt, das hatten auch US-Geheimdienste bestätigt. Die israelische Regierung hingegen behauptet, es sei seitdem unter Fachrisadeh weitergeführt worden.

Vermutet wird hinter der Aktion am ehesten der israelische Geheimdienst, vielleicht auch in Kooperation mit amerikanischen Geheimdiensten. In der Region rumort es vor dem Abgang von US-Präsident Donald Trump, der ein enger Verbündeter des israelischen Regierungschefs Netanjahu und treibende Kraft hinter einem Bündnis gegen den Iran war. Möglich ist, dass mit dem Anschlag versucht werden sollte, den Iran zu einem Gegenschlag zu verlocken oder zumindest zu verhindern, dass Joe Biden als neuer US-Präsident wieder die Sanktionen gegen Iran lockert sowie dem Atomabkommen wieder beitritt.

Zunächst hieß es, Fachrisadeh sei auf der Fahrt in seinem Auto auf der Straße bei Absard mit drei Schüssen erschossen worden. Angeblich ist er eine sorgfältig überlegte Route gefahren, im Schutz eines weiteren Fahrzeugs mit Leibwächtern. Die New York Times gab die Schilderung des Tathergangs des mit den Revolutionsgarden verbundenen Doku-Filmers Javad Mogouyi wieder, nachdem zunächst ein am Straßenrand geparkter Nissan explodierte und einen Strommasten umknickte. Dann seien Bewaffnete aus einem geparkten Hyuandai und andere mit Motorrädern gekommen, dazu warteten Scharfschützen. Insgesamt sollen es 12 Attentäter gewesen sein. Die Überwachungskameras waren funktionsunfähig gemacht worden, alle Attentäter konnten trotz des mit Leibwächtern angeblich gefüllten Fahrzeugs unbeschadet fliehen. Mogouyi sprach von einer Art Hollywoodinszenierung.

Aber es gibt noch weitere Schilderungen. So ist die Rede davon, dass nach der Explosion eines Fahrzeugs mit Maschinengewehren geschossen wurde. Ali Shamkhani, Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates, brachte eine weitere Variante ins Spiel, wie Fars News berichtet. Nach ihm war der Anschlag eine kompliziert ausgeführte Tat, bei der keine Attentäter vor Ort gewesen sein sollen.

Angeblich hätten die iranischen Geheimdienste Kenntnis von Anschlagsplänen gegen Fachrisadeh gehabt, die Schutzmaßnahmen seien verstärkt worden, aber dann habe der Feind eine völlig neue Methode eingesetzt. Darauf, so will Shamkhani wohl auch die Sicherheitskräfte verteidigen, seien diese nicht vorbereitet gewesen, und so habe der Feind, gemeint ist der israelische Geheimdienst Mossad und oder Mujahedeen-e-Khalq (MEK), der 20 Jahre versucht haben soll, Fachrisadeh zu ermorden, das Ziel erreicht. Der Anschlag sei mit elektronischen Geräten aus der Ferne erfolgt, man habe jedoch Hinweise, wer dahinter steht und den Plan ausgeheckt hat.

Fars News bringt weitere Einzelheiten ins Spiel, die das Szenario ausbauen. Der Atomwissenschaftler sei in einem kugelsicheren Auto mit seiner Frau und drei Schutzfahrzeugen unterwegs gewesen. Nachdem das an der Spitze befindliche Schutzfahrzeug ausgeschert sei, um das Ziel der Fahrt zu prüfen und zu sichern, seien mehrere Schüsse auf das Auto von Fachrisadeh abgefeuert worden. Er sei ausgestiegen, weil er geglaubt hatte, dass er mit etwas kollidiert oder der Motor die Ursache sei. Daraufhin sei mit einem ferngesteuerten Maschinengewehr von dem in 150 Metern Entfernung geparkten Nissan auf ihn gefeuert worden. Drei Schüsse hätten ihn getroffen. Ein Leibwächter, der den tödlich Verwundeten beschützen wollte, sei auch durch Schüsse verletzt worden. Kurz darauf sei das Fahrzeug explodiert, was nahelegen könnte, dass die Technik zerstört werden sollte. Das Ganze habe nur drei Minuten gedauert, es sei kein Angreifer vor Ort gewesen. Der Besitzer des Nissan habe am 29. November das Land verlassen.

Die Waffen seien über Satelliten gesteuert worden, was durchaus möglich ist, das Logo und andere Eigenschaften würden auf israelische Rüstungskonzerne hinweisen. Bilder davon werden aber nicht verbreitet. Und auch wenn es sich um einen ferngesteuerten Anschlag handeln sollte, müssen Fahrzeug und Waffen von Helfern aufgebaut worden sein. Überdies muss man annehmen, dass der Anschlag, wie immer er auch durchgeführt worden war, von langer Hand geplant gewesen sein muss. Es muss also Informanten im iranischen Sicherheitsapparat geben und/oder die Kommunikation war abgehört worden.

Die Geschichte wird auch von israelischen Medien wie Haaretz oder Times of Israel aufgegriffen. Egal welche Version zutrifft oder ob es sich in Wirklichkeit anders abgespielt hat, so wird der erfolgreiche Anschlag in Irans Sicherheitsapparat große Sorgen auslösen, wenn der israelische Geheimdienst ungehindert im Land Mordanschläge ausführen kann und dazu immer neue Möglichkeiten findet. Sollten staatliche Behörden dahinterstehen, müsste man den Anschlag als Staatsterrorismus bezeichnen, was auch schon für die Ermordung von Qassim Suleimani in Bagdad durch amerikanische Drohnen der Fall war.