Anschlag in Kabul: Über 90 Tote und kein Mittel gegen die Taliban
Die radikal-islamistischen Regierungsgegner führen der Weltöffentlichkeit erneut vor, dass sie trotz US-Terrorbekämpfung die Lage in der Hauptstadt nach Belieben weiter eskalieren können
Der Autobomben-Anschlag heute Morgen in Kabul folgt in mehrerer Hinsicht einem trostlosen Muster, das man von vorhergehenden Massenmörder-Akten in Afghanistan kennt. Auch bei diesem mörderischen Anschlag klettert die Zahl der Toten mit jeder Meldung in grauenhafte Bereiche. Meldete die Tagesschau am späten Samstagvormittag 40 Tote, so wurde die Zahl am Nachmittag vom Gesundheitsministerium auf 95 korrigiert.
Laut Regierungsangaben wurden 163 Menschen verletzt. Der Anschlag wurde um 13 Uhr Ortszeit im Zentrum der Hauptstadt durchgeführt, womit der Weltöffentlichkeit wieder einmal vorgeführt wird, wie wenig Sicherheitsmaßnahmen gegen die heimtückischen Attacken auszurichten vermögen. Der Anschlag fand in einem besonders gesicherten Gebiet statt, in der unmittelbaren Nähe befinden sich Botschaften von China, Frankreich, Iran, Schweden und Indien sowie afghanische Ministerien.
Laut Pajhwok Afghan News, wo man sich auf Quellen aus dem Innenministerium beruft, benutzten der Selbstmordattentäter einen Krankenwagen gefüllt mit Sprengstoff, was ihm ermöglichte, einen Polizei-Checkpoint zu überwinden. Beim zweiten wachsameren zündete er die Sprengladung.
Nach Informationen von Khaama Press hat sich inzwischen der Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid zu dem Massaker bekannt: Ziel seien Polizisten gewesen, die sich in Nähe beim Innenministerium treffen hätten sollen.
Ziele werden nach Belieben gewählt
Tatsächlich haben die Verantwortlichen für den Anschlag - Pajhwok Afghan News nennt dazu wieder einmal das berüchtigte Haqqani-Netzwerk - den Tod von Zivilisten in der belebten Gegend der Hauptstadt mit Vorbedacht in Kauf genommen. Die "bloody fighting season" geht weiter von Eskalation zu Eskalation, wie dies der deutsche Ortskenner, Analyst und BeobachterThomas Ruttig gegenüber dem australischen Sender ABC in einem hörenswerten Beitrag schildert.
Anlass dafür war der Taliban-Angriff auf das Interkontinental-Hotel in Kabul am vergangenen Wochenende. Die Situation in Afghanistan sei davon geprägt, dass man zwar "Friedensgespräche mit den Taliban" am ferneren Horizont ins Auge gefasst habe, so lässt sich Ruttig verstehen, aber gegenwärtig würden sich die afghanische Regierung und die Taliban hauptsächlich gegenseitig die Schuld dafür zuschieben, warum die Friedensgespräche nicht zustande kommen.
Dabei mischt auch das Nachbarland Pakistan mit - nicht gerade auf friedensförderliche Art. Dem pakistanischen Geheimdienst werden Verbindungen zum Haqqani-Netzwerk nachgesagt.
Einstweilen suchen die Taliban mit Anschlägen wie am heutigen Samstag oder am Wochenende zuvor Schlagzeilen und damit Aufmerksamkeit in der internationalen Öffentlichkeit für ihre Schlagkraft zu bekommen. Zum anfangs angedeuteten trostlosen Muster der Taliban- oder auch IS-Anschläge gehört, dass gegen sie noch kein Kraut gewachsen ist.
Auf wachsenden Druck, wie es die Trump-Regierung mit ihrer Terrorbekämpfungs-Strategie und der Truppenaufstockung versucht (siehe Mehr Luftangriffe und mehr Soldaten für den Versöhnungsprozess, reagieren sie mit einer Eskalation von Gewalt und der Botschaft, dass sie jedes ihrer gewählten Ziele treffen können. Auch in der gut gesicherten Hauptstadt oder gerade da.