Anschlagsplan mit einer Bio-Bombe mit Rizin
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Der Prozess gegen die Bio-Terroristen von Köln beginnt. Wie sind die Behörden auf einen terroristischen Einsatz biologischer Kampfstoffe vorbereitet
Der 12. Juni 2018 bedeutete eine weitere Steigerung in der Terrorgefährdung der BRD: Sief Allah Hammami und seine Ehefrau Yasmin wurden von einem Sondereinsatzkommando der Polizei festgenommen und ihre Wohnung durchsucht. Das Ehepaar arbeitete an einer biologischen Bombe unter Verwendung des ultragiftigen Biotoxins Rizin, das sie selbst aus den Samen des so genannten "Wunderbaums" (Ricinus communis) extrahierten und zu einer Paste verarbeiteten, um damit die Stahlkugeln einer Splitterbombe zu kontaminieren.
Zum Zeitpunkt seiner Festnahme hatte das Terrorpaar aus 3.150 Rizinussamen bereits 84,3 mg reines Rizin extrahiert. Die Vorräte hätten ausgereicht, um rund 100 Personen zu verseuchen. Es wäre der erste Fall von Bioterrorismus in Deutschland gewesen. Am 7. Juni beginnt das Hauptverfahren gegen das Terrorpaar vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
Familienverhältnisse
Sief Allah Hammami ist tunesischer Staatsbürger. Er wurde 1988 oder 1989 geboren und arbeitete als Praktikant bei der Post in Tunesien. Im Jahr 2014 lernte Hammami Yasmin D. über "Facebook" in Tunesien kennen. Sie ist deutsche Staatsbürgerin und war bereits 2004 zum Islam konvertiert. Aus früheren Beziehungen hatte Yasmin D. vier oder fünf Kinder von vier Vätern. Früher arbeitete sie als Arzthelferin, war aber seit 2010 war arbeitslos und widmete sich der Erziehung ihrer Kinder.
Obwohl er nie richtig Deutsch lernte und sie kaum Arabisch sprach, reichte es anscheinend dennoch für gemeinsame Pläne: Beide heirateten im Oktober 2015 in Tunesien. Nach der Hochzeit reiste er im November 2016 zu seiner Frau nach Köln. Hammami nutzte dazu ein Visum zur Familienzusammenführung. Im Juni 2018 brachte die Ehefrau ihr mittlerweile siebtes Kind zur Welt. Am 8. Januar 2018 zeigte ihn seine Frau wegen häuslicher Gewalt in drei Fällen an, daraufhin sprach die Polizei ein zehntägiges Hausverbot gegen Sief Allah Hammami aus. Am 25. Januar 2018 erschien das Ehepaar erneut auf der Polizeiwache und Yasmin H. zog ihren Strafantrag zurück.
Die Familie lebte von Hartz IV. Sie wohnte in Köln-Chorweiler in einem fünfzehn-stöckigen Hochhaus (Osloerstraße 3), in der Nähe der Zentrale des Bundesamtes für Verfassungsschutzes. Hammami hatte die Schlüssel zu mehreren Wohnungen. In einer Wohnung lebte er mit seiner Frau und den Kindern, in einer anderen Wohnung lagerte er Terrorutensilien.
Islamistische Kontakte
Schon in Tunesien war er den lokalen Behörden als Islamist aufgefallen. Er soll 2015 an einem Anschlag auf einen Bus beteiligt gewesen sein. Nach Angaben des Generalbundesanwalts Peter Frank, war Sief Allah Hammani "im islamistischen Spektrum tief verankert und stand mit Personen aus diesem Spektrum in Kontakt". Auf seinen beiden Handys fand sich eine umfassende Kommunikation: So lassen sich 11.000 Kontakte nachweisen. Sichergestellt werden konnten 180.000 Bilder, 2.000 Video- und Audiodateien und über 33.000 Textnachrichten.
Zweimal, im August und September 2017, versuchte er vergeblich, nach Syrien auszureisen, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen, musste aber in der Türkei umkehren. Schließlich schwor Sief Allah Hammami einen Treueeid auf den IS-Kalifen al-Baghdadi. Er wollte fortan die Organisation durch Propagandaarbeit unterstützen.
Eigentlich wollte seine Ehefrau mit ihren Kindern ihn nach Syrien begleiten, aber dies scheiterte, weil einer der Väter die Kinder weder bei sich aufnehmen noch deren Ausreise nach Syrien gestatten wollte. So musste die Ehefrau und Mutter zu Hause bleiben und ihre Kinder vertrösten: "Wenn du mal groß bist, wirst du auch Attentäter", dann könne er sich "auch in die Luft sprengen", versprach sie einem ihrer Söhne.
Bau einer Bio-Bombe mit Rizin
Sief Allah Hammami arbeitete an einer biologischen Bombe unter Verwendung von Rizin, das er selbst aus den bohnenartigen Samen des so genannten "Wunderbaums" (Ricinus communis) extrahierte und zu einer Paste verarbeitete. Rizin ist ein Ultragift, ein Gegenmittel gibt es derzeit nicht.
Mitte April 2018 kaufte Hammami über ein Internetportal in drei Tranchen etwa 172 bis 200 Rizinussamen, im Mai 2018 erwarb er bei einem weiteren Online-Händler insgesamt 2.000 Samen. Im Mai tauschte er sich über das Internet mit zwei unbekannten IS-Kadern darüber aus, wie man Rizin gewinnen und eine Bio-Bombe herstellen könne; sie unterstützten ihn mit Anleitungen und praktischen Tipps, um ihn "Schritt für Schritt zu begleiten".
Wegen anfänglicher Lieferschwierigkeiten erhielt Sief Allah Hammami von einem Händler zusätzlich 1.000 Samen kostenlos. Zum Schluss besaß er insgesamt ca. 3.150 Rizinussamen (die handelsübliche Menge sind 8 Samen, 5 Samen kosten 1,59 Euro). Darüber hinaus bestellte er eine Knoblauchpresse, eine elektrische Kaffeemaschine zum Zerkleinern der Samen, eine Chemiekalie, die zur Extraktion des Rizins notwendig ist, zwei Fläschchen mit acetonhaltigem Nagellackentferner, einen Akku (Powerbank), Drähte mit aufgelöteten Glühbirnen, 950 Gramm eines pyrotechnischen Pulvers auf Aluminiumbasis, 250 kleine Metallkugeln, einen Schlafsack etc.. Außerdem kaufte er in einer Kölner Tierhandlung einen Zwerghamster, an dem er das von ihm extrahierte Rizin auf seine Wirksamkeit testete. So wollte er - nach eigenen Angaben - eine Bombe bauen, "die auf vier bis fünf Quadratmetern explodiert".
Die Bestellungen orientierten sich offenbar an einer entsprechenden Liste, die der Islamische Staat im Internet veröffentlicht hatte. Dies wurde einem amerikanischen Nachrichtendienst, vermutlich die CIA, gemeldet, der einen entsprechenden Hinweis an die deutschen Behörden weitergab. Daraufhin wurde Hammami durch ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) der Kölner Polizei observiert.
Die Bestellungen wurden z. T. über das "Amazon"-Kundenkonto seiner Ehefrau Yasmin Hammami abgewickelt, so der Kauf der elektrischen Kaffeemaschine und der Metallkügelchen. Das pyrotechnische Pulver besorgte sich Sief Allah Hammami bei zwei Reisen nach Polen, u. a. in Slubice, dabei übernahm seine Frau die Geschäftskommunikation. Seit Mai 2018 stand er über einen Messengerdienst mit einem Chatpartner im Ausland in Verbindung, der ihm bei der Herstellung des Rizins beriet. Ab Ende Mai 2018 stand er über Messenger mit einem weiteren Chatpartner in Kontakt, der ihm bei der Herstellung einer Bombe half. Im Juni 2018 kaufte er die Metallkugeln als Splittermaterial.
Über die bei einer Hausdurchsuchung am 12. Juni 2018 sichergestellten Gegenständen berichtete der Generalbundesanwalt:
Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen wurden bei dem Beschuldigten insgesamt 3.150 Rizinussamen (die Behörden gingen zunächst von 100, dann 1.000 Samen aus, G. P.) sowie 84,3 mg Rizin sichergestellt. Rizin unterfällt als biologische Waffe dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Seine Wirkung ist abhängig von der Menge des Gifts und der Art und Weise seiner Verabreichung (vgl. Information des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de). Nach den bisherigen Ermittlungen bestellte der Beschuldigte sämtliche Rizinussamen über den Internetversandhandel. Die Teilmenge von 2.100 Rizinussamen kann drei konkreten Bestellvorgängen zugeordnet werden. Die Ermittlungen zur Herkunft der weiteren Rizinussamen dauern an.
Darüber hinaus sind bei dem Beschuldigten weitere Utensilien sichergestellt worden, unter anderem 250 Metallkugeln, zwei Flaschen acetonhaltiger Nagellackentferner sowie Drähte mit aufgelöteten Glühbirnen. Zudem wurden 950 Gramm eines grauen Pulvers sichergestellt. Bei dem Pulver handelt es sich um eine Mischung aus Aluminiumpulver und aus Feuerwerkskörpern stammenden pyrotechnischen Substanzen. Sein Verwendungszweck ist noch nicht abschließend geklärt; insoweit dauern die kriminaltechnischen Untersuchungen noch an.
Es liegen bislang keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte Mitglied einer terroristischen Vereinigung war. Allerdings versuchte er 2017 zweimal vergeblich, über die Türkei nach Syrien mutmaßlich zum "Islamischen Staat" auszureisen. Nach den bisherigen Erkenntnissen stand der Beschuldigte in Kontakt mit Personen aus dem radikal-islamistischen Spektrum. Der Inhalt ihrer Kommunikation ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen.
Generalbundesanwalt
Bei der Hausdurchsuchung konnte kein bereits funktionsfähiger Sprengsatz gefunden werden. Der geplante Bio-Sprengsatz war zugleich eine Splitterbombe, gefüllt mit 250 Metallkugeln und scharfen Scherben von zerstampften Glühlampen. Möglicherweise plante Hammami den Bau einer Bombe, bei der mit Rizin kontaminierte Metallsplitter verstreut werden sollten.
Nach Erkenntnissen des Generalbundesanwalts, wollte er seine biologische Splitterbombe "an einem geschlossenen und belebten Ort" zünden. Ob Hammami bereits ein konkretes Objekt im Visier hatte, ist nicht bekannt.
Entgegen der allgemeinen Darstellung war Hammami nach Angaben des Landesinnenministers Herbert Reul (CDU) mit seinen Anschlagsplänen weit fortgeschritten, allerdings übertrieb der Christdemokrat erheblich: "Der Mann war fertig mit seinen Vorbereitungen. (…) Es hätte der schlimmste Anschlag in Europa werden können, im schlimmsten Fall mit Tausenden Todesopfern".
Festnahmen
Nach unterschiedlichen Angaben geriet Hammami ein halbes Jahr oder ein Jahr nach seiner Einreise in die BRD erstmals ins Visier des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, als er nach Syrien bzw. den Irak ausreisen wollte. Spätestens seit März 2018 wurde Hammami durch ein Mobiles Einsatzkommando der Kölner Polizei bzw. den Verfassungsschutz observiert. Der damalige BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen erklärte dazu: "Erst das Zusammenspiel aufmerksamer Bürger mit der nachrichtendienstlichen Erkenntnislage hat uns in die Lage versetzt, den Gefährdungssachverhalt zu konkretisieren."
Die NRW-Landesbehörden hatten Hammami kaum auf dem Radar. Im Dezember 2017 meldete er bei Ausländeramt Köln seinen Reisepass als gestohlen, daraufhin erging eine entsprechende Meldung an das Polizeipräsidium Köln, da Dschihadisten gerne einmal ihre Reisepässe "verlieren", wenn diese verdächtige Ein- oder Ausreisestempel enthalten.
Am 1. Juni 2018 beschäftigte sich das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin erstmals mit dem Fall und am 11. Juni 2018 zum zweiten Mal. Gegen Sief Allah Hammami wurde wegen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Anfangsverdacht einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt. Die polizeilichen Einsatzkräfte stürmten mit ABC-Schutzkleidung und Schusswesten die Wohnung.
Am 12./13. Juni 2018 wurde Sief Allah Hammami von einem Sondereinsatzkommando der Polizei festgenommen, seine Wohnung durchsucht. Er befindet sich z. Zt. in der JVA Köln in U-Haft. Die hochschwangere Ehefrau wurde ebenfalls vorübergehend festgenommen, aber nach ein paar Stunden wieder freigelassen. Am 24. Juli 2018 nahm die Polizei Yasmin Hammami in Norddeutschland erneut fest.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hatten zwischenzeitlich ergeben, dass die Bestellungen z. T. über das "Amazon"-Kundenkonto der Ehefrau abgewickelt worden waren, so der Kauf der elektrischen Kaffeemaschine und der Metallkügelchen. Da er kaum deutsch sprach, führte sie die Verhandlungen mit dem Händler für die Rizin-Samen und überredete diesen zu einer Extra-Lieferung von 1.000 Samen. Das pyrotechnische Pulver besorgte sich Sief Allah Hammami in Polen, dabei übernahm seine Frau erneut die Geschäftskommunikation. Außerdem wollte ihn seine Ehefrau bei der vormals geplanten Ausreise nach Syrien finanziell unterstützen.