Anti-Aging für Hubble-Weltraumteleskop
Mit dem heutigen Start der Shuttle-Mission STS-109 soll die Empfindlichkeit von Hubble so optimiert werden, dass das Weltraumteleskop sogar extrasolare Planeten direkt "sehen" kann
Während seines zwölfjährigen Aufenthaltes im Orbit hat das ESA-NASA-Weltraumteleskop Hubble (HAST) Unglaubliches geleistet. Obgleich es anfangs überhaupt nicht danach aussah, übertraf das schwebende Fernrohr die kühnsten Erwartungen, wozu auch mehrere Service-Missionen beigetragen haben, die Hubble technisch auf den neuesten Stand brachten. Jetzt bekommt das Teleskop den letzten Schliff. Heute beginnt die Shuttle-Wartungsmission STS-109. Sie soll die ohnehin schon scharfen Argusaugen des orbitalen Observatoriums weiter optimieren. Gelingt dies, wird sich nicht nur die Kapazität des Geräts erhöhen und seine Lebensdauer verlängern: Hubble könnte sogar erstmals das extrem schwache Licht von exosolaren Planeten direkt einfangen.
Das hätte sich der große amerikanische Astronom Edwin Hubble seinerzeit gewiss nicht träumen lassen, dass sein Name eines Tages einmal für eines der bislang erfolgreichsten astronomischen Weltraumprojekte stehen würde. Eigentlich hätte in den 50er Jahren keiner je erahnen können, dass ein nach Hubble benanntes Teleskop später einmal im Orbit weilen und von dort in die endliche Unendlichkeit und unendliche Endlichkeit des Universums blicken würde.
Inzwischen ist Hubble das wertvollste und erfolgreichste kosmische Observatorium der Postmoderne. Längst ist das orbitale Fernrohr ein fester, nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Astronomie und sogar eine feste Größe in den Medien geworden, was vielleicht damit zusammenhängt, dass es kaum einen vergleichbaren Satelliten im Orbit gibt, der einerseits so hochbetagt, andererseits aber zugleich mit den Jahren immer besser, präziser und leistungsfähiger geworden ist.
Verjüngungskur erfolgt turnusgemäß
Dabei sah es anfangs gar nicht danach aus, als könnte Hubble seinem Auftrag gerecht werden. Denn seitdem der kosmische Feldstecher im April 1990 in die Erdumlaufbahn gebracht wurde, litt er unter einer Art Astigmatismus, einem optischen Fehler, der auftrat, da der 2,4-Meter-Hauptspiegel schlichtweg falsch geschliffen war. Erst nach jener legendären erfolgreichen Reparatur im Dezember 1993 wurde Hubble wieder auf Vordermann gebracht. Unter größten Anstrengungen stattete die Endeavour-Crew unter dem Kommando von Richard O. Covey während knochenharter mehrstündiger Spacewalks das Fernrohr mit einer neuen Korrekturoptik aus. Dabei reparierten die Astronauten noch weitere wichtige Elemente, die Hubbles volle Funktionstüchtigkeit wieder herstellten.
Im Rahmen der zweiten HST-Service-Mission im Februar 1997 und einer dritten zwei Jahre später, wurden dann noch mehrfach alte Instrumentenmodule gegen neue ausgetauscht, wozu unter anderem auch die Near Infrared Camera und das Multi-Object Spectometer (NICMOS) gehörte, das im infraroten Licht operierte und bereits 1999 abgeschaltet werden musste, weil ihr Kühlmittelvorrat vorzeitig aufgebraucht war.
Die atemberaubenden gestochen scharfen Bilder, die seitdem zustande gekommen sind, haben nicht nur die wissenschaftliche Forschung revolutioniert, sondern auch unser Weltbild vom Kosmos nachhaltig geprägt. Möglich wurde dies letztlich aber nur, weil die HST-Verantwortlichen eine ganz bestimmte Strategie verfolgen, um die Leistungsfähigkeit des Observatoriums kontinuierlich zu optimieren. Deren Taktik zielte nämlich darauf ab, das hochsensible Gerät im Schnitt alle drei Jahre zu warten und nachzurüsten, anstatt es seinem Schicksal im Orbit zu überlassen.
Nunmehr steht nach den Einsätzen in den Jahren 1993, 1997 und 1999 die vierte Wartungsmission in den Startlöchern, die zugleich auch die letzte sein wird, da Ende dieses Jahrzehntes oder Anfang der nächsten Dekade das von der ESA, NASA und der kanadischen Weltraumagentur CSA entwickelte Weltraumteleskop NGST das jetzige Weltraumteleskop endgültig ablösen wird.
Fünf Spacewalks geplant
Sofern heute das Wetter in Florida mitspielt, wird die Space Shuttle-Mission STS-109 um 5.48 a.m. Ortszeit unter anderem mit dem Auftrag ins All fliegen, die von der ESA gebauten hubble-eigenen Solarzellenflügel durch neue, leistungsstärkere auszutauschen. Ursprünglich wurde die dritte Wartungsmission in zwei Teile (3A und 3B) aufgeteilt, weil Ende 1999 Hubbles Lageregelungskreisel dringend ersetzt werden mussten und damals nicht alle geplanten Aufgaben gleichzeitig durchgeführt werden konnten. Das Versäumte soll jetzt im Rahmen der "Servicing Mission 3B" nachgeholt werden, bei der fünf umfangreiche Außeneinsätze vorgesehen sind. Für die siebenköpfige Crew wird der Trip ins All höchst arbeitsintensiv und alles andere als vergnüglich. Promenadencharakter werden die fünf geplanten Weltraumspaziergänge ganz gewiss nicht haben, zumal die Crew noch zusätzliche Aufgaben zu bewältigen hat, wie etwa den längst überfälligen Einbau eines neuen, technologisch aber äußerst fortschrittlichen Kühlsystems für die Hubble-Infrarotkamera NICMOS.
"Mit dieser Wartungsmission wird Hubble wieder auf den allerneuesten Stand der Technik gebracht", betont Piero Benvenuti, Hubble-Projektwissenschaftler der ESA. "Die neuen, supermodernen Instrumente werden dem Observatorium eine Leistungsspritze geben."
In der Tat - die neue Digitalkamera etwa, die verbesserte Durchmusterungskamera, die so genannte Advanced Camera for Surveys (ACS), kann zweimal größere Himmelsausschnitte mit fünfmal höherer Empfindlichkeit als die bisherigen Instrumente aufnehmen - was zur Folge hat, dass sich Hubbles Entdeckungspotential verzehnfacht. Kein Wunder also, dass die Astronomen der Nutzung der neuen Kamera, die ihnen nach den bereits erzielten Durchbrüchen neue wissenschaftliche Erkenntnisse liefern soll, erwartungsvoll entgegenfiebern.
Voller Optimismus ist auch der Hubble-Projektleiter der ESA, Ton Linssen, der sämtliche Beiträge der ESA zur Entwicklung der neuen Solarzellenflügel einschließlich der Testkampagne im ESTEC überwacht hat:
Es wird ganz besonders spannend werden, wenn die jetzigen Solarzellenflügel eingerollt werden, damit sie in die Ladebucht des Raumtransporters passen. Sie haben unter dem rauen Umfeld im All gelitten, weswegen das Einrollen ein heikler Vorgang sein wird. Unser Team wird die Daumen drücken, dass alles klappt. Sollte es nicht gelingen, die Ausleger einzurollen, müssten sie möglicherweise im Weltraum zurückgelassen werden.
Neue Kamera eröffnet neue Perspektive und Horizonte
Obwohl mit der fehlerfrei funktionierenden Faint Object Camera (FOC) die Bildaufnahmekapazität von Hubble höchstes Niveau erreichte, soll die ESA-Kamera, übrigens das letzte verbliebene HST-Originalinstrument, durch die ACS-Durchmusterungskamera ersetzt werden. Damals, in den 80er Jahren galt FOC noch als hochmodern; heute indes muss dieses Teil der digitalen Revolution Tribut zollen. Die digitale Aufnahmetechnik hat derart große Fortschritte gemacht, dass dieses Kernstück des ESA-Beitrags zum Hubble-Teleskop jetzt definitiv weichen muss.
Falls die aufwändige und nicht risikoarme Installation, bei dem der Shuttle-Roboterarm assistieren wird, wunschgemäß über die Bühne geht, wird Hubble nicht nur länger im All aktiv wirken können, sondern auch etwas auf höchst direkte Weise zu sehen bekommen, wovon Planetenjäger bislang nur träumen konnten. Möglicherweise könnte eine optimale Konfiguration der Kamera und eine ideale Abstimmung mit dem Teleskop den Blick auf extrasolare Planeten frei machen. Mit anderen Worten: Das modifizierte Hubble-Weltraumteleskop könnte aufgrund seiner hohen Sensibilität das extrem schwache Licht eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystem einfangen.
Holland Ford, der als Professor für Astronomie in der "Krieger School of Arts and Sciences" an der Johns Hopkins University forscht und lehrt und als Teamleiter den ACS binnen fünf Jahre entwickelt und konstruiert hat, ist in dieser Hinsicht optimistisch: "Ich denke, dass es eine echte Chance gibt, einen Planeten direkt zu sehen. Dies wird zwar fraglos sehr schwierig werden, aber wir werden es versuchen."
Wenngleich nach Ford die Erfolgschancen eines solchen Versuchs eher gering zu veranschlagen sind, ist es dennoch durchaus möglich, dass das ACS aufgrund seiner Sensibilität zumindest Exoplaneten in Erdnähe direkt nachweisen kann. Denn daran, dass die Empfindlichkeit von Hubble in absehbarer Zeit sehr ausgeprägt sein wird, lässt Ford jedenfalls keinen Zweifel aufkommen:
Wenn in Tokio zwei Leuchtkäfer drei Meter voneinander fliegen würden, könnten Hubble mithilfe des ACS von Washington D.C. aus feststellen, dass dort zwei Leuchtkäfer herumschwirren und nicht nur einer.
Where is Hubble now? - Folgender Link hilft bei der Positionssuche