Anti-Gerücht-Spezialtruppe

Ägypten: Der international bekannte Blogger-Aktivist Aala kommt endlich frei, zugleich werden weitere scharfe Maßnahmen gegen oppositionelle Kräfte angekündigt

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Verfahren gegen Richter, die Betrug bei den letztjährigen Wahlen festgestellt haben, Verhaftungen von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Bloggern, Folter, Prügel für verhaftete Oppositionelle, brutales Vorgehen der Polizei bei Protesten und Demonstrationen, Masseninhaftierungen: Die ägyptische Regierung zeigt sich im Kampf gegen die Opposition offensichtlich als arabische Despotie alten Schlages, ziemlich resistent gegen den von den USA und Europäern erwünschten Wandel im Mittleren Osten zu mehr Demokratie.

Nach Informationen des Fernsehsenders Al-Dschasira will die Regierungspartei jetzt im Parlament eine Gesetzesvorlage einreichen, wonach eine Spezialeinheit geschaffen werden soll, die das Verbreiten von "falschen Informationen" bekämpfen soll.

Sollte der Gesetzesvorlage zugestimmt werden, so der Protest des "Egyptian Press Syndicate", würde die abweichende Meinung in Ägypten kriminalisiert. Während der ägyptische Parlamentsabgeordnete der Regierungspartei NDP das Gesetz als nötig erachtet, weil bereits existierende Gesetze nicht ausreichen würden, um die Sicherheits des Landes gegen die "schwere Drohung durch Gerüchte" zu schützen, sieht die Journalistenvertretung darin vor allem die Intensivierung des Kampfes der Regierung gegen investigativen und kritischen Journalismus.

Schon jetzt ist es nach Angaben von inhaftierten Oppositionellen Praxis, sie gemeinsam mit Schwerverbrechern in eine Zelle zu schließen. Doch gab es auch in Ägypten trotz grober Menschenrechtsverletzungen in den letzten Monaten Anzeichen für eine gewisse Lockerung. So konnten nach Angabe des amerikanischen Spezialisten für Öffentlichkeiten in der arabischen Welt, Marc Lynch, die Tageszeitungen Al-Masri al Jaum und Publikationen wie al-Dustur und Saut al-Umma Freiräume für politische Dissenz erobern.

Auch daran, wie mit diesen Veröffentlichungen und mit Blogger-Aktivisten, die für die Opposition in Ägypten eine wichtige Rolle spielen, weiter umgegangen wird, wird man genau ablesen können, wie ernst es die Regierung mit ihren Reform-und Demokratieversprechen meint, die sie regelmäßig gegenüber dem großen Geldgeber USA abgibt.

Einen kleinen Lichtblick in düsteren Zeiten liefert aber, wie heute bekannt wurde, die vom Generalstaatsanwalt angeordnete Haftentlassung des Bloggers Alaa Ahmed Seif al-Islam, dessen Fall duch seine Postings aus dem Gefängnis weit über die Grenzen Ägyptens hinaus bekannt wurde. Sehr wahrscheinlich, dass die große Unterstützungswelle auch außerhalb des Landes einen Einfluss auf die Entscheidung hatte.

Das Standard-Argument der Regierung gegen Oppositionelle, das auch bei der aktuellen Verhaftung von Mitgliedern der Muslimbrüderschaft ins Spiel gebracht wird, gehört zum derzeit gängigen Repertoire vieler autoritärer Regierungen in der Region: Man will vermeiden, dass radikale Kräfte, also Islamisten, an Macht und Einfluss gewinnen. Weswegen es auch in den USA Stimmen gibt, die vor voreiligen politischen Schlüssen, etwa der Einstellung von finanzieller Unterstützung bzw. deren Bindung an "falsche Bedingungen" warnen.

Andrerseits läuft die amerikanische Regierung durch ihre zurückhaltende Kritik der Menschenrechtsverletzungen im befreundeten Ägypten in Gefahr, den am meisten verbreiteten Vorwurf gegen die USA, den der Doppelzüngigkeit, zu untermauern.