Arbeitnehmer in Corona-Pandemie: Weniger Ausfälle, schwerere Erkrankungen
Studie der Krankenkasse AOK wirft ein Schlaglicht auf die Folgen der Corona-Politik. Viele Erkrankte gingen aus Angst vor einer Infektion offenbar nicht zum Arzt
Nach einer umfassenden Auswertung von Patientendaten ist die Krankenkasse AOK zum Ergebnis gekommen, dass es in der Corona-Pandemie zwar allgemein weniger Krankmeldungen gegeben hat.
Wer sich aber krankheitsbedingt von der Arbeit entschuldigt hat, fehlte über eine längere Zeit hinweg als bisher gemeinhin üblich, heißt es im sogenannten Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, der am Dienstag vorgestellt wurde.
Die Autoren verglichen die Pandemie-Monate von März 2020 bis Juli 2021 mit dem Vorjahreszeitraum, in dem die Verbreitung des neuartigen Corona-Virus Sars-CoV-2 Leben und Arbeit der Menschen weltweit noch weniger stark beeinträchtigt hatte.
Der deutlichste Unterschied zeigt sich der Studie zufolge bei pulmologischen Erkrankungen. Seit Beginn der pandemischen Verbreitung von Sars-CoV-2 wurden in diesem Krankheitsfeld mit 30,6 Arbeitsunfähigkeitsfällen je einhundert Mitgliedern der Kasse durchschnittlich 182 Fälle weniger verzeichnet als im Vergleichszeitraum.
Die Autoren konstatieren jedoch, dass Beschäftigte länger am Arbeitsplatz fehlten, wenn sie sich krankgemeldet haben. Dies betraf den Daten der AOK zufolge vor allem Patienten mit psychischen Erkrankungen: Sie waren im Vergleich vier Tage länger krankgemeldet als vor der Pandemie.
Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrug der Unterschied im Schnitt 2,5 Tage je Fall, bei Beschwerden der Atemwege oder des Muskel- oder Skelett-Apparates lag die Differenz mit 1,8 beziehungsweise 1,6 Tagen unter diesem Wert.
Der Grund für den Rückgang der totalen Zahlen liegt nach Ansicht der Autoren indes nicht in einer objektiven Verbesserung der Gesundheitslage. Vielmehr vermuten die AOK-Experten, dass Beschäftigte aus Angst vor dem Corona-Virus bei Beschwerden auf Arztbesuche verzichtet haben und die verzeichneten Fallzahlen daher niedriger gelegen haben.
Darauf weise auch die erhöhte Dauer der Krankschreibungen hin: Wer sich in der Pandemie schließlich krankmelden musste, war gesundheitlich offenbar heftiger beeinträchtigt als zuvor gemeinhin üblich.
Krisenmanagement des Arbeitgebers wirkt sich auf Gesundheit aus
Aufschluss ergibt der Bericht auch über die Auswirkungen des Krisenmanagements von Unternehmen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Wer seinem Arbeitgeber gute Noten gab, sich also tatsächlich oder gefühlt auf Unterstützung verlassen konnte, wies eine größere Resilienz, also Widerstandsfähigkeit auf.
Konkret heißt dies, dass diese Arbeitnehmer in der Corona-Krise im Schnitt an 7,7 Tagen jährlich krankgeschrieben waren. Wer das Krisenmanagement der Firma, die Unterstützung durch den Arbeitgeber oder den Zusammenhalt der Belegschaft schlecht bewertete, fiel im Schnitt hingegen 11,9 Tage krankheitsbedingt aus.
Das lasse den Rückschluss zu, dass nicht nur die Stimmung im Unternehmen, sondern auch die konkrete physische Verfassung der Mitarbeitenden durch die Personalführung eines Unternehmens in der Krise beeinflusst worden ist, sagte der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Helmut Schröder.
Die Studie der AOK ergänzt eine ähnliche Untersuchung der Krankenkasse DAK, die Daten von hunderttausenden minderjährigen Patientinnen und Patienten ausgewertet und vor negativen Konsequenzen der Corona-Maßnahmen gewarnt hatte.
Der DAK Studie zufolge sind schon jetzt gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu beobachten. Allein im Jahr 2020 seien im Vergleich zum Vorjahr in den Krankenhäusern 60 Prozent mehr Mädchen und Jungen aufgrund einer Adipositas behandelt worden, heißt es im Ergebnis der Studie, über die auch Telepolis berichtet hatte.
Zugleich sei die Zahl Minderjähriger mit starkem Untergewicht um mehr als ein Drittel angestiegen. "Essstörungen wie Magersucht und Bulimie nahmen um fast zehn Prozent zu", heißt es in der DAK-Studie.
Deutliche Veränderungen seien auch bei Diabetes- und Asthma-Erkrankungen sowie Infektionen zu verzeichnen gewesen, so der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK. Erstellt wurde die Studie vom Bielefelder Analyseunternehmen Vandage und der örtlichen Universität.
Untersuchungsgrundlage waren die anonymisierten Krankenhausdaten von knapp 800.000 bei der DAK versicherten Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren.
Der Untersuchung zufolge sank die Zahl junger übergewichtiger Patientinnen und Patienten im Frühjahrslockdown 66 Prozent unter den Wert des Vorjahres, stieg danach aber steil an "und blieb auf Rekordniveau". Gleichzeitig habe die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit starkem Untergewicht 2020 um 35 Prozent zugenommen.