Archimedes: Die Erste ihrer Art
Mit dem Ballon zum Mars
Archimedes, altgriechischer Mathematiker, Physiker und Naturwissenschaftler, 287 v. Chr. in Syrakus geboren und unter anderem Entdecker des Auftriebs und der Hebelgesetzte, steht als Namenspate für das neue Projekt zur Untersuchung der Marsatmosphäre. Zudem steht der Name selbst mit den jeweiligen Anfangsbuchstaben für Aerial Robot Carrying High resolution Imaging, a Magnetometer Experiment and Direct Environmental Sensors.
Anstatt Abermillionen für die Umsetzung neuer Ideen zur Eroberung des Weltraums zu verschlingen, setzt ein kleines Team aus Enthusiasten, Studenten und Wissenschaftlern aus Deutschland auf Ideenreichtum, um den Mars zu erobern. Archimedes, so der Projektname, ist weit mehr als eine kühne Vision die mal kurzfristig in den Köpfen entstand; bereits seit 2002 arbeitet man an Konzept- und Machbarkeitsstudien, die zunehmend konkretisiert wurden, bis zum detaillierten Missionskonzept. Wenn alles positiv verläuft, dann wird Archimedes im Jahre 2011 an Bord einer Ariane 5 Rakete im "Huckepack"-Verfahren gestartet und mit einem Satelliten, dem AMSAT P5-A, auf die Reise zum Mars geschickt.
Mit einem Überschallballon den Mars erforschen
An diesem Projekt, das von der Mars Society initiiert wurde, sind zahlreiche wissenschaftliche Institute und Universitäten, vor allem die Universität der Bundeswehr München, die schon vom Astronauten Thomas Reiter besucht wurde, beteiligt. Zudem gibt es umfangreiche Unterstützung seitens der Industrie.
Die Idee ist nicht ganz neu, schon in den 60er Jahren (zwischen 1962 und 1974) gab es von Seiten der Nasa-Pläne, eine Art Ballon in der Weltraumtechnik einzusetzen. Die Versuche wurden von der Goodyear Aerospace Corporation im Auftrag der Nasa durchgeführt, aber schließlich wieder eingestellt, weil kein geeignetes Ballonmaterial in der damaligen Zeit verfügbar noch in Aussicht war.
Während der russischen Vega-Missionen (1985 zur Erforschung der Venus) kamen erstmals französische Überdruckballons zum Einsatz. Trotzdem galt bislang der geringe Auftrieb in der äußerst dünnen Atmosphäre des Mars als unlösbares Problem. Denn im Gegensatz zur Venus, die eine überaus dichte Atmosphäre besitzt (Oberflächendruck: etwa 90 bar, Temperatur: ca. 450 °C), weist der Mars eine sehr dünne Atmosphäre auf (Oberflächendruck: etwa 7 mbar, Temperatur: ca. – 140 °C - 20 °C). Immer wieder versuchten Forscher, Ballons an die Bedingungen der Marsatmosphäre anzupassen und scheiterten an Schwierigkeiten bei der Entwicklung der nötigen Technik. Während also die Venus-Ballons mit einem Durchmesser von dreieinhalb Metern und einer recht robusten Ballonhaut leicht schweben konnten, wird für den Mars ein Hightech-Ballon mit mindestens zehn bis fünfzehn Meter Durchmesser bei sehr geringem Eigengewicht benötigt, um eine nennenswerte Nutzlast tragen zu können. Diese Problematik könnte nun von einem kleinen deutschen Team gelöst worden sein.
Vision und Wirklichkeit
Archimedes selbst ist ein mit Helium gefüllter, kugelförmiger Überdruckballon mit etwa zehn Meter Durchmesser und Gewicht von ca. 15 kg, der auch als „Ballute“ (eine Kombination aus Balloon und Parachute) bezeichnet wird. Das neuartige Konzept von Archimedes sieht vor, dass der Ballon bereits während des Endanflugs auf den Planeten aufgeblasen und beim anschließenden Atmosphärendurchflug als Widerstandskörper benutzt wird (aufblasbarer Bremskörper). Auf diese Weise lässt sich das Raumfahrzeug sehr viel einfacher und weniger komplex aufbauen. Auch die Wahl der Eintrittsbahn und die Navigation sind damit wesentlich einfacher. Da der Ballon groß und leicht ist, wird er bereits durch Atmosphärenschichten mit geringer Dichte recht stark abgebremst. Die Position des Ballons wird durch „Radio Ranging“ vom Satelliten aus bestimmt. Der Instrumententräger von Archimedes verfügt über drei Hauptexperimente und zwei Eintrittsexperimente, hinzu kommt ein sechstes Experiment, der Ballon selbst.
Experimente
Der wissenschaftliche Instrumententräger mit Ausrüstung wiegt ca. 4.5 kg, hinzu kommt die 10 kg Nasenkappe mit zusätzlichen Sensoren:
- Das Wettersensorenpaket bestehend aus Thermo-, Baro- und Hygrometer, kurz genannt AtmOsB, wird von dem Finnischen Meteorologischen Institut (FMI) in Helsinki zur Verfügung gestellt. Da der Ballon nicht gesteuert wird, lassen sich aus seiner Bahn Aussagen über Druck, Dichte und Windverhältnisse in allen durchflogenen Höhen bestimmen.
- Das Magnetometer zur Messung von räumlichen Feldstärkeänderungen im residualen Krustenmagnetfeld und zum Studium der Wechselwirkung der Planetenatmosphäre mit dem Sonnwind wird vom Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik der TU Braunschweig gemeinsam mit der Firma Magson GmbH, Berlin gebaut.
- Die hochauflösende Kamera stammt vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Berlin Adlershof.
Vor und während des Eintritts in die Marsatmosphäre können ebenfalls Experimente durchgeführt werden. Dazu wird die Nasenkappe der Raumsonde, die den primären Instrumententräger vor der Hyperschallströmung schützt, mit Messgeräten ausgestattet werden.
- Das Instrumentenpaket COMPARE kann die Aufheizung im Hyperschallverdichtungsstoß sowie den Staudruck messen. Es wird vom Institut für Raumfahrtsysteme der TU Stuttgart gebaut.
- Durch das AMS (Accelerometric Measurement System) kann der riesige Leichtballon selbst zur Untersuchung der Strukturen der Hochatmoshpäre eingesetzt werden. Dieses System wird vom Institut für Computertechnik und theoretische Informatik der Technischen Universität in Lasi und der TU Pitesti in Rumänien entwickelt.
Die Mission Archimedes selbst ist aber nur ein Teilprojekt, das im Gesamtkonzept des Marssatelliten Amsat DL P5-A, der von der Amateur Satellite Corporation Deutschland entwickelt und gebaut wird, eingebettet ist, denn ohne diesen Satelliten kann der Ballon nicht auf die Reise zum Mars gebracht werden.
Das Enwicklungs- und Testprogramm von Archimedes gliedert sich in drei Schwerpunkte:
- Archyflow (Archimedes Hypersonic Flight and Low speed descent) beinhaltet alle Aktivitäten und Forschungen rund um die Thematik Flugbahn, Hyperschall Aerothermodynamik, Aeroelastik und Thermal Analysen.
- Archimetter (Archimedes Material Testing and Research), ein essentieller Punkt in diesem Projekt, befasst sich mit detaillierter Materialuntersuchung und Verfahrenstechnik. Ohne entsprechendes Material für den Ballon wäre eine Realisierung erst gar nicht möglich. Fündig wurde das Team in Japan, die eine spezielle Polyamid-Variante (UPILEX) herstellen, die den äußerst anspruchsvollen Materialvoraussetzungen dieser Mission gewachsen scheint. Weitere Herausforderung in diesem Bereich ist die Verklebung der einzelnen Ballon-Segmente, der Einbau von Instrumentierung (Antennen, Temperaturfühler), der Einbau des Aufblas-Schlauchs und Windsock sowie die Verstärkung hochbelasteter Zonen (Polkappen).
- Cleopatra (umfasst alle Bereiche rund um die Modelltests, soweit diese auf der Erde und in erdnaher Höhe realisiert werden können, da zu gehören Parabelflug-Versuche, Raumflug-Tests, Fall-Tests, Schlepp-Tests und das Aufblassystem-Design plus Test.
Aktueller Milestone: MIRIAM (Main Inflated Reentry Into the Atmosphere Mission test)
Um die Einwirkung des im verpackten Ballon befindlichen Restgases bei der Entfaltung zu beobachten, wurde der Auswurfmechanismus auf einer Höhenforschungsrakete getestet. Ein entsprechendes Versuchsprogramm hat bereits begonnen: Der Testkörper ARM-Stage-1 wurde erfolgreich beim 40. Parabelflug im Juni 2005 getestet, und er funktionierte auch beim Flugversuch Regina (Residual Gas Inflation test for Archimedes) am 5. April 2006 auf der Höhenforschungsrakete Rexus-3 des DLR. Damit ließ sich belegen, dass das Konzept funktioniert. Auf Basis dieser Erfolge ist nun am 14. Juni 2008 der Start des Raumflugversuchs Miriam in Kiruna, Sweden mit folgendem Ablauf geplant: Start, De-Spin, Separation, Auswurf, Aufblasen, Trennen, Eintritt in die Atmosphäre, Abstieg, Bergung (Nur Kamera Modul, ggf. aber auch Rest).
Ein vier Meter großer Testballon, wird von einem Servicemodul aus im Weltraum aufgeblasen. Danach soll es den Ballon abtrennen und mit Hilfe von Raketendüsen einen ausreichenden Sicherheitsabstand einnehmen. Dies ist nötig, damit Miriam beim Eintritt in die Atmosphäre nicht von seinem eigenen Servicemodul gerammt wird. Dieses fällt wegen seines höheren Gewichts und der kleineren Fläche schneller in die Atmosphäre hinein als Miriam.
„Miriam können wir uns aus dem Arm schütteln, aber für Archimedes benötigen wir finanzielle Unterstützung“, so Hannes Griebel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Raumfahrttechnik an der Bundeswehr-Universität München, Präsident der Genau genommen stimmt das mit „aus dem Arm schütteln“ nicht ganz, wenn man hinter die Kulissen schaut und berücksichtigt, das in diesem privat organisierten Projekt bis jetzt schon ca. 25 000 Arbeitsstunden von Mitarbeitern stecken - im Wesentlichen auf non Profit-Basis und zu einem nicht unerheblichen Teil in der Freizeit geleistet werden.