Arktis: Die Eisschmelze schafft Begehrlichkeiten

Schmelzpools in der Arktis. Bild: NOAA

Bei der 2. Kiel-Conference diskutierten Militär und Wissenschaft u.a. über die Erschließung der Ressourcen und mögliche neue Seehandelswege im "Hohen Norden"

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Am vergangenen Dienstag fand die zweite "Kiel-Conference" unter dem Motto "Cool Dispassion or Hot-Button Topic - The High North" (Kühle Leidenschaftslosigkeit oder heißes Eisen - Der Hohe Norden" statt. Die NATO-Tagung ist quasi das maritime Pendant zur Münchner Sicherheitskonferenz. Seit dem letzten Jahr findet sie statt als Beiwerk der als Volksfest beliebten Kieler Woche. Ein Event der Superlative: die weltgrößte Segelregatta, das größte Sommer-Volksfest in Nordeuropa und seit letztem Jahr eben plus "Kiel Conference" mit hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft, Hochschule, Politik, Rüstungskonzernen und Militär (Die NATO feiert mit).

Diese unverhohlene Vermischung von Massen-Bespaßung und militärischen Interessen, rief Widerspruch hervor. Ein breites Bündnis von 13 Initiativen und Parteien, u.a. Attac, der DBG und DIE LINKE, rief am vergangenen Dienstag zu einer Protest-Demonstration unter dem Motto "WAR STARTS HERE - Keine Kriegs-Konferenz in Kiel!" auf. Sowohl Veranstalter als auch die Polizei sprachen von ca. 350-400 Personen, die diesem Aufruf gefolgt seien.

Die Kiel-Conference wird ausgerichtet vom in der Uni Kiel angesiedelten "Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel" (ISPK) in Zusammenarbeit mit einem "Exzellenzzentrum" der NATO. In drei Blöcken diskutierten die Teilnehmer über: Forschung und Schifffahrt - Gemeinsame Interessen? Seemächte im Hohen Norden - Konkurrierende Ansätze? Kooperative und diplomatische Möglichkeiten - Ein Plan für die maritime Sicherheitsordnung? Mit anderen Worten: Die Eisschmelze schafft Begehrlichkeiten.

In geschlossener Runde diskutieren Vertreter aus Militär, Industrie, Wissenschaft und Politik darüber, wie sich die NATO-Staaten die Eisschmelze für die Erschließung der Rohstoffe sowie neuer Handelswege nutzbar machen könnten - insbesondere im Hinblick auf die erhöhte militärische Präsenz Russlands und Chinas in der Region.

Bei der Kiel Conference 2016 wird es also darum gehen, welche sicherheits- und militärpolitischen Herausforderungen sich aus den massiven Veränderungen in der Polarregion ergeben, besonders die Chancen auf Ausbeutung der Ressourcen der Region, aber auch für die internationale Schifffahrt, besonders durch den verkürzten Seeweg zwischen Europa und Asien. Dabei müsse es um das Zusammenspiel von ökonomischen und kommerziellen Interessen mit den neuen technischen Herausforderungen, die die Region erfordere, gehen.

Ankündigungstext

"In der Ostsee werden so viele Manöver in der Ostsee durchgeführt, wie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Die Militarisierung dieses Sport- und Kultur-Events ist eine neue Stufe der Eskalation", erläuterte Lorenz Gösta Beutin, Historiker und Mitarbeiter im Regionalbüro Kiel der Bundestagsfraktion DIE LINKE sowie Sprecher der Initiative "War starts here", gegenüber Telepolis.

Insbesondere die Parteinahme der Wissenschaft für militärische Konfliktlösungen wird von dem Friedens-Bündnis kritisiert. "Die enge Verzahnung mit dem sicherheitspolitischen Institut der Universität Kiel, und damit die unmittelbare Einbindung von Forschung und Lehre in geostrategische und militärische Planungen, ist ein Novum", betont Beutin. Problematisch sei, so der Friedens-Aktivist weiter, dass diese Konferenz in der weltpolitisch angespannten Lage eine eindeutige Positionierung zugunsten der NATO bedeutet. "Und das in einer Stadt, die sich als Mitglied in den Mayors for Peace eigentlich der Friedensarbeit verschrieben hat."