Armin und die Autokraten
Der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet legt sich ungern fest. Da fällt es auf, wie oft er für die Zusammenarbeit mit autoritären Staatschefs eingetreten ist
Vage Aussagen und Positionen sind geradezu ein Markenzeichen des CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Auch zur Außenpolitik äußert er sich lieber sehr allgemein und unkonkret. Ausgerechnet Autokraten und Diktatoren hat er aber schon oft vor Kritik in Schutz genommen.
Ein jüngeres Beispiel ist seine Position gegenüber der erstarkenden Weltmacht China. Das Land sei "Systemwettbewerber und Partner. Deshalb ist (...) die rein innenpolitisch argumentierende Abgrenzung zu China der falsche Weg".
Man müsse zwar die Menschenrechte ansprechen, so Laschet: "Aber wir dürfen nicht alle Beziehungen abbrechen wegen möglicherweise unterschiedlicher Gesellschaftsbilder."
Dass die Gesellschaftssysteme in Deutschland und China also möglicherweise gleich oder ähnlich sind, an dieser Beurteilung dürfte Laschet das alleinige Urheberrecht haben. Zudem nutzte er den Trick, den Kritikern der innen- und außenpolitisch aggressiven Politik Pekings zu unterstellen, sie würden den Abbruch der diplomatischen Beziehungen fordern - was aber niemand getan hat.
So verlangte die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, neben dem Dialog mehr "Härte", unter anderem ein Importverbot für Produkte, die in China mit Zwangsarbeit gefertigt werden.
Im Abschlusskommuniqué der G-7-Staaten auf ihrem Gipfel im Juni fiel die Kritik gegenüber China so deutlich wie nie zuvor aus. Die Mitglieder des Bündnisses prangerten nicht nur die mangelnden Menschenrechte und Freiheiten an, insbesondere mit Blick auf Xinjiang und Hongkong, sondern auch die unfairen Handelspraktiken Chinas.
Das stand in einem deutlichen Kontrast zur Zurückhaltung des CDU-Vorsitzenden gegenüber der Politik der Kommunistischen Partei Chinas.
Ähnlich fragwürdig sind Laschets Einschätzungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nach der Besetzung der Krim 2014 kritisierte der damalige CDU-Vize einen "marktgängigen Anti-Putin-Populismus" in der deutschen Öffentlichkeit und die "Dämonisierung" Putins.
Laschet redet Probleme klein oder ignoriert sie
Auch wenn das Referendum auf der Krim "eindeutig völkerrechtswidrig" gewesen sei, müsse man sich in den Gesprächspartner "hineinversetzen, wenn man eine außenpolitische Beziehung pflegt".
2018, als der frühere russische Agent Sergej Skripal und seine Tochter in England mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet worden waren, zweifelte Laschet in einem Tweet britische Geheimdiensterkenntnisse an, dass die russische Regierung für das Attentat verantwortlich war.
"Wenn man fast alle Nato-Staaten zur Solidarität zwingt, sollte man dann nicht sichere Belege haben? Man kann zu Russland stehen, wie man will, aber ich habe im Studium des Völkerrechts einen anderen Umgang der Staaten gelernt." Später musste er kleinlaut eingestehen: "Heute, im Nachhinein, haben wir Klarheit, wer im Fall Skripal der Schuldige war."
Dieses Muster zeigt sich bei Laschet immer wieder: Zunächst erkennt er die Schwere eines Problems nicht oder will sie schlicht nicht zur Kenntnis nehmen, sodass er es kleinredet oder gar ignoriert.
Sobald seine Fehleinschätzung offensichtlich wird, sucht er nach Ausflüchten und behauptet, man hätte das zuvor nicht besser wissen können. Prägnante Beispiele dafür sind seine Corona- und Klimapolitik.
Die Annexion der Krim nennt Laschet heute "nicht akzeptabel". Die deswegen von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland hält er für berechtigt.
Die Gasleitung Nord Stream 2 befürwortet er dennoch. Damit teilt er die Position der Bundeskanzlerin und des Vizekanzlers Olaf Scholz (SPD).
Baerbock dagegen sprach sich gegen die Fertigstellung aus. Seine für einen CDU-Chef überraschend russlandfreundliche Haltung zeigte sich auch im Syrienkrieg. Dabei haderte er mehr mit der Rolle der USA als auch der Position Russlands.
Laschet weist Nähe zu Assad zurück
Die russischen Warnungen hingegen seien fast alle berechtigt gewesen seien. "Die Russen haben von Anfang an vor Dschihadisten gewarnt, bei uns hat man das abgetan als Propaganda."
2021 wies er in einem Interview den Vorwurf zu großer Nähe zu Assad zurück: "Ich habe davor gewarnt, dass der IS die Herrschaft in Syrien übernehmen könnte. Das ändert aber nichts daran, dass Assad ein Kriegsverbrecher ist und mit seinen verabscheuungswürdigen Giftgaseinsätzen in eklatanter Weise gegen alle völkerrechtlichen Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung verstoßen hat."
Auch das Verhältnis Laschets zum türkischen Präsidenten Erdoğan ist bemerkenswert. Nachdem es seit Jahren Kritik an Kontakten zwischen nordrhein-westfälischen CDU-Politikern und türkischen Nationalisten gegeben hat und darüber gestritten wird, inwieweit der Landeschef davon wusste, gratulierte ihm Erdoğan zum Sieg im Rennen um den CDU-Vorsitz.
Dabei teilte er mit, dass die Türkei ihr Vertrauen in die deutschen Politiker setze, den "zunehmenden Angriffen auf die türkische Präsenz sowie die Moscheen in Deutschland" ein Ende zu bereiten.
Im Mai wurde bekannt, dass die CDU-FDP-Koalition den islamischen Religionsunterricht in NRW vom türkischen Moscheenverband Ditib mitgestalten lassen will. Und der steht, wie selbst das Innenministerium in Düsseldorf bestätigt, unter direktem Einfluss der türkischen Regierung und damit von Erdoğan.
Fazit: Im Umgang mit Autokraten und Diktatoren bevorzugt Laschet die Kooperation gegenüber Kritik und Abgrenzung. Erst wenn er deswegen öffentlich unter Druck kommt, distanziert er sich klarer von den Menschenrechtsverletzungen dieser Regime.
Dabei steht dieses Wegschauen im Widerspruch zu den christlichen Werten seiner Kirche. Seit Langem präsentiert sich Laschet ansonsten nämlich gerne öffentlich als Katholik und nutzt seine Verbindungen zu kirchlichen Kreisen.
Mangelnde Erfahrung in der Außenpolitik kann man ihm dabei nicht zugutehalten, denn bereits als CDU-Europaabgeordneter zwischen 1999 und 2005 war sie sein Schwerpunkt.
Allerdings stehen seine Positionen in vielerlei Hinsicht in der Kontinuität zur Politik der Bundeskanzlerin und Ex-CDU-Vorsitzenden Angela Merkel.
Denn auch sie hielt sich oft mit kritischen Worten gegenüber Peking, Moskau und Ankara zurück, um wirtschaftliche und politische Interessen Deutschlands nicht zu gefährden. So forcierte sie trotz des schwierigen Verhältnisses zu Erdoğan den EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei und hielt trotz aller Widrigkeiten daran fest.
Ihre vorsichtige und diplomatische Natur bewahrte sie aber davor, sich mit ihren außenpolitischen Aussagen so angreifbar zu machen wie Laschet. Teilweise kritisierte sie Menschenrechtsverletzungen aber auch klarer und früher als er wie im Fall Nawalny.
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