Armut wird nicht der Geschichte angehören
Gemessen an den großen Erwartungen im Vorfeld waren die Ergebnisse des G8-Gipfels in Schottand bescheiden
Selten war ein G8-Gipfel im Vorfeld mit so großen Erwartungen bedacht worden, wie das gestern am Freitag schottischen Gleneagles zu Ende gegangene Treffen der führenden Staats- und Regierungschefs.
Dazu trugen sicherlich nicht zu letzt die Live8-Konzerte bei (vgl. Stimmen gegen die Armut). Musiker, wie Bono oder Bob Geldof erweckten mit ihren Statements den Eindruck, dieser Gipfel könne das Schicksal von Millionen Menschen wenden. Mit einer Schuldenstreichung könnten Hunger und Elend der Vergangenheit angehören. Make Poverty History lautete denn auch das eingängige Motto, eine Forderung, gegen der jeder zustimmen kann.
Gemessen daran ist der Ertrag des Gipfels doch bescheiden. Denn Armut wird dadurch sicher nicht der Geschichte angehören. Ein Paket von insgesamt 51 Milliarden US-Dollar wurde beschlossen, das zur Entschuldung von 18 der ärmsten Länder eingesetzt werden soll. 20 weitere sollen später in das Programm einbezogen werden. Dazu müssen sie aber erst einen Katalog an Auflagen erfüllen, die zum Grundkonsens neoliberaler Wirtschaftspolitik zählen: Märkte für westliche Konzerne öffnen, die Privatwirtschaft fördern, die öffentliche Dienste privatisieren.
Die Live8-Aktvisten können sich nicht einmal damit trösten, dass sie dieses ziemlich bescheidene Ergebnis irgendwie beeinflussten. Das Paket wurde schon im Juni auf einem Treffen der Finanzminister Russlands,der USA, Großbritanniens, Italiens, Deutschlands, Japans, Frankreichs und Kanadas beschlossen und wurde in Schottland nur bekannt gemacht. Die ersten Reaktionen von globalisierungskritischen und entwicklungspolitischen Gruppen sind denn auch nicht gerade euphorisch.
Von den vollmundigen Sprüchen ist unterm Strich gerade mal ein mickriger Schuldenerlaß geblieben.
Peter Wahl von ATTAC
Auch bei dem zweiten zentralen Thema des Gipfels, dem Klimawandel können alle Seiten auf Erfolge vorweisen, doch letztlich bleibt es auch hier bei vagen Absichtserklärungen. Das Protokoll von Kyoto, für das sich in der letzten vor dem Gipfel zahlreiche Umweltverbände und auch Bundesumweltminister Jürgen Trittin stark gemacht haben, wurde nicht erwähnt. Denn die US-Regierung hat es nicht unterschrieben, weil sie es als schädlich für die US-Wirtschaft hält. Gleich zu Beginn des Gipfels hatte Präsident Bush deutlich gemacht, dass er an dieser Position festhalten werde.
"Geht Afrika in Flammen auf?"
So wurde es schon als Erfolg gewertet, dass der US-Präsident in Gleneagles einem Dokument zustimmte, in dem festgehalten wird, dass die Emission von Treibhausgasen schädlich für das Weltklima ist. Das ist allerdings wissenschaftlicher Konsens seit fast einem Jahrzehnt. Der wurde noch einmal auf einer zum G-8-Gipfel fertig gestellten Studie einer Arbeitsgruppe britischer Umwelt- und Entwicklungsorganisationen mit dem alarmistischen Titel "Geht Afrika in Flammen auf?" bekräftigt. Dort werden die Auswirkungen des Klimawandels auf Afrika und die ärmsten Bevölkerungsschichten beschrieben. Damit wird auch mit einem in der Umweltbewegung gern gepflegten Mythos aufgeräumt, dass die Umweltprobleme alle Menschen gleichermaßen betreffen.
Andererseits bedienen sich die Verfasser der Studie mit ihren hoch dramatischen Titel einer schon lange hinterfragten Strategie vieler Nichtregierungsorganisationen gerade im Umweltbereich. Man will damit zu sofortigen Handeln aufrufen, fordert technokratische Lösungen, weil für lange Debatten keine Zeit mehr sei. Damit wird aber oft an den Bedürfnissen vieler Organisationen in den betroffenen Ländern vorbei agiert.
Die Suche nach einem schnell greifenden Masterplan wird von der kritischen Entwicklungsforschung schon lange als falscher Weg bezeichnet. Die Einwände haben sich gerade bei dem zu Ende gegangenen Gipfel eindrucksvoll bestätigt. Die Masterpläne hießen Entschuldung und Kyoter Protokoll. Gerade letzteres wurde von vielen europäischen Initiativen und Regierungen vor allem als taktisches Mittel begriffen, um die US-Regierung zu isolieren und den britischen Premierminister mit ins Boot der angeblich friedlicheren, umweltbewussteren Europäer zu holen. Denn Blair hat sich vor dem Gipfel als einen entschiedener Befürworter dieses Protokolls dargestellt, der auch einen Konflikt mit seinen Freund aus Washington in dieser Frage nicht scheuen werde.
Doch durch die Terroranschläge von London (vgl. Angriff auf London ist dieser Dissens in den Hintergrund getreten. Außerplanmäßig wurde von den versammelten Staatschefs eine Erklärung verfasst, in der sie versicherten, dass die Terroristen nicht siegen werden.
Die Frage wird sein, wie die vielen Menschen in aller Welt, die durch die Live8-Aktionen für die Probleme der Verelendung großer Teile der Menschen, nicht nur in Afrika, sensibilisiert wurden, auf die bescheidenen Gipfelergebnisse reagieren. Gehen sie nach den großen Erwartungen zur Tagesordnung über oder erkennen sie, dass es einen langen Kampf bedeutet, bis Poverty History ist?